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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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Lorgnez zahlt ihm mit gleicher Münze heim:


"El Ritter Lez-Brc'iz vertrauet mir,

An welcher Hecke kamt Ihr zur Welt?

Der letzte meiner Knechte ist gut,

Daß er den Helm Euch schleudert vom Haupt."


Nun zieht Ritter Lez-Breiz das Schwert aus der Scheide, dringt auf den
Gegner ein, erschlägt Lorgnez nebst zwölfen seiner Knechte, dreizehn andere
fallen unter den Streichen des jungen Schildknappen und die übrigen er¬
greifen die Flucht.

So weit hat Vater K6ry allein gesungen, nun aber fällt der Chor wieder
ein, daß es weit durch die Nacht schallt:


Der hätte kein brctagnischcs Herz,

Der nicht gelacht mit Herz und mit Mund,

Als er den rothen Rasen gesehn,

Geröthet von dem Franzosenblut.

Und mitten darauf den Herrn Lez-Bre'iz.

Wie er sich an dem Anblick ergötzt.

Dies Lied ist gemacht für jedermann,

Daß jeder des Kampfes gedenken mag;

Und jeder Bretagner singe das Lied

Zu Ehren des wackern Herrn Lez-Brc'iz.


"Und nun, meine Freunde, ists genug für heute," sagt Vater K6ry, indem er
aufsteht und die Redet in ein Tuch wickelt. Gute Nacht miteinander; ich
hoffe, daß wir uns bald wieder einmal treffen." Man schüttelt ihm die Hand,
wobei ihm allerhand größere und kleinere Münzsorten zugeschoben werden,
die letzten Abschiedsgrüße werden ausgetauscht; dann lösen sich die Gruppen
und bald ist keine Christenseele mehr auf dem Anger zu sehen -- aber Feen
und Kobolde kommen in Nebelschleiern über die Haide gezogen und wärmen
sich an den verglimmenden Feuern.

November, der "schwarze Monat" ist gekommen; die Nächte sind lang,
die Tage düster. Bald tobt der Sturm und das Meer schlägt brüllend gegen
Strand und Klippen, bald wälzen sich Nebel über die Dünen, kriechen lang¬
sam über die Haide oder lagern sich am Waldessaum, bis sie aufsteigend sich
zu Wolken verdichten und ihren Inhalt in naßkalten Regenschauern aus¬
strömen. Dringt hier und da ein Sonnenstrahl durch die Wolken, so ists
doch nur ein matter Schimmer ohne Wärme und Freudigkeit, und wie traurig
ist das Land, das er bescheint: Die Felder sind leer; die Obstbäume stehen
mit zerzausten Zweigen, ein Bild des Jammers da; von der Glut des Sommers
versengt, sieht die Haide einer großen Brandstätte gleich; in den Mantel von
Ziegenscllen gehüllt, sitzt der Hüt fröstelnd am Feuer, während sich seine Thiere


Lorgnez zahlt ihm mit gleicher Münze heim:


„El Ritter Lez-Brc'iz vertrauet mir,

An welcher Hecke kamt Ihr zur Welt?

Der letzte meiner Knechte ist gut,

Daß er den Helm Euch schleudert vom Haupt."


Nun zieht Ritter Lez-Breiz das Schwert aus der Scheide, dringt auf den
Gegner ein, erschlägt Lorgnez nebst zwölfen seiner Knechte, dreizehn andere
fallen unter den Streichen des jungen Schildknappen und die übrigen er¬
greifen die Flucht.

So weit hat Vater K6ry allein gesungen, nun aber fällt der Chor wieder
ein, daß es weit durch die Nacht schallt:


Der hätte kein brctagnischcs Herz,

Der nicht gelacht mit Herz und mit Mund,

Als er den rothen Rasen gesehn,

Geröthet von dem Franzosenblut.

Und mitten darauf den Herrn Lez-Bre'iz.

Wie er sich an dem Anblick ergötzt.

Dies Lied ist gemacht für jedermann,

Daß jeder des Kampfes gedenken mag;

Und jeder Bretagner singe das Lied

Zu Ehren des wackern Herrn Lez-Brc'iz.


„Und nun, meine Freunde, ists genug für heute," sagt Vater K6ry, indem er
aufsteht und die Redet in ein Tuch wickelt. Gute Nacht miteinander; ich
hoffe, daß wir uns bald wieder einmal treffen." Man schüttelt ihm die Hand,
wobei ihm allerhand größere und kleinere Münzsorten zugeschoben werden,
die letzten Abschiedsgrüße werden ausgetauscht; dann lösen sich die Gruppen
und bald ist keine Christenseele mehr auf dem Anger zu sehen — aber Feen
und Kobolde kommen in Nebelschleiern über die Haide gezogen und wärmen
sich an den verglimmenden Feuern.

November, der „schwarze Monat" ist gekommen; die Nächte sind lang,
die Tage düster. Bald tobt der Sturm und das Meer schlägt brüllend gegen
Strand und Klippen, bald wälzen sich Nebel über die Dünen, kriechen lang¬
sam über die Haide oder lagern sich am Waldessaum, bis sie aufsteigend sich
zu Wolken verdichten und ihren Inhalt in naßkalten Regenschauern aus¬
strömen. Dringt hier und da ein Sonnenstrahl durch die Wolken, so ists
doch nur ein matter Schimmer ohne Wärme und Freudigkeit, und wie traurig
ist das Land, das er bescheint: Die Felder sind leer; die Obstbäume stehen
mit zerzausten Zweigen, ein Bild des Jammers da; von der Glut des Sommers
versengt, sieht die Haide einer großen Brandstätte gleich; in den Mantel von
Ziegenscllen gehüllt, sitzt der Hüt fröstelnd am Feuer, während sich seine Thiere


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/471>, abgerufen am 23.07.2024.