Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.Getreide einzukaufen, auch die Speculation nimmt sich wol zuweilen der 1491, holen Männer aus Trient Korn bis aus Franken her, und 1311 Getreide einzukaufen, auch die Speculation nimmt sich wol zuweilen der 1491, holen Männer aus Trient Korn bis aus Franken her, und 1311 <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0124" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186536"/> <p xml:id="ID_285" prev="#ID_284"> Getreide einzukaufen, auch die Speculation nimmt sich wol zuweilen der<lb/> Sache ein,</p><lb/> <p xml:id="ID_286"> 1491, holen Männer aus Trient Korn bis aus Franken her, und 1311<lb/> lassen Kaufleute sogar sicilianisches Getreide nach Deutschland bringen; aber wie<lb/> schlimm es auch wieder zuweilen mit der Zufuhr von außen gehen konnte,<lb/> möge ein Beispiel zeigen-. 1438 schickt der Rath von Augsburg zwei Männer<lb/> aus, um in Wien Getreide zu ckaufen und es baldmöglichst der bedrängten<lb/> Stadt zuzuführen. Was geschieht aber? als sie mit ihren Wagen an die<lb/> Grenze Baierns kommen, tritt ihnen die Strenge des Ausfuhrverbotes ent¬<lb/> gegen. Herzog Ludwig will sie wol in das Land hineinlassen, aber nicht<lb/> wieder heraus und auf großen Umwegen müssen sie ihre Stadt wieder<lb/> zu erreichen suchen, und kommen so spät an, daß indessen die halbe<lb/> Stadt verhungert sein konnte. Auf den Getreidehandel war unter solchen<lb/> Umständen wenig zu bauen; es gab ziemlich regelmäßige Strömungen d. h.<lb/> regelmäßig, sofern nicht auch hier Ausfuhrverbote dazwischen traten; durch<lb/> Vermittlung der Hansestädte gingen alljährlich Massen von Getreide nach Eng¬<lb/> land, den Niederlanden und den scandinavischen Ländern, vorzüglich nach<lb/> Norwegen; auch im Innern Deutschlands bedurften manche Orte z. B. die<lb/> Bergwertsstadte des Erzgebirges regelmäßige Zufuhr, aber mit den außer¬<lb/> gewöhnlichen Getreidczufuhren. wie sie eben eine Hungersnot!) erheischt und<lb/> die vor allem schnell cirrcmgirt werden müssen, sah es schlimm aus. Es<lb/> konnte wol, wie es im Jahre 1347 geschah, Lübeck, als eiuer der Hauptsitze<lb/> des hanseatischen Getreidehandcls, eben deshalb zur Zeit allgemeiner Theu-<lb/> rung leidliche Preise aufrecht erhalten, aber solche günstige Verhältnisse waren<lb/> äußerst selten. Dagegen erfahren wir aus den Angaben der Getreidepreise,<lb/> wie benachbarte Länder zu derselben Zeit unendlich verschiedene Preise haben.<lb/> Im Jahre 1027 soll in Ungarn solche Theurung gewesen sein, daß ein Mann<lb/> für einen Ducaten nicht so viel Brot bekam, um sich für einmal satt zu essen,<lb/> während zu derselben Zeit in Böhmen alles so wohlfeil war, daß ein Laib<lb/> Brot, davon sich sechs Männer hätten satt essen können, einen Pfennig kostete<lb/> und ebenso in späterer Zeit 1373 galt ein Scheffel Korn in Baiern sechs<lb/> Goldgulden, in Belgien sieben alte Groschen. Das alles ist erklärlich, wenn wir<lb/> die Eigenthümlichkeit des Kornhnndels ins Auge fassen, anerkanntermaßen des<lb/> schwierigsten unter allen Arten des Handels, schön wegen des Transportes. Man<lb/> rechnet, daß derselbe zur Azc auf 20 Meilen das Korn um nicht weniger als 25"/<,<lb/> verthcuert, und aus den erbärmlichen mittelalterlichen Straßen war das Ver¬<lb/> hältniß sicher noch ungünstiger, dann aber sind die Kosten des Magazinirens<lb/> durchaus nicht unerheblich, man rechnete noch in neuerer Zeit dafür jähr¬<lb/> lich 10"/«; endlich ist die Speculation so gefährlich, das Risiko so groß wie<lb/> bei keinem andern Zweige des Handels. Und nun bedenke man hierbei<lb/> noch die mittelalterlichen Zustände überhaupt; die unzähligen Hemmnisse<lb/> und Chicanen. denen der Verkehr ausgesetzt war; die Unsicherheit der<lb/> Straßen, vorzüglich in Zeiten der Theurung. Da gehörte viel Muth und<lb/> Aussicht auf großen Gewinn dazu, um jemanden zu veranlassen, mit Getreide<lb/> zu speculiren.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0124]
Getreide einzukaufen, auch die Speculation nimmt sich wol zuweilen der
Sache ein,
1491, holen Männer aus Trient Korn bis aus Franken her, und 1311
lassen Kaufleute sogar sicilianisches Getreide nach Deutschland bringen; aber wie
schlimm es auch wieder zuweilen mit der Zufuhr von außen gehen konnte,
möge ein Beispiel zeigen-. 1438 schickt der Rath von Augsburg zwei Männer
aus, um in Wien Getreide zu ckaufen und es baldmöglichst der bedrängten
Stadt zuzuführen. Was geschieht aber? als sie mit ihren Wagen an die
Grenze Baierns kommen, tritt ihnen die Strenge des Ausfuhrverbotes ent¬
gegen. Herzog Ludwig will sie wol in das Land hineinlassen, aber nicht
wieder heraus und auf großen Umwegen müssen sie ihre Stadt wieder
zu erreichen suchen, und kommen so spät an, daß indessen die halbe
Stadt verhungert sein konnte. Auf den Getreidehandel war unter solchen
Umständen wenig zu bauen; es gab ziemlich regelmäßige Strömungen d. h.
regelmäßig, sofern nicht auch hier Ausfuhrverbote dazwischen traten; durch
Vermittlung der Hansestädte gingen alljährlich Massen von Getreide nach Eng¬
land, den Niederlanden und den scandinavischen Ländern, vorzüglich nach
Norwegen; auch im Innern Deutschlands bedurften manche Orte z. B. die
Bergwertsstadte des Erzgebirges regelmäßige Zufuhr, aber mit den außer¬
gewöhnlichen Getreidczufuhren. wie sie eben eine Hungersnot!) erheischt und
die vor allem schnell cirrcmgirt werden müssen, sah es schlimm aus. Es
konnte wol, wie es im Jahre 1347 geschah, Lübeck, als eiuer der Hauptsitze
des hanseatischen Getreidehandcls, eben deshalb zur Zeit allgemeiner Theu-
rung leidliche Preise aufrecht erhalten, aber solche günstige Verhältnisse waren
äußerst selten. Dagegen erfahren wir aus den Angaben der Getreidepreise,
wie benachbarte Länder zu derselben Zeit unendlich verschiedene Preise haben.
Im Jahre 1027 soll in Ungarn solche Theurung gewesen sein, daß ein Mann
für einen Ducaten nicht so viel Brot bekam, um sich für einmal satt zu essen,
während zu derselben Zeit in Böhmen alles so wohlfeil war, daß ein Laib
Brot, davon sich sechs Männer hätten satt essen können, einen Pfennig kostete
und ebenso in späterer Zeit 1373 galt ein Scheffel Korn in Baiern sechs
Goldgulden, in Belgien sieben alte Groschen. Das alles ist erklärlich, wenn wir
die Eigenthümlichkeit des Kornhnndels ins Auge fassen, anerkanntermaßen des
schwierigsten unter allen Arten des Handels, schön wegen des Transportes. Man
rechnet, daß derselbe zur Azc auf 20 Meilen das Korn um nicht weniger als 25"/<,
verthcuert, und aus den erbärmlichen mittelalterlichen Straßen war das Ver¬
hältniß sicher noch ungünstiger, dann aber sind die Kosten des Magazinirens
durchaus nicht unerheblich, man rechnete noch in neuerer Zeit dafür jähr¬
lich 10"/«; endlich ist die Speculation so gefährlich, das Risiko so groß wie
bei keinem andern Zweige des Handels. Und nun bedenke man hierbei
noch die mittelalterlichen Zustände überhaupt; die unzähligen Hemmnisse
und Chicanen. denen der Verkehr ausgesetzt war; die Unsicherheit der
Straßen, vorzüglich in Zeiten der Theurung. Da gehörte viel Muth und
Aussicht auf großen Gewinn dazu, um jemanden zu veranlassen, mit Getreide
zu speculiren.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |