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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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selten ungeduldig. Die erste Pflicht des historischen Romanschreibers ist frei¬
lich, sich so in die Quellen zu vertiefen, daß er ganz darin zu Hause ist, aber
die zweite, unter dem. was er weis,, eine Auswahl zu treffen, ist für das Kunst¬
werk ebenso wichtig.

Noch erwähnen wir zwei sehr lesbar geschriebene Volksbücher von Hein¬
rich Schwerdt. (Leipzig, Schlicke): Daheim ist doch Daheim; Nord-
amerikanische Bilder aus dem Leben deutscher Auswanderer und: Aus alter
Zeit; zwei Wartburggcschichten sdie heilige Elisabeth und Martin Luther.)

Hier möge noch die Erwähnung eines ansprechenden und gemüthlichen
Büchleins Pial) finden: Deutsche Hie b e. Oestreichische und preußische Soi-
datengeschichten von Julius Gäntling. 2 Bd. Leipzig. Costenoble.




Deutschland im achtzehnten Jahrhundert.
2.

Wir haben im vorigen Heft die allgemeinen Züge zu geben gesucht, welche
die politische Gestaltung Deutschlands im 18. Jahrhundert bezeichneten, sehen
wir jetzt noch etwas näher nach dem Inhalte dieses Rahmens, wie sich näm¬
lich die Volkskraft im Dienste der herrschenden Kreise gestellt. Es ist wesent¬
lich die Stellung der Masse des Volkes, welche den Culturzustand bezeichnet,
und grade dadurch steht unsere Zeit ans einer so viel höhern Stufe, daß
die Gesammtheit der Staatsbürger weit mehr in Betracht kommt und ein¬
wirkt. Das achtzehnte Jahrhundert ist vielleicht reicher an einzelnen hervor¬
ragenden Männern, aber sie erschienen doch zum guten Theil deshalb groß,
weil das allgemeine Niveau der Bildung so tief lag. Die herrschenden Kreise
waren damals alles und hatten jene Ausschließlichkeit und Vornehmheit an¬
genommen, welche die natürliche Folge der Nbsperruug von dem allgemeinen
Leben der Nation ist, von Adel oder nicht, das war die große Frage und je
nach der Entscheidung gehörte mau zu den Jemanden oder Niemanden; die
Loslösung dieses Geourtsstandcs von allem politischen Berufe und das Stre¬
ben nach Vorrechten und Befreiungen von gemeinen Lasten nahm ihm alles
Aristokratische und konnte ihn nur verhaßt machen. Die erleuchtetsten Regen¬
ten der Jahrhunderte theilten meist diese Ansichten und behielten dem Adel
alle bedeutenden Stellen im Heer und Staatsdienst gesetzlich vor; wenn Fried-
nch der Große selbst meinte, dem Adel bliebe keine andere Zuflucht, als sich


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selten ungeduldig. Die erste Pflicht des historischen Romanschreibers ist frei¬
lich, sich so in die Quellen zu vertiefen, daß er ganz darin zu Hause ist, aber
die zweite, unter dem. was er weis,, eine Auswahl zu treffen, ist für das Kunst¬
werk ebenso wichtig.

Noch erwähnen wir zwei sehr lesbar geschriebene Volksbücher von Hein¬
rich Schwerdt. (Leipzig, Schlicke): Daheim ist doch Daheim; Nord-
amerikanische Bilder aus dem Leben deutscher Auswanderer und: Aus alter
Zeit; zwei Wartburggcschichten sdie heilige Elisabeth und Martin Luther.)

Hier möge noch die Erwähnung eines ansprechenden und gemüthlichen
Büchleins Pial) finden: Deutsche Hie b e. Oestreichische und preußische Soi-
datengeschichten von Julius Gäntling. 2 Bd. Leipzig. Costenoble.




Deutschland im achtzehnten Jahrhundert.
2.

Wir haben im vorigen Heft die allgemeinen Züge zu geben gesucht, welche
die politische Gestaltung Deutschlands im 18. Jahrhundert bezeichneten, sehen
wir jetzt noch etwas näher nach dem Inhalte dieses Rahmens, wie sich näm¬
lich die Volkskraft im Dienste der herrschenden Kreise gestellt. Es ist wesent¬
lich die Stellung der Masse des Volkes, welche den Culturzustand bezeichnet,
und grade dadurch steht unsere Zeit ans einer so viel höhern Stufe, daß
die Gesammtheit der Staatsbürger weit mehr in Betracht kommt und ein¬
wirkt. Das achtzehnte Jahrhundert ist vielleicht reicher an einzelnen hervor¬
ragenden Männern, aber sie erschienen doch zum guten Theil deshalb groß,
weil das allgemeine Niveau der Bildung so tief lag. Die herrschenden Kreise
waren damals alles und hatten jene Ausschließlichkeit und Vornehmheit an¬
genommen, welche die natürliche Folge der Nbsperruug von dem allgemeinen
Leben der Nation ist, von Adel oder nicht, das war die große Frage und je
nach der Entscheidung gehörte mau zu den Jemanden oder Niemanden; die
Loslösung dieses Geourtsstandcs von allem politischen Berufe und das Stre¬
ben nach Vorrechten und Befreiungen von gemeinen Lasten nahm ihm alles
Aristokratische und konnte ihn nur verhaßt machen. Die erleuchtetsten Regen¬
ten der Jahrhunderte theilten meist diese Ansichten und behielten dem Adel
alle bedeutenden Stellen im Heer und Staatsdienst gesetzlich vor; wenn Fried-
nch der Große selbst meinte, dem Adel bliebe keine andere Zuflucht, als sich


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[0499] selten ungeduldig. Die erste Pflicht des historischen Romanschreibers ist frei¬ lich, sich so in die Quellen zu vertiefen, daß er ganz darin zu Hause ist, aber die zweite, unter dem. was er weis,, eine Auswahl zu treffen, ist für das Kunst¬ werk ebenso wichtig. Noch erwähnen wir zwei sehr lesbar geschriebene Volksbücher von Hein¬ rich Schwerdt. (Leipzig, Schlicke): Daheim ist doch Daheim; Nord- amerikanische Bilder aus dem Leben deutscher Auswanderer und: Aus alter Zeit; zwei Wartburggcschichten sdie heilige Elisabeth und Martin Luther.) Hier möge noch die Erwähnung eines ansprechenden und gemüthlichen Büchleins Pial) finden: Deutsche Hie b e. Oestreichische und preußische Soi- datengeschichten von Julius Gäntling. 2 Bd. Leipzig. Costenoble. Deutschland im achtzehnten Jahrhundert. 2. Wir haben im vorigen Heft die allgemeinen Züge zu geben gesucht, welche die politische Gestaltung Deutschlands im 18. Jahrhundert bezeichneten, sehen wir jetzt noch etwas näher nach dem Inhalte dieses Rahmens, wie sich näm¬ lich die Volkskraft im Dienste der herrschenden Kreise gestellt. Es ist wesent¬ lich die Stellung der Masse des Volkes, welche den Culturzustand bezeichnet, und grade dadurch steht unsere Zeit ans einer so viel höhern Stufe, daß die Gesammtheit der Staatsbürger weit mehr in Betracht kommt und ein¬ wirkt. Das achtzehnte Jahrhundert ist vielleicht reicher an einzelnen hervor¬ ragenden Männern, aber sie erschienen doch zum guten Theil deshalb groß, weil das allgemeine Niveau der Bildung so tief lag. Die herrschenden Kreise waren damals alles und hatten jene Ausschließlichkeit und Vornehmheit an¬ genommen, welche die natürliche Folge der Nbsperruug von dem allgemeinen Leben der Nation ist, von Adel oder nicht, das war die große Frage und je nach der Entscheidung gehörte mau zu den Jemanden oder Niemanden; die Loslösung dieses Geourtsstandcs von allem politischen Berufe und das Stre¬ ben nach Vorrechten und Befreiungen von gemeinen Lasten nahm ihm alles Aristokratische und konnte ihn nur verhaßt machen. Die erleuchtetsten Regen¬ ten der Jahrhunderte theilten meist diese Ansichten und behielten dem Adel alle bedeutenden Stellen im Heer und Staatsdienst gesetzlich vor; wenn Fried- nch der Große selbst meinte, dem Adel bliebe keine andere Zuflucht, als sich K2*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/499>, abgerufen am 22.12.2024.