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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Die Thiere aller Art, Wachs und Hanf. Brot und Käse, die unzählbar ge¬
reicht werden, finden keine Beachtung, kaum ist es möglich, die Summe der
kostbaren Geschenke zu übersehen. --

Mit leichter Mühe konnten wir solche Bilder des mittelalterlichen Lebens,
in welchen uns die Wurzeln der künstlerischen Begeisterung entgegentreten,
vervielfachen. Doch wozu. Ist es ja doch bekannt, daß grade jene Künstler,
welche der Wiederbelebung mittelalterlicher Kunstformen um eifrigsten das
Wort reden, die seichteste Kenntniß vom Inhalte des Mittelalters besitzen uni>
mit banalen Kunstphrasen und schlechter Zeichnung ihren Enthusiasmus aus¬
zahlen.

Noch ein anderer Weg stand offen. Wie überall, so hat auch in Köln
die Kunst einen unmittelbaren und nothwendigen Zusammenhang mit dem
gesellschaftlichen und politischen Leben. Für den Aufschwung der Kunst in
einem bestimmten Zeitalter, für ihren Niedergang, für die besondere Richtung,
die sie einschlägt, ihre heiteren oder glänzenderen Formen finden wir stets den
ausreichenden Grund in den gleichzeitigen oder kurz vorangehenden allgemeinen
Zuständen. Dein Künstler, der diesen Wink benutzte, bot sich insbesondere
in Köln eine Fülle malerischer Bilder. Und diese fielen nicht etwa aus dem
Rahmen, der seine Thätigkeit umspannte, heraus, sie waren fruchtbar an un¬
mittelbaren kunstgeschichtlichen Beziehungen. Welches Leben hätte z. B. die
Schilderung des Einzuges der hh. drei Könige in Köln entfaltet, an welchen
schon alte Berichte den Beginn des Dombaues anknüpfen; an die Bauthätig¬
keit in Köln im elften Jahrhundert erinnert der kölnische Aufstand zu Ostern
1074, der ja seine Veranlassung darin gefunden haben soll, daß die Bürger¬
schaft dem heiligen Anno den Thurmbau bei Se. Georg, ein gefürchtetes
Zwingnri, wehren wollte. Die nüchterne Kunstkritik unserer Tage hat freilich
diesen Zusammenhang zerstört und den späteren Beginn des Thurmbaues
nachgewiesen. Die Thatsache ist aber mindestens ebenso wahr als die Geburt
Rubens' in Köln, der trotz der erwiesenen Thatsache, daß Rubens zu Siegen
geboren wurde, dennoch in Steinles Bildern eine Stelle fand.

Wir halten uns nicht länger bei diesen Vorschlägen auf. Genug das,
wir zeigten, wie sich selbst dem undankbaren Stoff eine bildliche Schilderung,
der kölnischen Kunstgeschichte malerische Seiten abgewinnen ließen. Wie hat
secirte seine Aufgabe gelöst?

Für den Grundton, der in Steinles Schilderung angeschlagen wird, haben
wir keinen Namen. Wir denken vom Idealismus viel zu hoch, um ihm ein
Werk, an dessen Schöpfung die künstlerische Phantasie nicht den geringsten
Antheil hat, anrechnen zu wollen; wir finden auch nichts von der eingehenden
Liebe zur Wirklichkeit, "indes von der naiven, frischen Lebensfülle, die an und
für sich poetisch wirkt und vollends eine große Anziehungskraft bewährt, wenn


Die Thiere aller Art, Wachs und Hanf. Brot und Käse, die unzählbar ge¬
reicht werden, finden keine Beachtung, kaum ist es möglich, die Summe der
kostbaren Geschenke zu übersehen. —

Mit leichter Mühe konnten wir solche Bilder des mittelalterlichen Lebens,
in welchen uns die Wurzeln der künstlerischen Begeisterung entgegentreten,
vervielfachen. Doch wozu. Ist es ja doch bekannt, daß grade jene Künstler,
welche der Wiederbelebung mittelalterlicher Kunstformen um eifrigsten das
Wort reden, die seichteste Kenntniß vom Inhalte des Mittelalters besitzen uni>
mit banalen Kunstphrasen und schlechter Zeichnung ihren Enthusiasmus aus¬
zahlen.

Noch ein anderer Weg stand offen. Wie überall, so hat auch in Köln
die Kunst einen unmittelbaren und nothwendigen Zusammenhang mit dem
gesellschaftlichen und politischen Leben. Für den Aufschwung der Kunst in
einem bestimmten Zeitalter, für ihren Niedergang, für die besondere Richtung,
die sie einschlägt, ihre heiteren oder glänzenderen Formen finden wir stets den
ausreichenden Grund in den gleichzeitigen oder kurz vorangehenden allgemeinen
Zuständen. Dein Künstler, der diesen Wink benutzte, bot sich insbesondere
in Köln eine Fülle malerischer Bilder. Und diese fielen nicht etwa aus dem
Rahmen, der seine Thätigkeit umspannte, heraus, sie waren fruchtbar an un¬
mittelbaren kunstgeschichtlichen Beziehungen. Welches Leben hätte z. B. die
Schilderung des Einzuges der hh. drei Könige in Köln entfaltet, an welchen
schon alte Berichte den Beginn des Dombaues anknüpfen; an die Bauthätig¬
keit in Köln im elften Jahrhundert erinnert der kölnische Aufstand zu Ostern
1074, der ja seine Veranlassung darin gefunden haben soll, daß die Bürger¬
schaft dem heiligen Anno den Thurmbau bei Se. Georg, ein gefürchtetes
Zwingnri, wehren wollte. Die nüchterne Kunstkritik unserer Tage hat freilich
diesen Zusammenhang zerstört und den späteren Beginn des Thurmbaues
nachgewiesen. Die Thatsache ist aber mindestens ebenso wahr als die Geburt
Rubens' in Köln, der trotz der erwiesenen Thatsache, daß Rubens zu Siegen
geboren wurde, dennoch in Steinles Bildern eine Stelle fand.

Wir halten uns nicht länger bei diesen Vorschlägen auf. Genug das,
wir zeigten, wie sich selbst dem undankbaren Stoff eine bildliche Schilderung,
der kölnischen Kunstgeschichte malerische Seiten abgewinnen ließen. Wie hat
secirte seine Aufgabe gelöst?

Für den Grundton, der in Steinles Schilderung angeschlagen wird, haben
wir keinen Namen. Wir denken vom Idealismus viel zu hoch, um ihm ein
Werk, an dessen Schöpfung die künstlerische Phantasie nicht den geringsten
Antheil hat, anrechnen zu wollen; wir finden auch nichts von der eingehenden
Liebe zur Wirklichkeit, «indes von der naiven, frischen Lebensfülle, die an und
für sich poetisch wirkt und vollends eine große Anziehungskraft bewährt, wenn


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[0454] Die Thiere aller Art, Wachs und Hanf. Brot und Käse, die unzählbar ge¬ reicht werden, finden keine Beachtung, kaum ist es möglich, die Summe der kostbaren Geschenke zu übersehen. — Mit leichter Mühe konnten wir solche Bilder des mittelalterlichen Lebens, in welchen uns die Wurzeln der künstlerischen Begeisterung entgegentreten, vervielfachen. Doch wozu. Ist es ja doch bekannt, daß grade jene Künstler, welche der Wiederbelebung mittelalterlicher Kunstformen um eifrigsten das Wort reden, die seichteste Kenntniß vom Inhalte des Mittelalters besitzen uni> mit banalen Kunstphrasen und schlechter Zeichnung ihren Enthusiasmus aus¬ zahlen. Noch ein anderer Weg stand offen. Wie überall, so hat auch in Köln die Kunst einen unmittelbaren und nothwendigen Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen und politischen Leben. Für den Aufschwung der Kunst in einem bestimmten Zeitalter, für ihren Niedergang, für die besondere Richtung, die sie einschlägt, ihre heiteren oder glänzenderen Formen finden wir stets den ausreichenden Grund in den gleichzeitigen oder kurz vorangehenden allgemeinen Zuständen. Dein Künstler, der diesen Wink benutzte, bot sich insbesondere in Köln eine Fülle malerischer Bilder. Und diese fielen nicht etwa aus dem Rahmen, der seine Thätigkeit umspannte, heraus, sie waren fruchtbar an un¬ mittelbaren kunstgeschichtlichen Beziehungen. Welches Leben hätte z. B. die Schilderung des Einzuges der hh. drei Könige in Köln entfaltet, an welchen schon alte Berichte den Beginn des Dombaues anknüpfen; an die Bauthätig¬ keit in Köln im elften Jahrhundert erinnert der kölnische Aufstand zu Ostern 1074, der ja seine Veranlassung darin gefunden haben soll, daß die Bürger¬ schaft dem heiligen Anno den Thurmbau bei Se. Georg, ein gefürchtetes Zwingnri, wehren wollte. Die nüchterne Kunstkritik unserer Tage hat freilich diesen Zusammenhang zerstört und den späteren Beginn des Thurmbaues nachgewiesen. Die Thatsache ist aber mindestens ebenso wahr als die Geburt Rubens' in Köln, der trotz der erwiesenen Thatsache, daß Rubens zu Siegen geboren wurde, dennoch in Steinles Bildern eine Stelle fand. Wir halten uns nicht länger bei diesen Vorschlägen auf. Genug das, wir zeigten, wie sich selbst dem undankbaren Stoff eine bildliche Schilderung, der kölnischen Kunstgeschichte malerische Seiten abgewinnen ließen. Wie hat secirte seine Aufgabe gelöst? Für den Grundton, der in Steinles Schilderung angeschlagen wird, haben wir keinen Namen. Wir denken vom Idealismus viel zu hoch, um ihm ein Werk, an dessen Schöpfung die künstlerische Phantasie nicht den geringsten Antheil hat, anrechnen zu wollen; wir finden auch nichts von der eingehenden Liebe zur Wirklichkeit, «indes von der naiven, frischen Lebensfülle, die an und für sich poetisch wirkt und vollends eine große Anziehungskraft bewährt, wenn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/454>, abgerufen am 22.12.2024.