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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Gestalten der christlichen Mythologie in Mythen und Sagen an die Stelle
der alten Asengöttcr und ihrer Gegner. Keine von allen Gewalten des neuen
Glaubens aber erhielt eine so große Erbschaft als der Teufel. Sein Name
und sein Bild verdüsterte zahllose heidnische Traditionen, welche zu fest im
Volke lebten, um zu vergehen. Dabei wurde er selbst durch die alten Mythen,
Sagen, Märchen, und sogar durch die Sprache, in welche er eindrang, farbiger,
vielseitiger, volkstümlicher^ zuletzt gemüthlicher. Die Erinnerungen an die
hohen Gottheiten des Heidenthums mußte er mit Kirchenheiligen, und den
Aposteln, ja mit Christus selbst theilen, aber auch der Heidenglaube hatte
dunkle Gestalten gekannt und ein Gebiet, in welchen, unheimliche Mächte wal¬
teten. Dieser umfangreiche Theil siel ihm fast ganz allein zu. Den Namen
Teufel hatte er schon von den Griechen erhalten (Diabolos, tiulul). jetzt wurde
er nach einem deutschen Gott Fol (wahrscheinlich dem nordischen Batten)
Volcmd genannt, seine Raben und das wüthende Nachtheer erhielt er von
Wuotan, den Hammer von Donar; aber die schwarze Farbe, die Wolfs- oder
Bocksgestalt, die Großmutter, die Hölle (Hclja), die Bande, durch welche
er gefesselt gedacht wurde ("der Teufel ist los") und zahllose sagenhafte Ueber-
lieferungen kamen ihm aus einem Kreise heidnischer Urgewalten, welcher schon
den herrschenden Menschcngöttern feindlich gewesen war. Diese mächtigen
Dämonen, unter ihnen die dunkelfarbigen Todesgötter, gehörten nach Heiden¬
glauben dem UrVolk der Niesen an, welches am Weltende den Todeskampf
gegen die Lichtgötter und ihre erwählten Helden zu sühren hat. Sie bilden
ein düsteres Reich, in welchem unförmliche Urkraft, aber auch das tiefste
Zauberwissen heimisch ist. Zu ihnen gehört die Seeschlange. welche in mäch¬
tigem Ringe um den Erdgarten auf dem großen Grunde des Oceans liegt;
zu ihr mehre Nicsenwölfe, welche gefesselt in der Tiefe der Erde liegen,
oder Sonne und Mond verfolgen, die sie am jüngsten Tage verschlingen
werden; die ungeheuern Sturmwinde, welche durch ihren Flügelschlag die
Häuser und Schiffe der Menschen vernichten, die Eisdämonen, welche Hagel,
Schneesturm und verwüstende Fluten von Norden her über das Land sen¬
den; ferner zu ihnen vor allen die unholde Hclja, die Göttin der Todtenwelt.
Neben dem Cultus der Asengölter bestand im deutschen Heidenthum auch ein
düsterer und unheimlicher Dienst für diesen Dämonenkreis, und schon vor Ein¬
führung des > Christenthums müssen, wie sich aus christlichen Zeugnissen erken¬
nen läßt, die Priesterinnen und Zauberer dieser finstern Götter gefürchtet und
gehaßt worden sein. Sie vermochten durch die Zaubermittel der Todesgöttin
das Innere lebender Menschen aufzuzehren, Unwetter über die Saat zu füh¬
ren, die Viehherden zu vernichten; wahrscheinlich waren auch sie es, welche
Leib und Waffen der Krieger fest machten. Ihre heiligen Handlungen begin¬
gen sie bei Nacht und dunkle Thiere opferten sie der Todesgöttin und ihrem


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Gestalten der christlichen Mythologie in Mythen und Sagen an die Stelle
der alten Asengöttcr und ihrer Gegner. Keine von allen Gewalten des neuen
Glaubens aber erhielt eine so große Erbschaft als der Teufel. Sein Name
und sein Bild verdüsterte zahllose heidnische Traditionen, welche zu fest im
Volke lebten, um zu vergehen. Dabei wurde er selbst durch die alten Mythen,
Sagen, Märchen, und sogar durch die Sprache, in welche er eindrang, farbiger,
vielseitiger, volkstümlicher^ zuletzt gemüthlicher. Die Erinnerungen an die
hohen Gottheiten des Heidenthums mußte er mit Kirchenheiligen, und den
Aposteln, ja mit Christus selbst theilen, aber auch der Heidenglaube hatte
dunkle Gestalten gekannt und ein Gebiet, in welchen, unheimliche Mächte wal¬
teten. Dieser umfangreiche Theil siel ihm fast ganz allein zu. Den Namen
Teufel hatte er schon von den Griechen erhalten (Diabolos, tiulul). jetzt wurde
er nach einem deutschen Gott Fol (wahrscheinlich dem nordischen Batten)
Volcmd genannt, seine Raben und das wüthende Nachtheer erhielt er von
Wuotan, den Hammer von Donar; aber die schwarze Farbe, die Wolfs- oder
Bocksgestalt, die Großmutter, die Hölle (Hclja), die Bande, durch welche
er gefesselt gedacht wurde („der Teufel ist los") und zahllose sagenhafte Ueber-
lieferungen kamen ihm aus einem Kreise heidnischer Urgewalten, welcher schon
den herrschenden Menschcngöttern feindlich gewesen war. Diese mächtigen
Dämonen, unter ihnen die dunkelfarbigen Todesgötter, gehörten nach Heiden¬
glauben dem UrVolk der Niesen an, welches am Weltende den Todeskampf
gegen die Lichtgötter und ihre erwählten Helden zu sühren hat. Sie bilden
ein düsteres Reich, in welchem unförmliche Urkraft, aber auch das tiefste
Zauberwissen heimisch ist. Zu ihnen gehört die Seeschlange. welche in mäch¬
tigem Ringe um den Erdgarten auf dem großen Grunde des Oceans liegt;
zu ihr mehre Nicsenwölfe, welche gefesselt in der Tiefe der Erde liegen,
oder Sonne und Mond verfolgen, die sie am jüngsten Tage verschlingen
werden; die ungeheuern Sturmwinde, welche durch ihren Flügelschlag die
Häuser und Schiffe der Menschen vernichten, die Eisdämonen, welche Hagel,
Schneesturm und verwüstende Fluten von Norden her über das Land sen¬
den; ferner zu ihnen vor allen die unholde Hclja, die Göttin der Todtenwelt.
Neben dem Cultus der Asengölter bestand im deutschen Heidenthum auch ein
düsterer und unheimlicher Dienst für diesen Dämonenkreis, und schon vor Ein¬
führung des > Christenthums müssen, wie sich aus christlichen Zeugnissen erken¬
nen läßt, die Priesterinnen und Zauberer dieser finstern Götter gefürchtet und
gehaßt worden sein. Sie vermochten durch die Zaubermittel der Todesgöttin
das Innere lebender Menschen aufzuzehren, Unwetter über die Saat zu füh¬
ren, die Viehherden zu vernichten; wahrscheinlich waren auch sie es, welche
Leib und Waffen der Krieger fest machten. Ihre heiligen Handlungen begin¬
gen sie bei Nacht und dunkle Thiere opferten sie der Todesgöttin und ihrem


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[0371] Gestalten der christlichen Mythologie in Mythen und Sagen an die Stelle der alten Asengöttcr und ihrer Gegner. Keine von allen Gewalten des neuen Glaubens aber erhielt eine so große Erbschaft als der Teufel. Sein Name und sein Bild verdüsterte zahllose heidnische Traditionen, welche zu fest im Volke lebten, um zu vergehen. Dabei wurde er selbst durch die alten Mythen, Sagen, Märchen, und sogar durch die Sprache, in welche er eindrang, farbiger, vielseitiger, volkstümlicher^ zuletzt gemüthlicher. Die Erinnerungen an die hohen Gottheiten des Heidenthums mußte er mit Kirchenheiligen, und den Aposteln, ja mit Christus selbst theilen, aber auch der Heidenglaube hatte dunkle Gestalten gekannt und ein Gebiet, in welchen, unheimliche Mächte wal¬ teten. Dieser umfangreiche Theil siel ihm fast ganz allein zu. Den Namen Teufel hatte er schon von den Griechen erhalten (Diabolos, tiulul). jetzt wurde er nach einem deutschen Gott Fol (wahrscheinlich dem nordischen Batten) Volcmd genannt, seine Raben und das wüthende Nachtheer erhielt er von Wuotan, den Hammer von Donar; aber die schwarze Farbe, die Wolfs- oder Bocksgestalt, die Großmutter, die Hölle (Hclja), die Bande, durch welche er gefesselt gedacht wurde („der Teufel ist los") und zahllose sagenhafte Ueber- lieferungen kamen ihm aus einem Kreise heidnischer Urgewalten, welcher schon den herrschenden Menschcngöttern feindlich gewesen war. Diese mächtigen Dämonen, unter ihnen die dunkelfarbigen Todesgötter, gehörten nach Heiden¬ glauben dem UrVolk der Niesen an, welches am Weltende den Todeskampf gegen die Lichtgötter und ihre erwählten Helden zu sühren hat. Sie bilden ein düsteres Reich, in welchem unförmliche Urkraft, aber auch das tiefste Zauberwissen heimisch ist. Zu ihnen gehört die Seeschlange. welche in mäch¬ tigem Ringe um den Erdgarten auf dem großen Grunde des Oceans liegt; zu ihr mehre Nicsenwölfe, welche gefesselt in der Tiefe der Erde liegen, oder Sonne und Mond verfolgen, die sie am jüngsten Tage verschlingen werden; die ungeheuern Sturmwinde, welche durch ihren Flügelschlag die Häuser und Schiffe der Menschen vernichten, die Eisdämonen, welche Hagel, Schneesturm und verwüstende Fluten von Norden her über das Land sen¬ den; ferner zu ihnen vor allen die unholde Hclja, die Göttin der Todtenwelt. Neben dem Cultus der Asengölter bestand im deutschen Heidenthum auch ein düsterer und unheimlicher Dienst für diesen Dämonenkreis, und schon vor Ein¬ führung des > Christenthums müssen, wie sich aus christlichen Zeugnissen erken¬ nen läßt, die Priesterinnen und Zauberer dieser finstern Götter gefürchtet und gehaßt worden sein. Sie vermochten durch die Zaubermittel der Todesgöttin das Innere lebender Menschen aufzuzehren, Unwetter über die Saat zu füh¬ ren, die Viehherden zu vernichten; wahrscheinlich waren auch sie es, welche Leib und Waffen der Krieger fest machten. Ihre heiligen Handlungen begin¬ gen sie bei Nacht und dunkle Thiere opferten sie der Todesgöttin und ihrem 46*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/371>, abgerufen am 21.12.2024.