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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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in früherer Zeit, außer bei Gütern, die nicht zu vollem Eigenthum besessen
wurden, specielle Beschränkungen der Zertheilung mindestens in Preußen nicht
existirtey, im Gegentheil gesetzliche Verbote gegen die Zusammenziehung mehrer
bäuerlichen Besitzungen, insbesondere deren Zuschlagung zu Rittergütern. Von
größtem Belang ist aber hierbei der vom Verfasser auf das genaueste fest¬
gestellte Umstand: "daß seit Einführung der freien Verfügung über
den Grundbesitz, also der unbeschränkten Theilbarkeit, keines¬
wegs die Zahl der mittleren und größeren Güter in sämmtlichen
preußischen Landestheilen sich vermindert, sondern vielmehr
vermehrt habe, indem an die Stelle der in einzelne Parcellen ge¬
theilten größter" Besitzungen stets mehr dergleichen neue, durch
Vereinigung kleinerer Grundstücke in einer Hand gebildete ge¬
treten sind. Der beste Beweis, was von der von den Gegnern an die
Spitze gestellten Argumentation, daß die von ihnen angegriffene Freiheit am
Ende zur Auflösung des Grundes und Bodens in Staubtheiie führe, zu halten
ist. Ganz folgerichtig will daher der Versasser die Conservirung größerer Gü¬
ter, überhaupt die Gestaltung der einschlagenden Besitzverhältnisse, der Sitte
und dem Bedürfniß überlassen wissen, welche stets Hand in Hand mitein¬
ander gehen und nie aus die Dauer in Zwiespalt miteinander sein können.
Ohnehin hat der Grundbesitz, wie alle andern Arten des Vermögens, von
Natur weit eher die Tendenz, sich in einzelnen Händen anzuhäufen, als sich zu
zersplittern, indem seine Vermehrung und Festhaltung dem, der schon viel
davon hat, weit leichter füllt, als die erste Bildung eines irgend erwähnungs¬
werthen Complexes dem Anfänger, der sich erst herausarbeitet. Die Sache
liegt daher ganz in den Händen der Grundbesitzer selbst, die ihr Interesse da¬
bei, ohne alle Eingriffe der Gesetzgebung am füglichsten selbst wahrzunehmen
wissen werden, -- wie uns das Beispiel Englands beweist, das die Gegen¬
partei bisher sehr gegen den wahren Thatbestand sür ihre Zwecke ausgebeutet
hat. Weder durch Fideicommisse noch Theilungsverbote sind hier die großen
Gutsbesitzer in der freien Verfügung über ihr Grundeigenthum beschränkt,
vielmehr ist es nur die allgemeine Sitte, welche dessen Uebertragung auf den
ältesten Sohn zur Regel macht, was dann in dem Erbrecht insofern seinen
Ausdruck gefunden hat, daß der Erstgeborne dem Vater, insofern dieser
nicht anders darüber bestimmt, was ihm vollkommen freisteht, im Gute
folgt. Natürlich steht dabei der Verkauf im Ganzen und Einzelnen dem Be¬
sitzer völlig frei, und daß, wenn Interesse und Bedürfniß dazu treiben, nicht
selten Gebrauch davon gemacht wird, beweisen am besten die taret g.M buil-
clinZ soeietiW, welche bereits in den Fabrikdistricten 310 große Güter auf¬
gekauft und in 19,500 Parcellen unter den Arbeitern ausgethan haben. So
hat sich auch bei uns überall, wo der eigentliche Ackerbau die vorherrschende


in früherer Zeit, außer bei Gütern, die nicht zu vollem Eigenthum besessen
wurden, specielle Beschränkungen der Zertheilung mindestens in Preußen nicht
existirtey, im Gegentheil gesetzliche Verbote gegen die Zusammenziehung mehrer
bäuerlichen Besitzungen, insbesondere deren Zuschlagung zu Rittergütern. Von
größtem Belang ist aber hierbei der vom Verfasser auf das genaueste fest¬
gestellte Umstand: „daß seit Einführung der freien Verfügung über
den Grundbesitz, also der unbeschränkten Theilbarkeit, keines¬
wegs die Zahl der mittleren und größeren Güter in sämmtlichen
preußischen Landestheilen sich vermindert, sondern vielmehr
vermehrt habe, indem an die Stelle der in einzelne Parcellen ge¬
theilten größter» Besitzungen stets mehr dergleichen neue, durch
Vereinigung kleinerer Grundstücke in einer Hand gebildete ge¬
treten sind. Der beste Beweis, was von der von den Gegnern an die
Spitze gestellten Argumentation, daß die von ihnen angegriffene Freiheit am
Ende zur Auflösung des Grundes und Bodens in Staubtheiie führe, zu halten
ist. Ganz folgerichtig will daher der Versasser die Conservirung größerer Gü¬
ter, überhaupt die Gestaltung der einschlagenden Besitzverhältnisse, der Sitte
und dem Bedürfniß überlassen wissen, welche stets Hand in Hand mitein¬
ander gehen und nie aus die Dauer in Zwiespalt miteinander sein können.
Ohnehin hat der Grundbesitz, wie alle andern Arten des Vermögens, von
Natur weit eher die Tendenz, sich in einzelnen Händen anzuhäufen, als sich zu
zersplittern, indem seine Vermehrung und Festhaltung dem, der schon viel
davon hat, weit leichter füllt, als die erste Bildung eines irgend erwähnungs¬
werthen Complexes dem Anfänger, der sich erst herausarbeitet. Die Sache
liegt daher ganz in den Händen der Grundbesitzer selbst, die ihr Interesse da¬
bei, ohne alle Eingriffe der Gesetzgebung am füglichsten selbst wahrzunehmen
wissen werden, — wie uns das Beispiel Englands beweist, das die Gegen¬
partei bisher sehr gegen den wahren Thatbestand sür ihre Zwecke ausgebeutet
hat. Weder durch Fideicommisse noch Theilungsverbote sind hier die großen
Gutsbesitzer in der freien Verfügung über ihr Grundeigenthum beschränkt,
vielmehr ist es nur die allgemeine Sitte, welche dessen Uebertragung auf den
ältesten Sohn zur Regel macht, was dann in dem Erbrecht insofern seinen
Ausdruck gefunden hat, daß der Erstgeborne dem Vater, insofern dieser
nicht anders darüber bestimmt, was ihm vollkommen freisteht, im Gute
folgt. Natürlich steht dabei der Verkauf im Ganzen und Einzelnen dem Be¬
sitzer völlig frei, und daß, wenn Interesse und Bedürfniß dazu treiben, nicht
selten Gebrauch davon gemacht wird, beweisen am besten die taret g.M buil-
clinZ soeietiW, welche bereits in den Fabrikdistricten 310 große Güter auf¬
gekauft und in 19,500 Parcellen unter den Arbeitern ausgethan haben. So
hat sich auch bei uns überall, wo der eigentliche Ackerbau die vorherrschende


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[0050] in früherer Zeit, außer bei Gütern, die nicht zu vollem Eigenthum besessen wurden, specielle Beschränkungen der Zertheilung mindestens in Preußen nicht existirtey, im Gegentheil gesetzliche Verbote gegen die Zusammenziehung mehrer bäuerlichen Besitzungen, insbesondere deren Zuschlagung zu Rittergütern. Von größtem Belang ist aber hierbei der vom Verfasser auf das genaueste fest¬ gestellte Umstand: „daß seit Einführung der freien Verfügung über den Grundbesitz, also der unbeschränkten Theilbarkeit, keines¬ wegs die Zahl der mittleren und größeren Güter in sämmtlichen preußischen Landestheilen sich vermindert, sondern vielmehr vermehrt habe, indem an die Stelle der in einzelne Parcellen ge¬ theilten größter» Besitzungen stets mehr dergleichen neue, durch Vereinigung kleinerer Grundstücke in einer Hand gebildete ge¬ treten sind. Der beste Beweis, was von der von den Gegnern an die Spitze gestellten Argumentation, daß die von ihnen angegriffene Freiheit am Ende zur Auflösung des Grundes und Bodens in Staubtheiie führe, zu halten ist. Ganz folgerichtig will daher der Versasser die Conservirung größerer Gü¬ ter, überhaupt die Gestaltung der einschlagenden Besitzverhältnisse, der Sitte und dem Bedürfniß überlassen wissen, welche stets Hand in Hand mitein¬ ander gehen und nie aus die Dauer in Zwiespalt miteinander sein können. Ohnehin hat der Grundbesitz, wie alle andern Arten des Vermögens, von Natur weit eher die Tendenz, sich in einzelnen Händen anzuhäufen, als sich zu zersplittern, indem seine Vermehrung und Festhaltung dem, der schon viel davon hat, weit leichter füllt, als die erste Bildung eines irgend erwähnungs¬ werthen Complexes dem Anfänger, der sich erst herausarbeitet. Die Sache liegt daher ganz in den Händen der Grundbesitzer selbst, die ihr Interesse da¬ bei, ohne alle Eingriffe der Gesetzgebung am füglichsten selbst wahrzunehmen wissen werden, — wie uns das Beispiel Englands beweist, das die Gegen¬ partei bisher sehr gegen den wahren Thatbestand sür ihre Zwecke ausgebeutet hat. Weder durch Fideicommisse noch Theilungsverbote sind hier die großen Gutsbesitzer in der freien Verfügung über ihr Grundeigenthum beschränkt, vielmehr ist es nur die allgemeine Sitte, welche dessen Uebertragung auf den ältesten Sohn zur Regel macht, was dann in dem Erbrecht insofern seinen Ausdruck gefunden hat, daß der Erstgeborne dem Vater, insofern dieser nicht anders darüber bestimmt, was ihm vollkommen freisteht, im Gute folgt. Natürlich steht dabei der Verkauf im Ganzen und Einzelnen dem Be¬ sitzer völlig frei, und daß, wenn Interesse und Bedürfniß dazu treiben, nicht selten Gebrauch davon gemacht wird, beweisen am besten die taret g.M buil- clinZ soeietiW, welche bereits in den Fabrikdistricten 310 große Güter auf¬ gekauft und in 19,500 Parcellen unter den Arbeitern ausgethan haben. So hat sich auch bei uns überall, wo der eigentliche Ackerbau die vorherrschende

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/50>, abgerufen am 22.07.2024.