Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.nennt, ein stnuges Regiment führte. Zuweilen las die Mutter selbst mit Unter solchen Beschäftigungen und Unterhaltungen reiste das Kind zur nennt, ein stnuges Regiment führte. Zuweilen las die Mutter selbst mit Unter solchen Beschäftigungen und Unterhaltungen reiste das Kind zur <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0036" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186448"/> <p xml:id="ID_89" prev="#ID_88"> nennt, ein stnuges Regiment führte. Zuweilen las die Mutter selbst mit<lb/> den Töchtern Homer und Virgil, gewöhnlich aber leiteten in großen Häusern<lb/> den Unterricht der Mädchen wie der Knaben Gelehrte, zuweilen von Ruf,<lb/> oft Freigelassene des Hausherrn von griechischer Abkunft; und mitunter ent¬<lb/> standen zwischen Lehrern und Schülerinnen Verhältnisse, die der Familie nicht<lb/> erwünscht waren, Besonderer Werth wurde auf die Ausbildung der Mäd¬<lb/> chen in Musik und Tanz gelegt. Bekanntlich hatten die Alten nur Einzel-<lb/> tänze, deren Kunst weit mehr in anmuthigen rhythmischen Bewegungen des<lb/> Oberkörpers und der Arme als in Geschwindigkeit. Elasticität und Zierlich¬<lb/> keit der Schritte bestand. Die italienischen Nationaltänze haben diesen Cha¬<lb/> rakter bis heute vewahrt, und wie sie in unsern Tagen nicht am wenigsten<lb/> beitragen, den Römerinnen die wundervolle Grazie in Gang und Haltung zu<lb/> verleiben, welche sie so sehr auszeichnet, so haben sie ohne Zweifel im Alter¬<lb/> thum ähnliche Wirkungen geübt. Daneben lernten die Mädchen singen und<lb/> verschiedene Saiteninstrumente spielen. Einige derselben (so wie auch manche<lb/> griechische Tänze) wurden von strengern Bcurtheilern als zu weichlich und auf¬<lb/> regend gemißbilligt. Von ihrer Kunst im Gesänge legten sie auch wol öffent¬<lb/> liche Proben ab. An Beklagen und Götterfesten gingen Chöre von dreimal<lb/> neun Jnngfrnueu aus Mer Familien Hymnen singend der Procession voraus.<lb/> Manche Frau, so hoffte Horaz, werde sich einst erinnern, wie sie das von<lb/> ihm gedichtete Festlied gelernt und geübt habe. Uebrigens scheinen Mädchen<lb/> und Frauen durch den Musikunterricht sehr gewöhnlich die Fertigkeit erworben<lb/> zu haben, Texte von Dichtern nach sclbstgesetzten Melodien zur Begleitung der<lb/> Laute vorzutragen.</p><lb/> <p xml:id="ID_90" next="#ID_91"> Unter solchen Beschäftigungen und Unterhaltungen reiste das Kind zur<lb/> Jungfrau, und den Eltern trat die Pflicht immer näher, das künftige Schick-<lb/> jal ihrer Tochter dnrch eine angemessene und glückverheißende Heirath zu<lb/> sichern. Die zur Ehe erforderliche Volljährigkeit trat schon mit dem zurückgeleg¬<lb/> ten zwölften Jahre ein, und nur dürfen annehmen, daß die Mädchen in der<lb/> Regel zwischen dem dreizehnten und siebzehnten vermählt wurden. Eine Frau,<lb/> die 20 Jahr alt geworden war, ohne bereits Mutter zu sein, verfiel schon<lb/> den Strafen, welche das von August erlassene Gesetz über Kinderlosigkeit ver¬<lb/> hängt hatte. Hier war also das vollendete neunzehnte Jahr als die äußerste<lb/> Grenze des für die Schließung der Ehe naturgemäßen Alters angesehen. Ohne<lb/> Zweifel war in der Regel der Wille der Eltern für die Töchter entscheidend;<lb/> schon die unerfahrene Jugend der letztem mußte dies mit sich bringen. Sehr<lb/> häusig war die Eingehung der Ehe nur Sache der Convenienz zwischen zwei<lb/> Familien. Der Freier oder seine Fürsprecher wandten sich nicht an das Mäd¬<lb/> chen, sondern an dessen Eltern oder Vormünder. Die Verlobung wurde fest¬<lb/> lich begangen, aber sie änderte in dem Verhältniß der zukünftigen Gatten</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0036]
nennt, ein stnuges Regiment führte. Zuweilen las die Mutter selbst mit
den Töchtern Homer und Virgil, gewöhnlich aber leiteten in großen Häusern
den Unterricht der Mädchen wie der Knaben Gelehrte, zuweilen von Ruf,
oft Freigelassene des Hausherrn von griechischer Abkunft; und mitunter ent¬
standen zwischen Lehrern und Schülerinnen Verhältnisse, die der Familie nicht
erwünscht waren, Besonderer Werth wurde auf die Ausbildung der Mäd¬
chen in Musik und Tanz gelegt. Bekanntlich hatten die Alten nur Einzel-
tänze, deren Kunst weit mehr in anmuthigen rhythmischen Bewegungen des
Oberkörpers und der Arme als in Geschwindigkeit. Elasticität und Zierlich¬
keit der Schritte bestand. Die italienischen Nationaltänze haben diesen Cha¬
rakter bis heute vewahrt, und wie sie in unsern Tagen nicht am wenigsten
beitragen, den Römerinnen die wundervolle Grazie in Gang und Haltung zu
verleiben, welche sie so sehr auszeichnet, so haben sie ohne Zweifel im Alter¬
thum ähnliche Wirkungen geübt. Daneben lernten die Mädchen singen und
verschiedene Saiteninstrumente spielen. Einige derselben (so wie auch manche
griechische Tänze) wurden von strengern Bcurtheilern als zu weichlich und auf¬
regend gemißbilligt. Von ihrer Kunst im Gesänge legten sie auch wol öffent¬
liche Proben ab. An Beklagen und Götterfesten gingen Chöre von dreimal
neun Jnngfrnueu aus Mer Familien Hymnen singend der Procession voraus.
Manche Frau, so hoffte Horaz, werde sich einst erinnern, wie sie das von
ihm gedichtete Festlied gelernt und geübt habe. Uebrigens scheinen Mädchen
und Frauen durch den Musikunterricht sehr gewöhnlich die Fertigkeit erworben
zu haben, Texte von Dichtern nach sclbstgesetzten Melodien zur Begleitung der
Laute vorzutragen.
Unter solchen Beschäftigungen und Unterhaltungen reiste das Kind zur
Jungfrau, und den Eltern trat die Pflicht immer näher, das künftige Schick-
jal ihrer Tochter dnrch eine angemessene und glückverheißende Heirath zu
sichern. Die zur Ehe erforderliche Volljährigkeit trat schon mit dem zurückgeleg¬
ten zwölften Jahre ein, und nur dürfen annehmen, daß die Mädchen in der
Regel zwischen dem dreizehnten und siebzehnten vermählt wurden. Eine Frau,
die 20 Jahr alt geworden war, ohne bereits Mutter zu sein, verfiel schon
den Strafen, welche das von August erlassene Gesetz über Kinderlosigkeit ver¬
hängt hatte. Hier war also das vollendete neunzehnte Jahr als die äußerste
Grenze des für die Schließung der Ehe naturgemäßen Alters angesehen. Ohne
Zweifel war in der Regel der Wille der Eltern für die Töchter entscheidend;
schon die unerfahrene Jugend der letztem mußte dies mit sich bringen. Sehr
häusig war die Eingehung der Ehe nur Sache der Convenienz zwischen zwei
Familien. Der Freier oder seine Fürsprecher wandten sich nicht an das Mäd¬
chen, sondern an dessen Eltern oder Vormünder. Die Verlobung wurde fest¬
lich begangen, aber sie änderte in dem Verhältniß der zukünftigen Gatten
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |