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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Glaspalastes bot. Heute waren es Schüler, denen das Comite großmüthig
den Besuch der Ausstellung gönnte, morgen kamen mit klingendem Spiel und
wehenden Fahnen die Fabrikarbeiter eines Jndustriebezirkes, von ihren Brod¬
herrn zu ihrer Belehrung hierher gesendet, ein anderes Mal wimmelte es
wieder von Uniformen. Ein kunstsinniger Oberst hatte seinem ganzen Regi¬
ment das Eintrittsgeld bezahlt. Zu viel des Guten, mußte man oft rufen,
wenn man sah, daß vor lauter Anregungen der ruhige Genuß nicht erlangt
werden konnte und über dem Streben, den Besuchern jeden nur erdenklichen
Comfort zu verschaffen, diesen es unmöglich gemacht war, bequem und un¬
gestört zu schauen und zu studiren. Aehnliche Störungen sind in München
nicht zu befürchten. Vielleicht wäre es hier nützlich gewesen, nicht die Tu¬
gend der Bescheidenheit bis zum Uebermaß zu üben und ohne grade den Weg
der Reclame zu betreten, doch die Aufmerksamkeit des Publicums in nach¬
haltiger Weise auf die "nationale" Ausstellung zu richten. Außerhalb Mün¬
chens erführe man, da die. Zeitungen schweigen, über das Unternehmen, seine
Bedeutung und Erfolge blutwenig, aber auch in München selbst erscheint alles
festliche Gepränge, alles, was das Interesse auch in den nichttünstlerischen
Kreisen anregen, die Wichtigkeit des Unternehmens auch dem Laien zu Ge¬
müthe führen könnte, sorgfältig vermieden. Nicht einmal eine Fahne oder
Flagge weht aus dem Glaspalaste, doch freilich, mit welchen Farben hätte
man dieselbe schmücken sollen? Auch in der Erwartung, jetzt, wo so viele Kunst¬
freunde nach München strömen, würden die übrigen Kunstanstalten und Samm¬
lungen zugänglicher gemacht werden, findet man sich getäuscht. Nach wie vor
bleiben die Tage und Stunden des öffentlichen Zutrittes eng beschränkt, und
nach wie vor geht an diesen Tagen zur Eröffnungsstunde die Uhr der Auf¬
seher eine halbe Stunde zu spät und wenn die Schlußzeit naht, merkwürdiger¬
weise ebenso viel zu früh. Man muß den Werth der in der Ausstellung vor¬
handenen Schätze sehr hoch und die Kunstliebe des deutschen Publicums sehr
eifrig und warm voraussetzen, um trotz dieses Mangels an jeglichem Fest¬
apparate, an Winken und deutlichen Fingerzeigen den Erfolg der Ausstellung
gesichert zu halten. Zu beiden Voraussetzungen hat man' auch ein gewisses
Recht. Was insbesondere den innern Werth der Ausstellung anbelangt, so "
kann'man nicht leugnen, daß sie eine große Zahl anziehender und bedeuten¬
der Kunstwerke in sich birgt. Aber diesem Zugeständniß folgt der hinkende
Bote unmittelbar nach. Wir müssen ein Auge gar fest zudrücken, um den
Titel: Allgemeine und historische Ausstellung gerechtfertigt zu finden. Wir dür¬
fen von derselben nicht die Enthüllung eines vollständigen Bildes der deut¬
schen Kunstentwicklung in den letzten sechzig Jahren erwarten, sondern müssen
uns damit begnügen, Beiträge zu dieser Erkenntniß hier zu sammeln. Fünfzehn
Architekten haben >blos zur Münchner Ausstellung beigesteuert, vierunofunszig


Glaspalastes bot. Heute waren es Schüler, denen das Comite großmüthig
den Besuch der Ausstellung gönnte, morgen kamen mit klingendem Spiel und
wehenden Fahnen die Fabrikarbeiter eines Jndustriebezirkes, von ihren Brod¬
herrn zu ihrer Belehrung hierher gesendet, ein anderes Mal wimmelte es
wieder von Uniformen. Ein kunstsinniger Oberst hatte seinem ganzen Regi¬
ment das Eintrittsgeld bezahlt. Zu viel des Guten, mußte man oft rufen,
wenn man sah, daß vor lauter Anregungen der ruhige Genuß nicht erlangt
werden konnte und über dem Streben, den Besuchern jeden nur erdenklichen
Comfort zu verschaffen, diesen es unmöglich gemacht war, bequem und un¬
gestört zu schauen und zu studiren. Aehnliche Störungen sind in München
nicht zu befürchten. Vielleicht wäre es hier nützlich gewesen, nicht die Tu¬
gend der Bescheidenheit bis zum Uebermaß zu üben und ohne grade den Weg
der Reclame zu betreten, doch die Aufmerksamkeit des Publicums in nach¬
haltiger Weise auf die „nationale" Ausstellung zu richten. Außerhalb Mün¬
chens erführe man, da die. Zeitungen schweigen, über das Unternehmen, seine
Bedeutung und Erfolge blutwenig, aber auch in München selbst erscheint alles
festliche Gepränge, alles, was das Interesse auch in den nichttünstlerischen
Kreisen anregen, die Wichtigkeit des Unternehmens auch dem Laien zu Ge¬
müthe führen könnte, sorgfältig vermieden. Nicht einmal eine Fahne oder
Flagge weht aus dem Glaspalaste, doch freilich, mit welchen Farben hätte
man dieselbe schmücken sollen? Auch in der Erwartung, jetzt, wo so viele Kunst¬
freunde nach München strömen, würden die übrigen Kunstanstalten und Samm¬
lungen zugänglicher gemacht werden, findet man sich getäuscht. Nach wie vor
bleiben die Tage und Stunden des öffentlichen Zutrittes eng beschränkt, und
nach wie vor geht an diesen Tagen zur Eröffnungsstunde die Uhr der Auf¬
seher eine halbe Stunde zu spät und wenn die Schlußzeit naht, merkwürdiger¬
weise ebenso viel zu früh. Man muß den Werth der in der Ausstellung vor¬
handenen Schätze sehr hoch und die Kunstliebe des deutschen Publicums sehr
eifrig und warm voraussetzen, um trotz dieses Mangels an jeglichem Fest¬
apparate, an Winken und deutlichen Fingerzeigen den Erfolg der Ausstellung
gesichert zu halten. Zu beiden Voraussetzungen hat man' auch ein gewisses
Recht. Was insbesondere den innern Werth der Ausstellung anbelangt, so „
kann'man nicht leugnen, daß sie eine große Zahl anziehender und bedeuten¬
der Kunstwerke in sich birgt. Aber diesem Zugeständniß folgt der hinkende
Bote unmittelbar nach. Wir müssen ein Auge gar fest zudrücken, um den
Titel: Allgemeine und historische Ausstellung gerechtfertigt zu finden. Wir dür¬
fen von derselben nicht die Enthüllung eines vollständigen Bildes der deut¬
schen Kunstentwicklung in den letzten sechzig Jahren erwarten, sondern müssen
uns damit begnügen, Beiträge zu dieser Erkenntniß hier zu sammeln. Fünfzehn
Architekten haben >blos zur Münchner Ausstellung beigesteuert, vierunofunszig


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/10>, abgerufen am 26.06.2024.