Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

allgemeine Zustimmung rechnen kann. Muß doch der Verfasser selbst zugeben,
daß bei mehrern Bildern seine Wünsche hinsichtlich der richtigern Benennung
derselben bereits im Hühnerfeder Kataloge erfüllt wurden. So wenig Hühner
bei diesen Werken sich gesträubt hat, die Ueberlieferung für die besser begrün¬
dete Erkenntniß hinzugeben, so wenig wird er auch bei andern Gelegenheiten
anstehen, Wnagens Vorschläge nach reiflicher Prüfung anzunehmen. Dadurch
wird der Werth seiner eignen Arbeit keineswegs verringert.

Hübner hatte vor einigen Jahren ein Gemälde mit dem Motto: "Macht
es besser" ausgestellt. Hier war dasselbe nicht an seinem Platze. Ein Kunst¬
werk gewinnt nicht viel dadurch, daß es ein andrer nicht besser machen kann.
Es führt den Maßstab seiner Werthschätzung in sich und erwirbt unsern Bei¬
fall nicht so sehr durch Vorzüge im Vergleich mit andern Werken, als durch
an und sür sich giltige Züge der Schönheit. Aus dem Titelblatte des Kata¬
loges hätte das Motto besser gepaßt. Die Forschung unsrer Tage hütet sich
mit gutem Grunde, ihre Resultate für abgeschlossen, ihr Ziel als erreicht und
vollendet zu erklären. Die Erkenntniß einen festen Schritt weiter geführt zu
haben, erscheint ihr Wünschenswerther, als die flüchtige Grenzbegehung einer
Wissenschaft auf die Gefahr hin, daß vielleicht schon der nächste Tag die.ge¬
zogenen Grenzen weiter absteckt. Von diesem Standpunkte betrachtet, verdient
Hübners Galeriekatalog großes Lob. Er ist zwar von dem Ideal eines
Kunstkatalogs noch weit entfernt, er kann sich auch nicht mit den raisonniren-
den Verzeichnissen der Louvre- oder der antwerpner Galerie messen. Wol
aber überragt er seine Vorgänger an Fülle der Nachrichten und Schärfe der
kunsthistorischen Bestimmungen, und ebenso hält er den Vergleich mit den
Verzeichnissen der übrigen deutschen Galerien aus. Man braucht blos das
officielle Verzeichniß der Münchner Pinakothek mit Hübners Arbeit zusammen¬
zuhalten, um sofort die Verdienstlichkeit der letzteren zu erkennen. Sie hält
sich frei von dem beschränkten Eigensinn, der alle Ueberlieferungen als un¬
antastbar verehrt, sie hat aber auch das andere Extrem, durch neue Hypothesen
zu glänzen, vermieden. Das sührt uns wieder auf Waagens Bemerkungen
zurück. Wir fanden den bittern Ton, die verletzte Empfindlichkeit derselben
durch den Inhalt des Hühnerfeder Buches nicht hervorgerufen und fragen noch
einmal nach ihrer Quelle. Wenn wir nicht sehr irren, so ist dieselbe nirgend
anders als in der Methode zu suchen, deren sich Waagen bei seinen kunsthisto¬
rischen Forschungen bedient. Waagen ist einer der größten und feinsten Bilder¬
kenner der.Gegenwart, mit einem virtuosen Stilgefühl begabt, das ihn in
den Stand setzt, nicht etwa aus den technischen Eigenschaften -- diese entziehen
sich in den meisten Fällen der entscheidenden Analyse --, sondern aus dem
gewissen unsagbaren Etwas, das die Kundgebungen jeder einzelnen Phantasie
anders färbt, den Meister eines Gemäldes zu erkennen oder richtiger gesagt


allgemeine Zustimmung rechnen kann. Muß doch der Verfasser selbst zugeben,
daß bei mehrern Bildern seine Wünsche hinsichtlich der richtigern Benennung
derselben bereits im Hühnerfeder Kataloge erfüllt wurden. So wenig Hühner
bei diesen Werken sich gesträubt hat, die Ueberlieferung für die besser begrün¬
dete Erkenntniß hinzugeben, so wenig wird er auch bei andern Gelegenheiten
anstehen, Wnagens Vorschläge nach reiflicher Prüfung anzunehmen. Dadurch
wird der Werth seiner eignen Arbeit keineswegs verringert.

Hübner hatte vor einigen Jahren ein Gemälde mit dem Motto: „Macht
es besser" ausgestellt. Hier war dasselbe nicht an seinem Platze. Ein Kunst¬
werk gewinnt nicht viel dadurch, daß es ein andrer nicht besser machen kann.
Es führt den Maßstab seiner Werthschätzung in sich und erwirbt unsern Bei¬
fall nicht so sehr durch Vorzüge im Vergleich mit andern Werken, als durch
an und sür sich giltige Züge der Schönheit. Aus dem Titelblatte des Kata¬
loges hätte das Motto besser gepaßt. Die Forschung unsrer Tage hütet sich
mit gutem Grunde, ihre Resultate für abgeschlossen, ihr Ziel als erreicht und
vollendet zu erklären. Die Erkenntniß einen festen Schritt weiter geführt zu
haben, erscheint ihr Wünschenswerther, als die flüchtige Grenzbegehung einer
Wissenschaft auf die Gefahr hin, daß vielleicht schon der nächste Tag die.ge¬
zogenen Grenzen weiter absteckt. Von diesem Standpunkte betrachtet, verdient
Hübners Galeriekatalog großes Lob. Er ist zwar von dem Ideal eines
Kunstkatalogs noch weit entfernt, er kann sich auch nicht mit den raisonniren-
den Verzeichnissen der Louvre- oder der antwerpner Galerie messen. Wol
aber überragt er seine Vorgänger an Fülle der Nachrichten und Schärfe der
kunsthistorischen Bestimmungen, und ebenso hält er den Vergleich mit den
Verzeichnissen der übrigen deutschen Galerien aus. Man braucht blos das
officielle Verzeichniß der Münchner Pinakothek mit Hübners Arbeit zusammen¬
zuhalten, um sofort die Verdienstlichkeit der letzteren zu erkennen. Sie hält
sich frei von dem beschränkten Eigensinn, der alle Ueberlieferungen als un¬
antastbar verehrt, sie hat aber auch das andere Extrem, durch neue Hypothesen
zu glänzen, vermieden. Das sührt uns wieder auf Waagens Bemerkungen
zurück. Wir fanden den bittern Ton, die verletzte Empfindlichkeit derselben
durch den Inhalt des Hühnerfeder Buches nicht hervorgerufen und fragen noch
einmal nach ihrer Quelle. Wenn wir nicht sehr irren, so ist dieselbe nirgend
anders als in der Methode zu suchen, deren sich Waagen bei seinen kunsthisto¬
rischen Forschungen bedient. Waagen ist einer der größten und feinsten Bilder¬
kenner der.Gegenwart, mit einem virtuosen Stilgefühl begabt, das ihn in
den Stand setzt, nicht etwa aus den technischen Eigenschaften — diese entziehen
sich in den meisten Fällen der entscheidenden Analyse —, sondern aus dem
gewissen unsagbaren Etwas, das die Kundgebungen jeder einzelnen Phantasie
anders färbt, den Meister eines Gemäldes zu erkennen oder richtiger gesagt


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0450" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/106261"/>
          <p xml:id="ID_1247" prev="#ID_1246"> allgemeine Zustimmung rechnen kann. Muß doch der Verfasser selbst zugeben,<lb/>
daß bei mehrern Bildern seine Wünsche hinsichtlich der richtigern Benennung<lb/>
derselben bereits im Hühnerfeder Kataloge erfüllt wurden. So wenig Hühner<lb/>
bei diesen Werken sich gesträubt hat, die Ueberlieferung für die besser begrün¬<lb/>
dete Erkenntniß hinzugeben, so wenig wird er auch bei andern Gelegenheiten<lb/>
anstehen, Wnagens Vorschläge nach reiflicher Prüfung anzunehmen. Dadurch<lb/>
wird der Werth seiner eignen Arbeit keineswegs verringert.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1248" next="#ID_1249"> Hübner hatte vor einigen Jahren ein Gemälde mit dem Motto: &#x201E;Macht<lb/>
es besser" ausgestellt. Hier war dasselbe nicht an seinem Platze. Ein Kunst¬<lb/>
werk gewinnt nicht viel dadurch, daß es ein andrer nicht besser machen kann.<lb/>
Es führt den Maßstab seiner Werthschätzung in sich und erwirbt unsern Bei¬<lb/>
fall nicht so sehr durch Vorzüge im Vergleich mit andern Werken, als durch<lb/>
an und sür sich giltige Züge der Schönheit. Aus dem Titelblatte des Kata¬<lb/>
loges hätte das Motto besser gepaßt. Die Forschung unsrer Tage hütet sich<lb/>
mit gutem Grunde, ihre Resultate für abgeschlossen, ihr Ziel als erreicht und<lb/>
vollendet zu erklären. Die Erkenntniß einen festen Schritt weiter geführt zu<lb/>
haben, erscheint ihr Wünschenswerther, als die flüchtige Grenzbegehung einer<lb/>
Wissenschaft auf die Gefahr hin, daß vielleicht schon der nächste Tag die.ge¬<lb/>
zogenen Grenzen weiter absteckt. Von diesem Standpunkte betrachtet, verdient<lb/>
Hübners Galeriekatalog großes Lob. Er ist zwar von dem Ideal eines<lb/>
Kunstkatalogs noch weit entfernt, er kann sich auch nicht mit den raisonniren-<lb/>
den Verzeichnissen der Louvre- oder der antwerpner Galerie messen. Wol<lb/>
aber überragt er seine Vorgänger an Fülle der Nachrichten und Schärfe der<lb/>
kunsthistorischen Bestimmungen, und ebenso hält er den Vergleich mit den<lb/>
Verzeichnissen der übrigen deutschen Galerien aus. Man braucht blos das<lb/>
officielle Verzeichniß der Münchner Pinakothek mit Hübners Arbeit zusammen¬<lb/>
zuhalten, um sofort die Verdienstlichkeit der letzteren zu erkennen. Sie hält<lb/>
sich frei von dem beschränkten Eigensinn, der alle Ueberlieferungen als un¬<lb/>
antastbar verehrt, sie hat aber auch das andere Extrem, durch neue Hypothesen<lb/>
zu glänzen, vermieden. Das sührt uns wieder auf Waagens Bemerkungen<lb/>
zurück. Wir fanden den bittern Ton, die verletzte Empfindlichkeit derselben<lb/>
durch den Inhalt des Hühnerfeder Buches nicht hervorgerufen und fragen noch<lb/>
einmal nach ihrer Quelle. Wenn wir nicht sehr irren, so ist dieselbe nirgend<lb/>
anders als in der Methode zu suchen, deren sich Waagen bei seinen kunsthisto¬<lb/>
rischen Forschungen bedient. Waagen ist einer der größten und feinsten Bilder¬<lb/>
kenner der.Gegenwart, mit einem virtuosen Stilgefühl begabt, das ihn in<lb/>
den Stand setzt, nicht etwa aus den technischen Eigenschaften &#x2014; diese entziehen<lb/>
sich in den meisten Fällen der entscheidenden Analyse &#x2014;, sondern aus dem<lb/>
gewissen unsagbaren Etwas, das die Kundgebungen jeder einzelnen Phantasie<lb/>
anders färbt, den Meister eines Gemäldes zu erkennen oder richtiger gesagt</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0450] allgemeine Zustimmung rechnen kann. Muß doch der Verfasser selbst zugeben, daß bei mehrern Bildern seine Wünsche hinsichtlich der richtigern Benennung derselben bereits im Hühnerfeder Kataloge erfüllt wurden. So wenig Hühner bei diesen Werken sich gesträubt hat, die Ueberlieferung für die besser begrün¬ dete Erkenntniß hinzugeben, so wenig wird er auch bei andern Gelegenheiten anstehen, Wnagens Vorschläge nach reiflicher Prüfung anzunehmen. Dadurch wird der Werth seiner eignen Arbeit keineswegs verringert. Hübner hatte vor einigen Jahren ein Gemälde mit dem Motto: „Macht es besser" ausgestellt. Hier war dasselbe nicht an seinem Platze. Ein Kunst¬ werk gewinnt nicht viel dadurch, daß es ein andrer nicht besser machen kann. Es führt den Maßstab seiner Werthschätzung in sich und erwirbt unsern Bei¬ fall nicht so sehr durch Vorzüge im Vergleich mit andern Werken, als durch an und sür sich giltige Züge der Schönheit. Aus dem Titelblatte des Kata¬ loges hätte das Motto besser gepaßt. Die Forschung unsrer Tage hütet sich mit gutem Grunde, ihre Resultate für abgeschlossen, ihr Ziel als erreicht und vollendet zu erklären. Die Erkenntniß einen festen Schritt weiter geführt zu haben, erscheint ihr Wünschenswerther, als die flüchtige Grenzbegehung einer Wissenschaft auf die Gefahr hin, daß vielleicht schon der nächste Tag die.ge¬ zogenen Grenzen weiter absteckt. Von diesem Standpunkte betrachtet, verdient Hübners Galeriekatalog großes Lob. Er ist zwar von dem Ideal eines Kunstkatalogs noch weit entfernt, er kann sich auch nicht mit den raisonniren- den Verzeichnissen der Louvre- oder der antwerpner Galerie messen. Wol aber überragt er seine Vorgänger an Fülle der Nachrichten und Schärfe der kunsthistorischen Bestimmungen, und ebenso hält er den Vergleich mit den Verzeichnissen der übrigen deutschen Galerien aus. Man braucht blos das officielle Verzeichniß der Münchner Pinakothek mit Hübners Arbeit zusammen¬ zuhalten, um sofort die Verdienstlichkeit der letzteren zu erkennen. Sie hält sich frei von dem beschränkten Eigensinn, der alle Ueberlieferungen als un¬ antastbar verehrt, sie hat aber auch das andere Extrem, durch neue Hypothesen zu glänzen, vermieden. Das sührt uns wieder auf Waagens Bemerkungen zurück. Wir fanden den bittern Ton, die verletzte Empfindlichkeit derselben durch den Inhalt des Hühnerfeder Buches nicht hervorgerufen und fragen noch einmal nach ihrer Quelle. Wenn wir nicht sehr irren, so ist dieselbe nirgend anders als in der Methode zu suchen, deren sich Waagen bei seinen kunsthisto¬ rischen Forschungen bedient. Waagen ist einer der größten und feinsten Bilder¬ kenner der.Gegenwart, mit einem virtuosen Stilgefühl begabt, das ihn in den Stand setzt, nicht etwa aus den technischen Eigenschaften — diese entziehen sich in den meisten Fällen der entscheidenden Analyse —, sondern aus dem gewissen unsagbaren Etwas, das die Kundgebungen jeder einzelnen Phantasie anders färbt, den Meister eines Gemäldes zu erkennen oder richtiger gesagt

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/450
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/450>, abgerufen am 22.07.2024.