Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.Hostiwin zeigt die Thatsache bei den Gerichten an, diese untersuchen die Lo- Auch dieser, gelinde gesagt, sehr unschöne Schluß zeigt doch wieder, daß Wir haben zu sehr das Vorbild der Franzosen im Auge, die ohne Inter¬ Die falsche Tendenz des Romans mußte scharf hervorgehoben werden, Mmzbotm II. IWL.
Hostiwin zeigt die Thatsache bei den Gerichten an, diese untersuchen die Lo- Auch dieser, gelinde gesagt, sehr unschöne Schluß zeigt doch wieder, daß Wir haben zu sehr das Vorbild der Franzosen im Auge, die ohne Inter¬ Die falsche Tendenz des Romans mußte scharf hervorgehoben werden, Mmzbotm II. IWL.
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Hostiwin zeigt die Thatsache bei den Gerichten an, diese untersuchen die Lo-
calität und finden, daß der Mann, wenn auch sehr zerschlagen, noch lebt.
So findet Hostiwin Gelegenheit, ihn im Lazareth zu Pflegen, und sich bei den
Behörden dafür zu verwenden, daß er für seinen Mordversuch einige Jahre
Zuchthaus weniger erhält. Der unglückliche Rächer seiner Schwester ist auch
ganz gerührt, und vergibt dem Verführer im Namen derselben. Um nun mit
vollkommner Befriedigung abzuschließen, besinnt sich auch jene Dame, daß sie
doch noch ein Herz habe, die Beiden heirathen sich und leben glücklich.
Auch dieser, gelinde gesagt, sehr unschöne Schluß zeigt doch wieder, daß
das natürliche Gefühl des Dichters besser ist als seine Doctrin. Wo bleibt
denn nun seine Theorie von der Liebe, die immer einen neuen Gegenstand
sucht und gesättigt ist, sobald sie ihn findet-? Hostiwin tritt ja in die Reihe der
Philister ein, und die Moral, die man allenfalls aus der Geschichte ziehn kann,
daß es sür die Solidität eines Ehemannes gut ist. wenn er sich vorher tüchtig
ausgetobt hat, ist jedenfalls eine spießbürgerliche Moral.
Wir haben zu sehr das Vorbild der Franzosen im Auge, die ohne Inter¬
esse für die Arbeit und den Ernst des Lebens nur die rein genießende Aristo¬
kratie zeigen. Diese Aristokratie, wie sie Alfred Meißner schildert, ist eine recht
unsaubere Welt, nicht viel besser als die <lemi avait und eigentlich nur durch
soliden Grundbesitz von ehr unterschieden. Wir sollten, wenn nicht aus der
Anschauung des Lebens, doch wenigstens aus dem Studium des englischen
Romans lernen, daß es noch andere Schichten der Gesellschaft gibt, in denen
jene Genze der Begierde, die Meißner so sehr verachtet, durch die Natur vor¬
gezeichnet ist. in der die Sittlichkeit mit der Sitte zusammenfällt, und in wel¬
cher der Inhalt des Lebens noch andere Dinge umfaßt, als Jagd. Clavier-
spiel und Galanterie. Diese Gesellschaft ist freilich wenig romantisch und für
den Roman nur ausnahmsweise geeignet, aber sie ist der feste sittliche Boden,
aus dem die Romantik aufblühn muß, wenn sie nicht eine schwindsüchtige
Treibhauspflanze sein soll.
Die falsche Tendenz des Romans mußte scharf hervorgehoben werden,
weil sie mit ihren Fasern tief in den Zusammenhang des Ganzen verflochten
ist. Der Roman hat aber noch eine andere erfreuliche Seite. Alfred Meißner
hat darin die Vielseitigkeit seines Talents nach einer neuen Richtung hin ent¬
faltet. Er hatte zuerst mit seineu lyrischen Gedichten Beifall gewonnen, seine
Dramen, obgleich ihre Wirkung durch eine falsche und schädliche Tendenz ver¬
kümmert war. verriethen einen ungewöhnlichen theatralischen Verstand und die
Fähigkeit natürlich zu sprechen, die bei einem Lyriker unsrer Tage selten genug
ist. Der Roman ist von Süden des dabei aufgewandten Talents betrachtet,
ein sehr bedeutender Fortschritt. Daß die Composition nicht ganz befriedigt,
liegt zum Theil schon am Stoff, dem die Einheit fehlt. Dagegen ist die
Mmzbotm II. IWL.
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