Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.solche Aufregung geriethen, wie die Socialisten aus jubelnder Zerstörungslust. Seinen Feinden gegenüber hätte Guizot in den Memoiren leichtes Spiel, Der Zweck des Buchs ist nicht, die Personen, sondern die Principien, um solche Aufregung geriethen, wie die Socialisten aus jubelnder Zerstörungslust. Seinen Feinden gegenüber hätte Guizot in den Memoiren leichtes Spiel, Der Zweck des Buchs ist nicht, die Personen, sondern die Principien, um <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0410" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186823"/> <p xml:id="ID_930" prev="#ID_929"> solche Aufregung geriethen, wie die Socialisten aus jubelnder Zerstörungslust.<lb/> Seine Freunde haben den König oft durch die Feigheit und Unentschlossenheit<lb/> dieser tumultuarischen Rathgeber entschuldigt, aber ein König, der sich so wenig<lb/> Respect verschafft hat, daß man es wagen darf, ihm in dem Augenblick, wo es<lb/> die Krone gilt, mit feigen Rathschlüssen, die an Verrätherei grenzen, zudringlich<lb/> zu nahen, ein solcher König verdient die Krone nicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_931"> Seinen Feinden gegenüber hätte Guizot in den Memoiren leichtes Spiel,<lb/> er könnte sie ohne Mühe in ihrer sittlichen und politischen Nichtigkeit aufdecken.<lb/> Seine Stellung gab ihm die vollste Gelegenheit, die Deklamationen der Zu¬<lb/> kunftspolitiker in ihren innersten Motiven zu durchschaun. Die frühern Staats¬<lb/> männer, die ihre Memoiren veröffentlicht, haben das auch redlich,gethan, ihre<lb/> 'Aufzeichnungen sind mit Enthüllungen angefüllt, die zwar nicht immer die<lb/> Geschichte bereichern, die aber der Neugier des lesenden Publicums die will¬<lb/> kommenste Ernte bieten. Guizot scheint dies Mittel durchaus verschmähn zu<lb/> wollen, wenigstens der vorliegende Band enthält keine einzige Enthüllung.<lb/> Wenig unbedeutende Umstände abgerechnet, war von den Thatsachen, die hier<lb/> mitgetheilt werden, alles bekannt, und was die Personen betrifft, so läßt ihnen<lb/> Guizot eine Schonung angedeihn, die offenbar mit Verachtung gepaart ist.<lb/> Er ist zu vornehm und zu stolz, um über seine Zeitgenossen etwas mehr zu<lb/> berichten, als was unbedingt zur Sache gehört. Dazu kommt aber ein andrer<lb/> Umstand. Der geistvolle Schriftsteller, der die große» Massen der Geschichte<lb/> in bedeutenden Gruppen zu verbinden weiß, hat für das Einzelne und Per¬<lb/> sönliche keinen Sinn, seine historischen Porträts sind mehr nach allgemeinen<lb/> Gesichtspunkten entworfen als durch scharf hervortretende Züge kenntlich, und<lb/> da die Schrift doch immer mit dem wirklichen Leben zusammenhängt, so sind<lb/> wir im Stillen überzeugt, daß er auch als Staatsmann von den Persönlich¬<lb/> keiten viel weniger gesehn hat. als er hätte sehn können. Wer gewohnt ist<lb/> mit Ideen zu rechnen, verliert leicht die Aufmerksamkeit für die bestimmte<lb/> Erscheinung.</p><lb/> <p xml:id="ID_932" next="#ID_933"> Der Zweck des Buchs ist nicht, die Personen, sondern die Principien, um<lb/> die es sich in diesem langen Kampfe handelte, ans Licht zu bringen. Auch<lb/> hier ist Guizot in der unbequemen Lage, uns nicht viel Neues sagen zu können.<lb/> Der ehrliche Mann und der Doctrinär pflegt nicht blos offen, sondern mit<lb/> einer gewissen Umständlichkeit zu Werke zu gehen; er hat es gern, jeden ein¬<lb/> zelnen Entschluß auf Maximen zurückzuführen und sich über die Maximen aus¬<lb/> führlich zu verbreiten. Nun liegt das freilich schon in der Natur der parla¬<lb/> mentarischen Regierung. Jeder Minister, der in der Lage ist, einem Parla¬<lb/> ment Rechenschaft abzulegen, muß Gründe vorzubringen und diese auf Grund¬<lb/> sätze zmückzuführeir wissen: aber nur selten fallen diese angegebenen Gründe mit<lb/> den wirtlichen Motiven zusammen und der spätern Enthüllung bleibt ein</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0410]
solche Aufregung geriethen, wie die Socialisten aus jubelnder Zerstörungslust.
Seine Freunde haben den König oft durch die Feigheit und Unentschlossenheit
dieser tumultuarischen Rathgeber entschuldigt, aber ein König, der sich so wenig
Respect verschafft hat, daß man es wagen darf, ihm in dem Augenblick, wo es
die Krone gilt, mit feigen Rathschlüssen, die an Verrätherei grenzen, zudringlich
zu nahen, ein solcher König verdient die Krone nicht.
Seinen Feinden gegenüber hätte Guizot in den Memoiren leichtes Spiel,
er könnte sie ohne Mühe in ihrer sittlichen und politischen Nichtigkeit aufdecken.
Seine Stellung gab ihm die vollste Gelegenheit, die Deklamationen der Zu¬
kunftspolitiker in ihren innersten Motiven zu durchschaun. Die frühern Staats¬
männer, die ihre Memoiren veröffentlicht, haben das auch redlich,gethan, ihre
'Aufzeichnungen sind mit Enthüllungen angefüllt, die zwar nicht immer die
Geschichte bereichern, die aber der Neugier des lesenden Publicums die will¬
kommenste Ernte bieten. Guizot scheint dies Mittel durchaus verschmähn zu
wollen, wenigstens der vorliegende Band enthält keine einzige Enthüllung.
Wenig unbedeutende Umstände abgerechnet, war von den Thatsachen, die hier
mitgetheilt werden, alles bekannt, und was die Personen betrifft, so läßt ihnen
Guizot eine Schonung angedeihn, die offenbar mit Verachtung gepaart ist.
Er ist zu vornehm und zu stolz, um über seine Zeitgenossen etwas mehr zu
berichten, als was unbedingt zur Sache gehört. Dazu kommt aber ein andrer
Umstand. Der geistvolle Schriftsteller, der die große» Massen der Geschichte
in bedeutenden Gruppen zu verbinden weiß, hat für das Einzelne und Per¬
sönliche keinen Sinn, seine historischen Porträts sind mehr nach allgemeinen
Gesichtspunkten entworfen als durch scharf hervortretende Züge kenntlich, und
da die Schrift doch immer mit dem wirklichen Leben zusammenhängt, so sind
wir im Stillen überzeugt, daß er auch als Staatsmann von den Persönlich¬
keiten viel weniger gesehn hat. als er hätte sehn können. Wer gewohnt ist
mit Ideen zu rechnen, verliert leicht die Aufmerksamkeit für die bestimmte
Erscheinung.
Der Zweck des Buchs ist nicht, die Personen, sondern die Principien, um
die es sich in diesem langen Kampfe handelte, ans Licht zu bringen. Auch
hier ist Guizot in der unbequemen Lage, uns nicht viel Neues sagen zu können.
Der ehrliche Mann und der Doctrinär pflegt nicht blos offen, sondern mit
einer gewissen Umständlichkeit zu Werke zu gehen; er hat es gern, jeden ein¬
zelnen Entschluß auf Maximen zurückzuführen und sich über die Maximen aus¬
führlich zu verbreiten. Nun liegt das freilich schon in der Natur der parla¬
mentarischen Regierung. Jeder Minister, der in der Lage ist, einem Parla¬
ment Rechenschaft abzulegen, muß Gründe vorzubringen und diese auf Grund¬
sätze zmückzuführeir wissen: aber nur selten fallen diese angegebenen Gründe mit
den wirtlichen Motiven zusammen und der spätern Enthüllung bleibt ein
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