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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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waltete, es mit zuschreibe", daß die jüngste Krisis so außerordentlich inten¬
siv wurde.

Das Raisonnement, von welchem man bei jener Annahme ausging, ist
in Kürze folgendes: Die edeln Metalle, ^Gold und Silber, haben mit andern
Waaren das gemeinsam, daß sie im Preise fallen, je mehr davon aus den
Markt kommt; da sie aber selbst der allgemeine Werthmcsser sind, so kann
diese Preisminderung sich nur als Erhöhung, der Warenpreise darstellen. Und
grade wie nach der Entdeckung Amerikas, so läßt sich auch heute eine all¬
gemeine Preiserhöhung wahrnehmen. Also schließt man in beiden Fällen
auf eine Verminderung des Geldwerthes zurück. Während nun durch diese
Sätze vor der Krisis die steigenden Preise so völlig rationell erklärt wurden,
blieb damals noch ein anderer, mit diesem angeblichen Geldübcrfluß doch so
unvereinbarer Umstand, der des steigenden Zinsfußes zu erklären übrig, und
nach der Krisis verträgt sich damit noch weniger das allgemeine Sinken der
Waarenpreise, mindestens bedeutend unter den vor der Krisis erreichten
Standpunkt hinab. Das weist auf mitwirkende Ursachen hin, die mit den
Goldentdeckungen gar nichts zu thun haben, und heutzutage zeigt man denn
auch mit Fingern darauf hin; es sind dies die Creditzustände in den einzel¬
nen Ländern. Wenn das im Wesentlichen richtig ist, läßt sich dann daran
zweifeln, daß die andere Annahme in jener frühern Zeit zu theoretischen
und praktischen Irrthümern führen mußte? Denn anstatt die Entwicklung der
Creditverhältnissc zu beobachten, beugte man sich vor dem Fatum der unver¬
meidlichen Geldzuflüsse und der ebenso unvermeidlichen Preissteigerungen.

Uebrigens kann der ganze oben bezeichnete Gedankengang vor einer etwas
genauern Kritik gar nicht bestehen. Denn zunächst ist es nicht die Ueberfüh¬
rung des Marktes allein, wodurch eine Waare im Preise sinkt, sondern ein
mit derselben nicht zugleich steigender Begehr nach ihr. Mit einer Waare,
die sehr wenig Liebhaber findet, ist der Markt sehr rasch überfüllt, eine sehr
begehrte Waare dagegen kann ohne Preiserniedrigung die größten Zufuhren
vertragen. Ja unter Umständen kann die größere Zufuhr einer Waare grade
die Ursache zu deren Preiserhöhung werden, indem um erst weitere Kreise
in die Lage kommen, sie kennen zu lernen und zu gebrauchen. Das würde
z. B. der Fall mit jeder neuen Culturpflanze sein, die sich in unsere Haus¬
stande einbürgert, bis ein allgemeinerer Anbau den Preis wieder wirst.
Wendet man das Gesagte auf die Goldzufuhren an, so kann darüber kein
Zweifel sein, daß bei der auf der ganzen Erde so allgemeinen Verwandlung
des Goldes zu Geld auch die reichlichste Zufuhr kaum je im Stande sein
kann, den Begehr danach auszufüllen; ja in einem gewissen Grade ist selbst
die letzte der oben erwähnten Erscheinungen eingetreten. In Frankreich näm¬
lich war aus dem Streben nach möglichster Unterordnung aller Maßverhält-


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waltete, es mit zuschreibe», daß die jüngste Krisis so außerordentlich inten¬
siv wurde.

Das Raisonnement, von welchem man bei jener Annahme ausging, ist
in Kürze folgendes: Die edeln Metalle, ^Gold und Silber, haben mit andern
Waaren das gemeinsam, daß sie im Preise fallen, je mehr davon aus den
Markt kommt; da sie aber selbst der allgemeine Werthmcsser sind, so kann
diese Preisminderung sich nur als Erhöhung, der Warenpreise darstellen. Und
grade wie nach der Entdeckung Amerikas, so läßt sich auch heute eine all¬
gemeine Preiserhöhung wahrnehmen. Also schließt man in beiden Fällen
auf eine Verminderung des Geldwerthes zurück. Während nun durch diese
Sätze vor der Krisis die steigenden Preise so völlig rationell erklärt wurden,
blieb damals noch ein anderer, mit diesem angeblichen Geldübcrfluß doch so
unvereinbarer Umstand, der des steigenden Zinsfußes zu erklären übrig, und
nach der Krisis verträgt sich damit noch weniger das allgemeine Sinken der
Waarenpreise, mindestens bedeutend unter den vor der Krisis erreichten
Standpunkt hinab. Das weist auf mitwirkende Ursachen hin, die mit den
Goldentdeckungen gar nichts zu thun haben, und heutzutage zeigt man denn
auch mit Fingern darauf hin; es sind dies die Creditzustände in den einzel¬
nen Ländern. Wenn das im Wesentlichen richtig ist, läßt sich dann daran
zweifeln, daß die andere Annahme in jener frühern Zeit zu theoretischen
und praktischen Irrthümern führen mußte? Denn anstatt die Entwicklung der
Creditverhältnissc zu beobachten, beugte man sich vor dem Fatum der unver¬
meidlichen Geldzuflüsse und der ebenso unvermeidlichen Preissteigerungen.

Uebrigens kann der ganze oben bezeichnete Gedankengang vor einer etwas
genauern Kritik gar nicht bestehen. Denn zunächst ist es nicht die Ueberfüh¬
rung des Marktes allein, wodurch eine Waare im Preise sinkt, sondern ein
mit derselben nicht zugleich steigender Begehr nach ihr. Mit einer Waare,
die sehr wenig Liebhaber findet, ist der Markt sehr rasch überfüllt, eine sehr
begehrte Waare dagegen kann ohne Preiserniedrigung die größten Zufuhren
vertragen. Ja unter Umständen kann die größere Zufuhr einer Waare grade
die Ursache zu deren Preiserhöhung werden, indem um erst weitere Kreise
in die Lage kommen, sie kennen zu lernen und zu gebrauchen. Das würde
z. B. der Fall mit jeder neuen Culturpflanze sein, die sich in unsere Haus¬
stande einbürgert, bis ein allgemeinerer Anbau den Preis wieder wirst.
Wendet man das Gesagte auf die Goldzufuhren an, so kann darüber kein
Zweifel sein, daß bei der auf der ganzen Erde so allgemeinen Verwandlung
des Goldes zu Geld auch die reichlichste Zufuhr kaum je im Stande sein
kann, den Begehr danach auszufüllen; ja in einem gewissen Grade ist selbst
die letzte der oben erwähnten Erscheinungen eingetreten. In Frankreich näm¬
lich war aus dem Streben nach möglichster Unterordnung aller Maßverhält-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/11>, abgerufen am 30.12.2024.