Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.regeln, durch welche die Freiheit des Verkehrs aufs ärgste beschränkt, die Und England gegenüber dasselbe Verhängnis! Wie eifrig hat sich der regeln, durch welche die Freiheit des Verkehrs aufs ärgste beschränkt, die Und England gegenüber dasselbe Verhängnis! Wie eifrig hat sich der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0206" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186618"/> <p xml:id="ID_481" prev="#ID_480"> regeln, durch welche die Freiheit des Verkehrs aufs ärgste beschränkt, die<lb/> Polizeiherrschaft in höchst verletzender Weise vergrößert und Frankreich über<lb/> Nacht mit einer militärischen Dictatur beschenkt wird, wie sie seit dem Sturz<lb/> des Römerreiches an der Seine und Rhone nicht bestanden hat. Rathlos.<lb/> ohne Parteileben und ohne politische Aussicht, wenn auch in stillem Grimm,<lb/> erträgt Frankreich den neuen Druck. Aber der Kaiser, was hat er dadurch<lb/> erreicht? Er wollte sich fester stellen, und doch er hat sich vor dem Ausland<lb/> die Hälfte seiner Kraft, und Frankreich gegenüber jede Hoffnung auf friedliche<lb/> Succession seines Hauses genommen. Die alte Fiction der Volkswahl kann<lb/> niemand mehr täuschen, der Kaiser selbst hat der Welt gezeigt, daß er seine<lb/> Marschälle und Armeen braucht, um Frankreich im Zaum zu halten; fortan<lb/> kann er keinen großen Krieg mehr führen, der Frankreichs volle Heereskraft<lb/> in Anspruch nimmt. Er ist dem Auslande um vielleicht 150,000 Krieger<lb/> weniger furchtbar geworden. Und ferner seinem Heer und Volk hat er fünf<lb/> militärische Regenten gegeben. Die er jetzt gewählt hat, mögen ihm und<lb/> seinem Hause treu dienen, aber die französischen Marschallstäbe, die auf Schlacht¬<lb/> feldern gewonnen sind, gehn schnell aus einer Hand in die andere über, und<lb/> wenn der Kaiser aus diesem Leben scheidet, welche Gewalt will fünf ehr¬<lb/> geizige, herrschlustige, mit beinahe souveräner Gewalt bekleidete Proconsuln<lb/> einig und devot erhalten, devot für eine Familie, welche unter ihren Augen<lb/> aus dem Privatleben durch Schwert und Kugel auf den Thron gestiegen ist?<lb/> So ist jetzt das Reich der napoleoniden durch seine neuen Barrikaden noch<lb/> weit haltloser geworden als es vor wenig Monden war.</p><lb/> <p xml:id="ID_482" next="#ID_483"> Und England gegenüber dasselbe Verhängnis! Wie eifrig hat sich der<lb/> Kaiser um das englische Bündniß bemüht, es war ihm eine Herzensüber-<lb/> zengung, daß seine Größe und Sicherheit davon abhänge, er hat der Politik<lb/> des englischen Staates und den Menschen, welche sie vertreten, eine mehr¬<lb/> jährige großartige Courtoisie gewidmet, er hat vieles Unangenehme, was ihm<lb/> von England kam, mit immerwährender Selbstüberwindung ertragen. Da<lb/> will sein Schicksal, daß die Theilnehmer der letzten Verschwörung ebenso im<lb/> Schutz englischer Gesetze gegen ihn arbeiten, wie einst er selbst unter dem<lb/> Schutze derselben Gesetze gegen die Regierung Louis Philipps intriguirt hatte.<lb/> Vielleicht ist eine Unvollkommenheit in der englischen Gesetzgebung Ursache, wenn<lb/> England dem schlechtesten politischen Verbrecher des Festlandes denselben Schutz ge¬<lb/> währt, wie dem ungefährlichen Flüchtling, und wenn dasselbe einem fremden<lb/> Souverän: schwer, unter Umständen unmöglich macht, die Bestrafung von Ver¬<lb/> schwörern gegen sein Leben nach englischem Recht durchzusetzen. Sicher ist freilich<lb/> auch, daß der Kaiser das mehrjährige Bündniß und die Sympathien der gebildeten<lb/> Classen Englands ein wenig zu hoch anschlug, und die Gefahr, welche ihm<lb/> durch die Toleranz des englischen Gesetzes drohe, ein wenig zu lebhast ein-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0206]
regeln, durch welche die Freiheit des Verkehrs aufs ärgste beschränkt, die
Polizeiherrschaft in höchst verletzender Weise vergrößert und Frankreich über
Nacht mit einer militärischen Dictatur beschenkt wird, wie sie seit dem Sturz
des Römerreiches an der Seine und Rhone nicht bestanden hat. Rathlos.
ohne Parteileben und ohne politische Aussicht, wenn auch in stillem Grimm,
erträgt Frankreich den neuen Druck. Aber der Kaiser, was hat er dadurch
erreicht? Er wollte sich fester stellen, und doch er hat sich vor dem Ausland
die Hälfte seiner Kraft, und Frankreich gegenüber jede Hoffnung auf friedliche
Succession seines Hauses genommen. Die alte Fiction der Volkswahl kann
niemand mehr täuschen, der Kaiser selbst hat der Welt gezeigt, daß er seine
Marschälle und Armeen braucht, um Frankreich im Zaum zu halten; fortan
kann er keinen großen Krieg mehr führen, der Frankreichs volle Heereskraft
in Anspruch nimmt. Er ist dem Auslande um vielleicht 150,000 Krieger
weniger furchtbar geworden. Und ferner seinem Heer und Volk hat er fünf
militärische Regenten gegeben. Die er jetzt gewählt hat, mögen ihm und
seinem Hause treu dienen, aber die französischen Marschallstäbe, die auf Schlacht¬
feldern gewonnen sind, gehn schnell aus einer Hand in die andere über, und
wenn der Kaiser aus diesem Leben scheidet, welche Gewalt will fünf ehr¬
geizige, herrschlustige, mit beinahe souveräner Gewalt bekleidete Proconsuln
einig und devot erhalten, devot für eine Familie, welche unter ihren Augen
aus dem Privatleben durch Schwert und Kugel auf den Thron gestiegen ist?
So ist jetzt das Reich der napoleoniden durch seine neuen Barrikaden noch
weit haltloser geworden als es vor wenig Monden war.
Und England gegenüber dasselbe Verhängnis! Wie eifrig hat sich der
Kaiser um das englische Bündniß bemüht, es war ihm eine Herzensüber-
zengung, daß seine Größe und Sicherheit davon abhänge, er hat der Politik
des englischen Staates und den Menschen, welche sie vertreten, eine mehr¬
jährige großartige Courtoisie gewidmet, er hat vieles Unangenehme, was ihm
von England kam, mit immerwährender Selbstüberwindung ertragen. Da
will sein Schicksal, daß die Theilnehmer der letzten Verschwörung ebenso im
Schutz englischer Gesetze gegen ihn arbeiten, wie einst er selbst unter dem
Schutze derselben Gesetze gegen die Regierung Louis Philipps intriguirt hatte.
Vielleicht ist eine Unvollkommenheit in der englischen Gesetzgebung Ursache, wenn
England dem schlechtesten politischen Verbrecher des Festlandes denselben Schutz ge¬
währt, wie dem ungefährlichen Flüchtling, und wenn dasselbe einem fremden
Souverän: schwer, unter Umständen unmöglich macht, die Bestrafung von Ver¬
schwörern gegen sein Leben nach englischem Recht durchzusetzen. Sicher ist freilich
auch, daß der Kaiser das mehrjährige Bündniß und die Sympathien der gebildeten
Classen Englands ein wenig zu hoch anschlug, und die Gefahr, welche ihm
durch die Toleranz des englischen Gesetzes drohe, ein wenig zu lebhast ein-
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