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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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widerständige Festung Ende Dec. zur Übergabe, Wenn er anch dieses Mal
dein Genera! Monagas verzieh, so wußte er wohl, daß die Erbitterung Vieler
über den Aufstand sich nun gegen ihn wenden und die undankbare öffentliche
Meinung ihn mit Groll überschütten würde: wie es auch sattsam geschah.
Aber in tiefer Scheu vor einem Bürgerkrieg folgte er dem Triebe seines gro¬
ßen Herzens und erreichte bei der Anormalität einer so freisinnigen Verfassung,
die der Behörde nach allen Seiten die Hände band und doch auf so lockerem
Grunde sich aufbaute, gewiß mehr als durch Strenge. Nicht verschwiegen
darf dabei werden, daß er anderseits selbst unter seinen Gegnern beredte Ver¬
theidiger fand. Die vielen Schlechten unter ihnen sparten ihm freilich desto
grimmigere Rache auf.

Nachdem Pacz 1837 nochmals eine mörderische Jnsurrection unter dem
tapfern Obersten Farsan mit Gefahr seines Lebens niedergehalten, wurde er
nach den traurige" Erfahrungen von 1,835 einstimmig wieder zum Präsidenten
erwählt Jan. 39. Eine kurze Zeit des Glanzes war diese konstitutionelle
Periode. Lassen wir ihn hier selbst reden, wie er später an einen Freund
schreibt, um sich zu rechtfertigen, um sich zu trösten. "Erfreut über den An¬
blick, welchen die Republik gewährte, trat ich die Ausübung der Executive an,
und man sah in dieser Zeit, was Einheimischen und Fremden ein Wunder
schien: den friedlichen Zustand des Staates ohne einen bewaffneten Mann,
denn seine Sicherheit ruhte in der öffentlichen Meinung. Die welche heute
(Octbr. 49) mich laut eiuen Tyrannen und Unterdrücker nennen . . ., mögen
antworten, ob die völlige Abwesenheit von Soldaten, von aller Heeresmacht.
allem militärischen Apparat, Elemente der Tyrannei oder Unterdrückung waren.
Die Republik gedieh in allen ihren Zweigen ... Die Summen, die man
zur Unterhaltung permanenter Truppen hätte bestimmen können, sah man an¬
gewendet zur Beförderung des Unterrichtswesens, zu Wcgebanten, Ausbesserung
der Häfen und Errichtung öffentlicher Gebäude; dazu, Einwanderer ins Land
zu ziehen und miserable Indianer zu einem civilisirten Leben zu bringen; da¬
zu, die Staatsschuld abzuzahlen und unsern innern Credit zu erhöhen. Die
Contributionen verringerten sich, der lustige Zoll auf Ausfuhr unserer Producte
wurde abgeschafft; und da gleichwol der Fiscus voll war, wurde die aus¬
wärtige Schuld geregelt, theilweise eingelöst und gewissenhaft jede unsrer aus¬
wärtigen Obliegenheiten erfüllt. Der Ackerbau nahm zu unter dem Schutz
der Gesetze: der Handel erweiterte sich, und man begann, die Beziehungen
zu Spanien wieder herzustellen . . . Freude und Wohlsein herrschten in allen
Theilen der Republik; die Fremden bewunderten uns und Venezuela betrachtete
man als eine glückliche Ausnahme der südamerikanischen Völker."")



") Vergl. hierzu Wappäus, die Republiken von Südamerika. 1. Abth. Göttingen 1843.
S. 22. 58. Damals erschien auch in Paris der cxcicte schöne Spccialatlas in 20 Folioblättern,

widerständige Festung Ende Dec. zur Übergabe, Wenn er anch dieses Mal
dein Genera! Monagas verzieh, so wußte er wohl, daß die Erbitterung Vieler
über den Aufstand sich nun gegen ihn wenden und die undankbare öffentliche
Meinung ihn mit Groll überschütten würde: wie es auch sattsam geschah.
Aber in tiefer Scheu vor einem Bürgerkrieg folgte er dem Triebe seines gro¬
ßen Herzens und erreichte bei der Anormalität einer so freisinnigen Verfassung,
die der Behörde nach allen Seiten die Hände band und doch auf so lockerem
Grunde sich aufbaute, gewiß mehr als durch Strenge. Nicht verschwiegen
darf dabei werden, daß er anderseits selbst unter seinen Gegnern beredte Ver¬
theidiger fand. Die vielen Schlechten unter ihnen sparten ihm freilich desto
grimmigere Rache auf.

Nachdem Pacz 1837 nochmals eine mörderische Jnsurrection unter dem
tapfern Obersten Farsan mit Gefahr seines Lebens niedergehalten, wurde er
nach den traurige» Erfahrungen von 1,835 einstimmig wieder zum Präsidenten
erwählt Jan. 39. Eine kurze Zeit des Glanzes war diese konstitutionelle
Periode. Lassen wir ihn hier selbst reden, wie er später an einen Freund
schreibt, um sich zu rechtfertigen, um sich zu trösten. „Erfreut über den An¬
blick, welchen die Republik gewährte, trat ich die Ausübung der Executive an,
und man sah in dieser Zeit, was Einheimischen und Fremden ein Wunder
schien: den friedlichen Zustand des Staates ohne einen bewaffneten Mann,
denn seine Sicherheit ruhte in der öffentlichen Meinung. Die welche heute
(Octbr. 49) mich laut eiuen Tyrannen und Unterdrücker nennen . . ., mögen
antworten, ob die völlige Abwesenheit von Soldaten, von aller Heeresmacht.
allem militärischen Apparat, Elemente der Tyrannei oder Unterdrückung waren.
Die Republik gedieh in allen ihren Zweigen ... Die Summen, die man
zur Unterhaltung permanenter Truppen hätte bestimmen können, sah man an¬
gewendet zur Beförderung des Unterrichtswesens, zu Wcgebanten, Ausbesserung
der Häfen und Errichtung öffentlicher Gebäude; dazu, Einwanderer ins Land
zu ziehen und miserable Indianer zu einem civilisirten Leben zu bringen; da¬
zu, die Staatsschuld abzuzahlen und unsern innern Credit zu erhöhen. Die
Contributionen verringerten sich, der lustige Zoll auf Ausfuhr unserer Producte
wurde abgeschafft; und da gleichwol der Fiscus voll war, wurde die aus¬
wärtige Schuld geregelt, theilweise eingelöst und gewissenhaft jede unsrer aus¬
wärtigen Obliegenheiten erfüllt. Der Ackerbau nahm zu unter dem Schutz
der Gesetze: der Handel erweiterte sich, und man begann, die Beziehungen
zu Spanien wieder herzustellen . . . Freude und Wohlsein herrschten in allen
Theilen der Republik; die Fremden bewunderten uns und Venezuela betrachtete
man als eine glückliche Ausnahme der südamerikanischen Völker."")



") Vergl. hierzu Wappäus, die Republiken von Südamerika. 1. Abth. Göttingen 1843.
S. 22. 58. Damals erschien auch in Paris der cxcicte schöne Spccialatlas in 20 Folioblättern,
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[0406] widerständige Festung Ende Dec. zur Übergabe, Wenn er anch dieses Mal dein Genera! Monagas verzieh, so wußte er wohl, daß die Erbitterung Vieler über den Aufstand sich nun gegen ihn wenden und die undankbare öffentliche Meinung ihn mit Groll überschütten würde: wie es auch sattsam geschah. Aber in tiefer Scheu vor einem Bürgerkrieg folgte er dem Triebe seines gro¬ ßen Herzens und erreichte bei der Anormalität einer so freisinnigen Verfassung, die der Behörde nach allen Seiten die Hände band und doch auf so lockerem Grunde sich aufbaute, gewiß mehr als durch Strenge. Nicht verschwiegen darf dabei werden, daß er anderseits selbst unter seinen Gegnern beredte Ver¬ theidiger fand. Die vielen Schlechten unter ihnen sparten ihm freilich desto grimmigere Rache auf. Nachdem Pacz 1837 nochmals eine mörderische Jnsurrection unter dem tapfern Obersten Farsan mit Gefahr seines Lebens niedergehalten, wurde er nach den traurige» Erfahrungen von 1,835 einstimmig wieder zum Präsidenten erwählt Jan. 39. Eine kurze Zeit des Glanzes war diese konstitutionelle Periode. Lassen wir ihn hier selbst reden, wie er später an einen Freund schreibt, um sich zu rechtfertigen, um sich zu trösten. „Erfreut über den An¬ blick, welchen die Republik gewährte, trat ich die Ausübung der Executive an, und man sah in dieser Zeit, was Einheimischen und Fremden ein Wunder schien: den friedlichen Zustand des Staates ohne einen bewaffneten Mann, denn seine Sicherheit ruhte in der öffentlichen Meinung. Die welche heute (Octbr. 49) mich laut eiuen Tyrannen und Unterdrücker nennen . . ., mögen antworten, ob die völlige Abwesenheit von Soldaten, von aller Heeresmacht. allem militärischen Apparat, Elemente der Tyrannei oder Unterdrückung waren. Die Republik gedieh in allen ihren Zweigen ... Die Summen, die man zur Unterhaltung permanenter Truppen hätte bestimmen können, sah man an¬ gewendet zur Beförderung des Unterrichtswesens, zu Wcgebanten, Ausbesserung der Häfen und Errichtung öffentlicher Gebäude; dazu, Einwanderer ins Land zu ziehen und miserable Indianer zu einem civilisirten Leben zu bringen; da¬ zu, die Staatsschuld abzuzahlen und unsern innern Credit zu erhöhen. Die Contributionen verringerten sich, der lustige Zoll auf Ausfuhr unserer Producte wurde abgeschafft; und da gleichwol der Fiscus voll war, wurde die aus¬ wärtige Schuld geregelt, theilweise eingelöst und gewissenhaft jede unsrer aus¬ wärtigen Obliegenheiten erfüllt. Der Ackerbau nahm zu unter dem Schutz der Gesetze: der Handel erweiterte sich, und man begann, die Beziehungen zu Spanien wieder herzustellen . . . Freude und Wohlsein herrschten in allen Theilen der Republik; die Fremden bewunderten uns und Venezuela betrachtete man als eine glückliche Ausnahme der südamerikanischen Völker."") ") Vergl. hierzu Wappäus, die Republiken von Südamerika. 1. Abth. Göttingen 1843. S. 22. 58. Damals erschien auch in Paris der cxcicte schöne Spccialatlas in 20 Folioblättern,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/406>, abgerufen am 22.12.2024.