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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Bandmännern und ihrer irischen Vendetta ist unter den gemeinen Leuten als¬
dann so groß, daß sie den'Mörder nicht angeben, und wenn sie ihn aus drei
Schritte gesehen und erkannt haben. Vom Richter verhört, betheuern sie eid¬
lich, nichts gesehen zu haben. In Betreff der Organisation der jüngsten
Mordverschwörung wird versichert: das dem Mörder bezahlte Blutgeld bestehe
in Deckung seiner Auswanderungskosten nach Amerika, wozu die Pächter in
ganz geschäftlicher Weise tVs Penny wöchentlich für den Acker (Morgen) be¬
zahlen. Grade so compulsatorisch und geschäftsmäßig ist auch ihr Schnldig-
bleiben der Pacht organisirt. Abmachen können sie, welcher Pachtsatz es auch
sei. aber wirtlich bezahlen dürfen sie nur 0 Sh. 8 D. für den Acker; den
Rest müssen sie hartnäckig schuldig bleiben. Verfügt der Besitzer oder Agent
deswegen Execution gegen sie, so ist er von dem Augenblick an eines der
auserkorenen Opfer der Blutvehme. Einer der großen Landlords hat von
3000 Pächtern, deren jeder fünf Acker gepachtet hat, seit Jahren nicht einen
Dreier bekommen. Der durch seine Sonderbarkeiten berüchtigte Marquis von
Londonderry bewilligte unlängst allen seinen Farmern, die ihre Rente nach¬
zählen würden, einen weit niedrigeren Pachtzins.

Die Jrländer freilich schleudern den Engländern die Mooresche Strophe
ins Gesicht:


0n our siäs is virwo -mal Li'in,
On thon's is tho 8g.xon an<Z xuilt.

Es gab eine Zeit, wo kein Katholik in Irland, und mochte er vom äl¬
testen und edelsten Blut des Landes sein, ein Pferd haben durste über fünf
Pfund Werth. Wenn ihm ein Protestant diesen Preis bot, so mußte er es
ihm überlassen. Die Engländer sagen freilich zu ihrer Entschuldigung: als
Jakob II. den wüthenden Tyrconnel zum Vicekönig von Irland machte, sei
es auf eine Ausrottung der englischen Colonisten daselbst abgesehen gewesen,
und Macaulay fügt noch überdies hinzu, die Iren seien hinter den englischen
Colonisten so weit zurückgestanden, als die Indianer Mexicos hinter den Ge¬
nossen des Cortes. Wie hätte dies aber auch anders sein können, nachdem
Eromwell ernstlich damit umgegangen war, Irland für eine Jahresrente von
2Mill. Pfd. Se. an die Juden zu verkaufen! Nichtsdestoweniger war es ein
noch jämmerlicherer Einfall, daß Jakob nicht blos das seit Eromwell den Jr-
ländern durch Raub und Confiscation entzogene Land wieder zurückzugeben,
sondern zugleich mit Hilfe irischer Bataillone den Protestantismus und die
bürgerliche Freiheit in England zu unterjochen beabsichtigte. Der Schwächere
mußte nach kurzer und blutiger Entscheidung unterliegen: der Ire ward der
Holzhacker und Wasserträger des Engländers, den er hatte knechten wollen.
Die frühern Besitzer, indem sie wieder erlangen wollten, was sie verloren
matten, verloren überdies größtentheils. was sie ehedem noch behalten hatten.


Bandmännern und ihrer irischen Vendetta ist unter den gemeinen Leuten als¬
dann so groß, daß sie den'Mörder nicht angeben, und wenn sie ihn aus drei
Schritte gesehen und erkannt haben. Vom Richter verhört, betheuern sie eid¬
lich, nichts gesehen zu haben. In Betreff der Organisation der jüngsten
Mordverschwörung wird versichert: das dem Mörder bezahlte Blutgeld bestehe
in Deckung seiner Auswanderungskosten nach Amerika, wozu die Pächter in
ganz geschäftlicher Weise tVs Penny wöchentlich für den Acker (Morgen) be¬
zahlen. Grade so compulsatorisch und geschäftsmäßig ist auch ihr Schnldig-
bleiben der Pacht organisirt. Abmachen können sie, welcher Pachtsatz es auch
sei. aber wirtlich bezahlen dürfen sie nur 0 Sh. 8 D. für den Acker; den
Rest müssen sie hartnäckig schuldig bleiben. Verfügt der Besitzer oder Agent
deswegen Execution gegen sie, so ist er von dem Augenblick an eines der
auserkorenen Opfer der Blutvehme. Einer der großen Landlords hat von
3000 Pächtern, deren jeder fünf Acker gepachtet hat, seit Jahren nicht einen
Dreier bekommen. Der durch seine Sonderbarkeiten berüchtigte Marquis von
Londonderry bewilligte unlängst allen seinen Farmern, die ihre Rente nach¬
zählen würden, einen weit niedrigeren Pachtzins.

Die Jrländer freilich schleudern den Engländern die Mooresche Strophe
ins Gesicht:


0n our siäs is virwo -mal Li'in,
On thon's is tho 8g.xon an<Z xuilt.

Es gab eine Zeit, wo kein Katholik in Irland, und mochte er vom äl¬
testen und edelsten Blut des Landes sein, ein Pferd haben durste über fünf
Pfund Werth. Wenn ihm ein Protestant diesen Preis bot, so mußte er es
ihm überlassen. Die Engländer sagen freilich zu ihrer Entschuldigung: als
Jakob II. den wüthenden Tyrconnel zum Vicekönig von Irland machte, sei
es auf eine Ausrottung der englischen Colonisten daselbst abgesehen gewesen,
und Macaulay fügt noch überdies hinzu, die Iren seien hinter den englischen
Colonisten so weit zurückgestanden, als die Indianer Mexicos hinter den Ge¬
nossen des Cortes. Wie hätte dies aber auch anders sein können, nachdem
Eromwell ernstlich damit umgegangen war, Irland für eine Jahresrente von
2Mill. Pfd. Se. an die Juden zu verkaufen! Nichtsdestoweniger war es ein
noch jämmerlicherer Einfall, daß Jakob nicht blos das seit Eromwell den Jr-
ländern durch Raub und Confiscation entzogene Land wieder zurückzugeben,
sondern zugleich mit Hilfe irischer Bataillone den Protestantismus und die
bürgerliche Freiheit in England zu unterjochen beabsichtigte. Der Schwächere
mußte nach kurzer und blutiger Entscheidung unterliegen: der Ire ward der
Holzhacker und Wasserträger des Engländers, den er hatte knechten wollen.
Die frühern Besitzer, indem sie wieder erlangen wollten, was sie verloren
matten, verloren überdies größtentheils. was sie ehedem noch behalten hatten.


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[0045] Bandmännern und ihrer irischen Vendetta ist unter den gemeinen Leuten als¬ dann so groß, daß sie den'Mörder nicht angeben, und wenn sie ihn aus drei Schritte gesehen und erkannt haben. Vom Richter verhört, betheuern sie eid¬ lich, nichts gesehen zu haben. In Betreff der Organisation der jüngsten Mordverschwörung wird versichert: das dem Mörder bezahlte Blutgeld bestehe in Deckung seiner Auswanderungskosten nach Amerika, wozu die Pächter in ganz geschäftlicher Weise tVs Penny wöchentlich für den Acker (Morgen) be¬ zahlen. Grade so compulsatorisch und geschäftsmäßig ist auch ihr Schnldig- bleiben der Pacht organisirt. Abmachen können sie, welcher Pachtsatz es auch sei. aber wirtlich bezahlen dürfen sie nur 0 Sh. 8 D. für den Acker; den Rest müssen sie hartnäckig schuldig bleiben. Verfügt der Besitzer oder Agent deswegen Execution gegen sie, so ist er von dem Augenblick an eines der auserkorenen Opfer der Blutvehme. Einer der großen Landlords hat von 3000 Pächtern, deren jeder fünf Acker gepachtet hat, seit Jahren nicht einen Dreier bekommen. Der durch seine Sonderbarkeiten berüchtigte Marquis von Londonderry bewilligte unlängst allen seinen Farmern, die ihre Rente nach¬ zählen würden, einen weit niedrigeren Pachtzins. Die Jrländer freilich schleudern den Engländern die Mooresche Strophe ins Gesicht: 0n our siäs is virwo -mal Li'in, On thon's is tho 8g.xon an<Z xuilt. Es gab eine Zeit, wo kein Katholik in Irland, und mochte er vom äl¬ testen und edelsten Blut des Landes sein, ein Pferd haben durste über fünf Pfund Werth. Wenn ihm ein Protestant diesen Preis bot, so mußte er es ihm überlassen. Die Engländer sagen freilich zu ihrer Entschuldigung: als Jakob II. den wüthenden Tyrconnel zum Vicekönig von Irland machte, sei es auf eine Ausrottung der englischen Colonisten daselbst abgesehen gewesen, und Macaulay fügt noch überdies hinzu, die Iren seien hinter den englischen Colonisten so weit zurückgestanden, als die Indianer Mexicos hinter den Ge¬ nossen des Cortes. Wie hätte dies aber auch anders sein können, nachdem Eromwell ernstlich damit umgegangen war, Irland für eine Jahresrente von 2Mill. Pfd. Se. an die Juden zu verkaufen! Nichtsdestoweniger war es ein noch jämmerlicherer Einfall, daß Jakob nicht blos das seit Eromwell den Jr- ländern durch Raub und Confiscation entzogene Land wieder zurückzugeben, sondern zugleich mit Hilfe irischer Bataillone den Protestantismus und die bürgerliche Freiheit in England zu unterjochen beabsichtigte. Der Schwächere mußte nach kurzer und blutiger Entscheidung unterliegen: der Ire ward der Holzhacker und Wasserträger des Engländers, den er hatte knechten wollen. Die frühern Besitzer, indem sie wieder erlangen wollten, was sie verloren matten, verloren überdies größtentheils. was sie ehedem noch behalten hatten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/45>, abgerufen am 21.12.2024.