Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.die große Volksmenge auf denselben sind zwar in der Regel übertrieben; denn als die große Volksmenge auf denselben sind zwar in der Regel übertrieben; denn als <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0445" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186858"/> <p xml:id="ID_1003" prev="#ID_1002" next="#ID_1004"> die große Volksmenge auf denselben sind zwar in der Regel übertrieben; denn als<lb/> die ersten Schiffe der Weißen dort die Küsten entlang fuhren, strömten Scharen von<lb/> Wilden aus dem Innern herbei, und das Land erschien viel bewohnter als es in<lb/> Wirklichkeit war. Gleichwol bleibt es zweifellos, daß überall die Bevölkerung seit<lb/> dem ersten Anlanden der Europäer auf den Südseeinseln sich reißend vermindert hat.<lb/> Nur auf wenigen ließen sich darüber bestimmte Zahlenverhältnisse feststellen; wo dies<lb/> aber möglich war, sind sie erschreckend. Auf Hawaii z. B. sank die Bevölkerung in<lb/> achtzehn Jahren von fünsundachtzigtausend auf fünfundzwanzig Tausend. In<lb/> so kurzer Zeit verminderte sie sich also um das Dreifache, und dies Absterben griff<lb/> um so weiter und rascher um sich, je mehr Civilisirte sich im Lande ansiedelten.<lb/> Merkwürdig genug bemerkt man auch unter den Lappen, deren Nennthicrhcrdcn doch<lb/> unerschöpflich, auf deren hochliegende Forsten und Weideplätze die Enllur noch nicht<lb/> gestiegen ist, — in den letzten fünfzig Jahren el» auffallend starkes und rasches Ab¬<lb/> nehmen der Bevölkerung. Dies traurige Schicksal erklärt sich zunächst aus äußern<lb/> Ursachen. Die wilden Thiere, deren Jagd dem Indianer in Nordamerika den Haupt-<lb/> bestandtheil seiner Nahrung verschaffte, fliehen, sobald ihnen auf hundert Meilen der<lb/> weiße Ansiedler naht, als verkündigte ihnen der Znstinct ihr nahendes Verderben.<lb/> Während der Indianer noch seine alten Jagdgründe durchstreift, sind Büffel, Bären<lb/> und Hirsche längst in weiter Ferne, und die Folge der magern Jagd ist, daß Hun¬<lb/> ger und Elend wochenlang in der Jndiancrhüttc herrschen, deren Bewohner ent¬<lb/> kräften und sie langsam dem Tode durch Frost und Fieber entgegenführen. Brannt¬<lb/> wein ferner und ansteckende Krankheiten, beides Gaben der Weißen an die Indianer,<lb/> richten unter diesen entsetzliche Verheerungen an. Wenn die Amerikaner nichts weiter<lb/> thäten zum Abbruch der Indianer, als daß sie ihnen reichlich Whisky zuführten und<lb/> wo sie könnten die Büffel vertilgten, so würden das Branntwcingift und der Hun¬<lb/> ger schon allein hinlänglich sein, die Indianer jährlich zu Tausenden wegsterben zu<lb/> lassen. Vielleicht hegen viele Amerikaner solche Hintergedanken. Sonst würden die<lb/> ruchlosen Zndianerhündler, welche trotz aller Gesetze den Wilden Branntwein genug<lb/> zuführen, nicht so viele Heiser finden, — sonst würde man nicht mit so vielem<lb/> Wohlgefallen von dem ungeheuren Schießen und Schlachten vernehmen, welches die<lb/> Jäger alljährlich unter den Büffelherden anrichten. Die Jndianerstännnc zwischen<lb/> dem Missouri und Mississippi, welchen der Branntwein am nächsten und die Büffel<lb/> am entferntesten, sind diejenigen, welche sich am meisten verderbt zeigen und am<lb/> schnellsten absterben. Bringt nun schon die erste Annäherung der Weißen den In¬<lb/> dianern bereits so viel Unglück, so folgt später für diese regelmäßig noch das größere<lb/> Unheil, indem sie von ihren altererbter Ländereien verdrängt werden. Der Weiße<lb/> kommt, kauft ihnen Landstriche ab und gibt Decken. Kleider, Nahrungsmittel, Flin¬<lb/> ten und Pulver dafür. Der Indianer gewöhnt sich an neue Bedürfnisse, verläßt<lb/> sich auf die Gaben der Weißen, bringt ihnen seine Jagdbeute, und wird selbst immer<lb/> träger und ärmlicher. Nach wenigen Jahren haben die Weißen auch seine übrig<lb/> gebliebenen Zagdgründe umzingelt und drängen ihn, sie ihnen zu überlassen und<lb/> weiter zu ziehen cwgnr Westen. Die Amerikaner wollen keine Indianer unter sich.<lb/> es ergreift sie eine stille Wuth, wenn sie in deren Besitze herrliche Ländereien un¬<lb/> bebaut liegen sehen. Wollen die Rothhäute nicht im Guten weichen, so gibt eS<lb/> blutige Händel und Bedrückungen aller Art. Der Indianer begreift nicht die Natur</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0445]
die große Volksmenge auf denselben sind zwar in der Regel übertrieben; denn als
die ersten Schiffe der Weißen dort die Küsten entlang fuhren, strömten Scharen von
Wilden aus dem Innern herbei, und das Land erschien viel bewohnter als es in
Wirklichkeit war. Gleichwol bleibt es zweifellos, daß überall die Bevölkerung seit
dem ersten Anlanden der Europäer auf den Südseeinseln sich reißend vermindert hat.
Nur auf wenigen ließen sich darüber bestimmte Zahlenverhältnisse feststellen; wo dies
aber möglich war, sind sie erschreckend. Auf Hawaii z. B. sank die Bevölkerung in
achtzehn Jahren von fünsundachtzigtausend auf fünfundzwanzig Tausend. In
so kurzer Zeit verminderte sie sich also um das Dreifache, und dies Absterben griff
um so weiter und rascher um sich, je mehr Civilisirte sich im Lande ansiedelten.
Merkwürdig genug bemerkt man auch unter den Lappen, deren Nennthicrhcrdcn doch
unerschöpflich, auf deren hochliegende Forsten und Weideplätze die Enllur noch nicht
gestiegen ist, — in den letzten fünfzig Jahren el» auffallend starkes und rasches Ab¬
nehmen der Bevölkerung. Dies traurige Schicksal erklärt sich zunächst aus äußern
Ursachen. Die wilden Thiere, deren Jagd dem Indianer in Nordamerika den Haupt-
bestandtheil seiner Nahrung verschaffte, fliehen, sobald ihnen auf hundert Meilen der
weiße Ansiedler naht, als verkündigte ihnen der Znstinct ihr nahendes Verderben.
Während der Indianer noch seine alten Jagdgründe durchstreift, sind Büffel, Bären
und Hirsche längst in weiter Ferne, und die Folge der magern Jagd ist, daß Hun¬
ger und Elend wochenlang in der Jndiancrhüttc herrschen, deren Bewohner ent¬
kräften und sie langsam dem Tode durch Frost und Fieber entgegenführen. Brannt¬
wein ferner und ansteckende Krankheiten, beides Gaben der Weißen an die Indianer,
richten unter diesen entsetzliche Verheerungen an. Wenn die Amerikaner nichts weiter
thäten zum Abbruch der Indianer, als daß sie ihnen reichlich Whisky zuführten und
wo sie könnten die Büffel vertilgten, so würden das Branntwcingift und der Hun¬
ger schon allein hinlänglich sein, die Indianer jährlich zu Tausenden wegsterben zu
lassen. Vielleicht hegen viele Amerikaner solche Hintergedanken. Sonst würden die
ruchlosen Zndianerhündler, welche trotz aller Gesetze den Wilden Branntwein genug
zuführen, nicht so viele Heiser finden, — sonst würde man nicht mit so vielem
Wohlgefallen von dem ungeheuren Schießen und Schlachten vernehmen, welches die
Jäger alljährlich unter den Büffelherden anrichten. Die Jndianerstännnc zwischen
dem Missouri und Mississippi, welchen der Branntwein am nächsten und die Büffel
am entferntesten, sind diejenigen, welche sich am meisten verderbt zeigen und am
schnellsten absterben. Bringt nun schon die erste Annäherung der Weißen den In¬
dianern bereits so viel Unglück, so folgt später für diese regelmäßig noch das größere
Unheil, indem sie von ihren altererbter Ländereien verdrängt werden. Der Weiße
kommt, kauft ihnen Landstriche ab und gibt Decken. Kleider, Nahrungsmittel, Flin¬
ten und Pulver dafür. Der Indianer gewöhnt sich an neue Bedürfnisse, verläßt
sich auf die Gaben der Weißen, bringt ihnen seine Jagdbeute, und wird selbst immer
träger und ärmlicher. Nach wenigen Jahren haben die Weißen auch seine übrig
gebliebenen Zagdgründe umzingelt und drängen ihn, sie ihnen zu überlassen und
weiter zu ziehen cwgnr Westen. Die Amerikaner wollen keine Indianer unter sich.
es ergreift sie eine stille Wuth, wenn sie in deren Besitze herrliche Ländereien un¬
bebaut liegen sehen. Wollen die Rothhäute nicht im Guten weichen, so gibt eS
blutige Händel und Bedrückungen aller Art. Der Indianer begreift nicht die Natur
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