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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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den Angriffen von Flotten mit Erfolg widerstehen könnten, und daß diese, um
es zu tonnen, auf das solideste erbaut sein müßten. Von dieser Idee aus¬
gehend, befestigte England seine -Seehäfen am mittelländischen Meer auf
das stärkste, hielt aber keine Seefestung, welche andern Nationen angehörte,
für fähig, sich auf die Dauer gegen die Angriffe seiner Flotte zu halten --
eine einseitige Ansicht und Überschätzung der eignen Kräfte, welche ihm im
orientalischen Kriege vor Sweaborg, Kronstäbe und Sebastopol bittre Früchte
trug. Nun kam man auf eine andere Idee. Mit tiefgehenden großen Schiffen
ließen sich gut befestigte Häfen, wegen der Schwierigkeit das Fahrwasser zu
finden, wegen der Leichtigkeit, mit der es unfahrbar gemacht werden konnte,
nicht forciren, erbaute man daher eine ganze Flotille von eisernen Kanonen¬
böten, die, mit wenigen schweren Geschützen bewaffnet, nur geringen Tiefgang
hatten und mit Dampfmaschinen versehen wurden. Von diesen erwartete
man bedeutende Erfolge, als unerwartet, und bevor man noch Gelegenheit gehabt
hatte, sie in Masse vor den Feind zu bringen, und so deren praktischen
Nutzen zu erproben, der Friede kam. Nur auf Offensivunternehmcn richteten
die Engländer der Hauptsache nach ihre Aufmerksamkeit und auf den Schutz
der isolirten Seefesten des Mutterlandes, für die Befestigung der eignen Lan-
dcsgrenzcn geschah unendlich wenig, man verließ sich in dieser Beziehung wie
früher auf die Unüberwindlichkeit seiner schwimmenden Festungen. Die ge¬
fährdeten Grenzen Englands sind die< welche dem Festlande am nächsten liegen,
und am leichtesten von diesem aus erreicht werden können, mithin die am
Kanal. Bisher waren die vorherrschenden Winde und Strömungen ein ganz
besonderer Schutz derselben, der durch Anwendung der Dampfkraft bei Schiffen
nur zu viel von seinem Werthe verloren hat. Beide gehen vorherrschend von
Osten nach Westen, folglich mußte England daran denken, im Osten einen
großen Kriegshafen zu haben, um mit Benutzung jener Naturkräfte Meister
des Kanals zu bleiben. Hierzu eignete sich die Mündung der Themse am
besten, und Sheerneß ward zum Depotpiatz erhoben, der vollständig günstig
gelegen war, um den oben angedeuteten Zweck zu erfüllen; nur das Vorland
brauchte umschifft zu werden, um durch die Straße von Calais in den Kanal
selbst zu gelangen. -- Der Central- und Haupthafen durfte aber kein andrer als
Portsmouth werden, dessen geschützte Lage hinter der Insel Wight es den An¬
griffen feindlicher Flotten sowol, als dem Andrange von Wind und Wellen
entzog. Dies ward auch der Hauptdepotplatz für die Kanal- und Mittelmcer-
slotten, und von hier segelten die Geschwader aus, welche einst die spanische
Armada, später die Holländer und dann die vereinigten Spanier und Fran¬
zosen schlugen. Die Engländer waren mit diesen Festungen so vollständig
Herren des Kanals, daß die Franzosen es in den letzten Kriegen kaum mehr
wagten, ihre befestigten Hasen zu verlassen. Da drohte 1808 Napoleon mit


den Angriffen von Flotten mit Erfolg widerstehen könnten, und daß diese, um
es zu tonnen, auf das solideste erbaut sein müßten. Von dieser Idee aus¬
gehend, befestigte England seine -Seehäfen am mittelländischen Meer auf
das stärkste, hielt aber keine Seefestung, welche andern Nationen angehörte,
für fähig, sich auf die Dauer gegen die Angriffe seiner Flotte zu halten —
eine einseitige Ansicht und Überschätzung der eignen Kräfte, welche ihm im
orientalischen Kriege vor Sweaborg, Kronstäbe und Sebastopol bittre Früchte
trug. Nun kam man auf eine andere Idee. Mit tiefgehenden großen Schiffen
ließen sich gut befestigte Häfen, wegen der Schwierigkeit das Fahrwasser zu
finden, wegen der Leichtigkeit, mit der es unfahrbar gemacht werden konnte,
nicht forciren, erbaute man daher eine ganze Flotille von eisernen Kanonen¬
böten, die, mit wenigen schweren Geschützen bewaffnet, nur geringen Tiefgang
hatten und mit Dampfmaschinen versehen wurden. Von diesen erwartete
man bedeutende Erfolge, als unerwartet, und bevor man noch Gelegenheit gehabt
hatte, sie in Masse vor den Feind zu bringen, und so deren praktischen
Nutzen zu erproben, der Friede kam. Nur auf Offensivunternehmcn richteten
die Engländer der Hauptsache nach ihre Aufmerksamkeit und auf den Schutz
der isolirten Seefesten des Mutterlandes, für die Befestigung der eignen Lan-
dcsgrenzcn geschah unendlich wenig, man verließ sich in dieser Beziehung wie
früher auf die Unüberwindlichkeit seiner schwimmenden Festungen. Die ge¬
fährdeten Grenzen Englands sind die< welche dem Festlande am nächsten liegen,
und am leichtesten von diesem aus erreicht werden können, mithin die am
Kanal. Bisher waren die vorherrschenden Winde und Strömungen ein ganz
besonderer Schutz derselben, der durch Anwendung der Dampfkraft bei Schiffen
nur zu viel von seinem Werthe verloren hat. Beide gehen vorherrschend von
Osten nach Westen, folglich mußte England daran denken, im Osten einen
großen Kriegshafen zu haben, um mit Benutzung jener Naturkräfte Meister
des Kanals zu bleiben. Hierzu eignete sich die Mündung der Themse am
besten, und Sheerneß ward zum Depotpiatz erhoben, der vollständig günstig
gelegen war, um den oben angedeuteten Zweck zu erfüllen; nur das Vorland
brauchte umschifft zu werden, um durch die Straße von Calais in den Kanal
selbst zu gelangen. — Der Central- und Haupthafen durfte aber kein andrer als
Portsmouth werden, dessen geschützte Lage hinter der Insel Wight es den An¬
griffen feindlicher Flotten sowol, als dem Andrange von Wind und Wellen
entzog. Dies ward auch der Hauptdepotplatz für die Kanal- und Mittelmcer-
slotten, und von hier segelten die Geschwader aus, welche einst die spanische
Armada, später die Holländer und dann die vereinigten Spanier und Fran¬
zosen schlugen. Die Engländer waren mit diesen Festungen so vollständig
Herren des Kanals, daß die Franzosen es in den letzten Kriegen kaum mehr
wagten, ihre befestigten Hasen zu verlassen. Da drohte 1808 Napoleon mit


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[0022] den Angriffen von Flotten mit Erfolg widerstehen könnten, und daß diese, um es zu tonnen, auf das solideste erbaut sein müßten. Von dieser Idee aus¬ gehend, befestigte England seine -Seehäfen am mittelländischen Meer auf das stärkste, hielt aber keine Seefestung, welche andern Nationen angehörte, für fähig, sich auf die Dauer gegen die Angriffe seiner Flotte zu halten — eine einseitige Ansicht und Überschätzung der eignen Kräfte, welche ihm im orientalischen Kriege vor Sweaborg, Kronstäbe und Sebastopol bittre Früchte trug. Nun kam man auf eine andere Idee. Mit tiefgehenden großen Schiffen ließen sich gut befestigte Häfen, wegen der Schwierigkeit das Fahrwasser zu finden, wegen der Leichtigkeit, mit der es unfahrbar gemacht werden konnte, nicht forciren, erbaute man daher eine ganze Flotille von eisernen Kanonen¬ böten, die, mit wenigen schweren Geschützen bewaffnet, nur geringen Tiefgang hatten und mit Dampfmaschinen versehen wurden. Von diesen erwartete man bedeutende Erfolge, als unerwartet, und bevor man noch Gelegenheit gehabt hatte, sie in Masse vor den Feind zu bringen, und so deren praktischen Nutzen zu erproben, der Friede kam. Nur auf Offensivunternehmcn richteten die Engländer der Hauptsache nach ihre Aufmerksamkeit und auf den Schutz der isolirten Seefesten des Mutterlandes, für die Befestigung der eignen Lan- dcsgrenzcn geschah unendlich wenig, man verließ sich in dieser Beziehung wie früher auf die Unüberwindlichkeit seiner schwimmenden Festungen. Die ge¬ fährdeten Grenzen Englands sind die< welche dem Festlande am nächsten liegen, und am leichtesten von diesem aus erreicht werden können, mithin die am Kanal. Bisher waren die vorherrschenden Winde und Strömungen ein ganz besonderer Schutz derselben, der durch Anwendung der Dampfkraft bei Schiffen nur zu viel von seinem Werthe verloren hat. Beide gehen vorherrschend von Osten nach Westen, folglich mußte England daran denken, im Osten einen großen Kriegshafen zu haben, um mit Benutzung jener Naturkräfte Meister des Kanals zu bleiben. Hierzu eignete sich die Mündung der Themse am besten, und Sheerneß ward zum Depotpiatz erhoben, der vollständig günstig gelegen war, um den oben angedeuteten Zweck zu erfüllen; nur das Vorland brauchte umschifft zu werden, um durch die Straße von Calais in den Kanal selbst zu gelangen. — Der Central- und Haupthafen durfte aber kein andrer als Portsmouth werden, dessen geschützte Lage hinter der Insel Wight es den An¬ griffen feindlicher Flotten sowol, als dem Andrange von Wind und Wellen entzog. Dies ward auch der Hauptdepotplatz für die Kanal- und Mittelmcer- slotten, und von hier segelten die Geschwader aus, welche einst die spanische Armada, später die Holländer und dann die vereinigten Spanier und Fran¬ zosen schlugen. Die Engländer waren mit diesen Festungen so vollständig Herren des Kanals, daß die Franzosen es in den letzten Kriegen kaum mehr wagten, ihre befestigten Hasen zu verlassen. Da drohte 1808 Napoleon mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/22>, abgerufen am 30.06.2024.