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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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und Scheine einzuziehen, deren Schwankungen und Entwertungen dem Han¬
del Konstantinopels und der ganzen Levante ernstliche Gefahr bringen. Fragen wir,
welche Garantie die Pforte den Unterzeichnern dieser neuen Anleihe zu bieten hat.
Außer dem ägyptischen Tribut sehen wir zunächst den der Walachei, der Mol¬
dau und Serbiens, welche zusammen jährlich mehr als eine Million Franken
zahlen, und welchen man mit Bewilligung der Schutzmächte sehr wohl höhere
Summen auferlegen könnte. Sodann aber gibt es noch eine weit wichtigere
Garantie, welche die türkische Regierung bis jetzt zu verwenden Anstand ge¬
nommen hat: wir meinen den Ertrag der Zölle in Konstantinopel, die bei
weitem mehr ergeben, als die von Smyrna und ganz Syrien. Diese Zölle
fließen ebenso wol während des Kriegs als während des Friedens, sie sind
das Ergebniß des Handels der Länder am schwarzen Meer mit Europa und
Europas mit der ganzen Levante. Konstantinopel ist die Hauptstation und
das Centrum dieses großartigen Verkehrs. Es ist die große Niederlage für
Rumelien, Anatolien und Persien. Kein Zweifel, daß in naher Zukunft dieser
Verkehr und infolge dessen jene Zölle sich verdoppeln, ja verdreifachen werden,
wie das die natürliche Entwicklung des Handels während der letzten Jahre
beweist.

Will man ein Beispiel dieses beständigen Fortschritts? Das Ergeb¬
niß der Zölle des Reichs, welches nach dem Budget von 1856 kaum zwanzig
Millionen betrug, ist binnen zwei Jahren aus mehr als dreißig Millionen an¬
gewachsen. Um sich eine Vorstellung von der großen Wichtigkeit der Zölle in
Konstantinopel zu machen, reicht es hin, zu wissen, daß sie allein ungefähr
die Hälfte sämmtlicher Zollerträgnisse des ottomanischen Reichs ausmachen,
die durchschnittlich fünfzehn Millionen betragen. Man berechnete sie auf acht
Millionen bei der Vermehrung um zehn Millionen, die binnen zwei Jahren
erzielt wurde. So ist es leicht begreiflich, wie die Regierung sich bis jetzt
enthielt, sich dieser reichsten Quelle der Einkünfte der Türkei zu entäußern.

Dies würde denn für dieses Mal die materielle Garantie für die beab¬
sichtigte neue Anleihe sein. Weitere Garantien werden sich in den Erfolgen
der Verbesserungen, die der Haiti Humayun verspricht, und in der passende¬
ren Vertheilung der bis jetzt übel geregelten und nicht vollständig eingetrie¬
benen Steuern bieten -- vorausgesetzt, daß man in Konstantinopel Mit Ge¬
schick und Energie verfährt.

Wenn wir uns einen Begriff machen wollen von dem Ergebniß der finan¬
ziellen Reformen, die der Halt verspricht, so dürfen wir nur einen Blick auf
das türkische Budget von 1856 werfen. Dasselbe gibt folgende Uebersicht:


und Scheine einzuziehen, deren Schwankungen und Entwertungen dem Han¬
del Konstantinopels und der ganzen Levante ernstliche Gefahr bringen. Fragen wir,
welche Garantie die Pforte den Unterzeichnern dieser neuen Anleihe zu bieten hat.
Außer dem ägyptischen Tribut sehen wir zunächst den der Walachei, der Mol¬
dau und Serbiens, welche zusammen jährlich mehr als eine Million Franken
zahlen, und welchen man mit Bewilligung der Schutzmächte sehr wohl höhere
Summen auferlegen könnte. Sodann aber gibt es noch eine weit wichtigere
Garantie, welche die türkische Regierung bis jetzt zu verwenden Anstand ge¬
nommen hat: wir meinen den Ertrag der Zölle in Konstantinopel, die bei
weitem mehr ergeben, als die von Smyrna und ganz Syrien. Diese Zölle
fließen ebenso wol während des Kriegs als während des Friedens, sie sind
das Ergebniß des Handels der Länder am schwarzen Meer mit Europa und
Europas mit der ganzen Levante. Konstantinopel ist die Hauptstation und
das Centrum dieses großartigen Verkehrs. Es ist die große Niederlage für
Rumelien, Anatolien und Persien. Kein Zweifel, daß in naher Zukunft dieser
Verkehr und infolge dessen jene Zölle sich verdoppeln, ja verdreifachen werden,
wie das die natürliche Entwicklung des Handels während der letzten Jahre
beweist.

Will man ein Beispiel dieses beständigen Fortschritts? Das Ergeb¬
niß der Zölle des Reichs, welches nach dem Budget von 1856 kaum zwanzig
Millionen betrug, ist binnen zwei Jahren aus mehr als dreißig Millionen an¬
gewachsen. Um sich eine Vorstellung von der großen Wichtigkeit der Zölle in
Konstantinopel zu machen, reicht es hin, zu wissen, daß sie allein ungefähr
die Hälfte sämmtlicher Zollerträgnisse des ottomanischen Reichs ausmachen,
die durchschnittlich fünfzehn Millionen betragen. Man berechnete sie auf acht
Millionen bei der Vermehrung um zehn Millionen, die binnen zwei Jahren
erzielt wurde. So ist es leicht begreiflich, wie die Regierung sich bis jetzt
enthielt, sich dieser reichsten Quelle der Einkünfte der Türkei zu entäußern.

Dies würde denn für dieses Mal die materielle Garantie für die beab¬
sichtigte neue Anleihe sein. Weitere Garantien werden sich in den Erfolgen
der Verbesserungen, die der Haiti Humayun verspricht, und in der passende¬
ren Vertheilung der bis jetzt übel geregelten und nicht vollständig eingetrie¬
benen Steuern bieten — vorausgesetzt, daß man in Konstantinopel Mit Ge¬
schick und Energie verfährt.

Wenn wir uns einen Begriff machen wollen von dem Ergebniß der finan¬
ziellen Reformen, die der Halt verspricht, so dürfen wir nur einen Blick auf
das türkische Budget von 1856 werfen. Dasselbe gibt folgende Uebersicht:


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[0404] und Scheine einzuziehen, deren Schwankungen und Entwertungen dem Han¬ del Konstantinopels und der ganzen Levante ernstliche Gefahr bringen. Fragen wir, welche Garantie die Pforte den Unterzeichnern dieser neuen Anleihe zu bieten hat. Außer dem ägyptischen Tribut sehen wir zunächst den der Walachei, der Mol¬ dau und Serbiens, welche zusammen jährlich mehr als eine Million Franken zahlen, und welchen man mit Bewilligung der Schutzmächte sehr wohl höhere Summen auferlegen könnte. Sodann aber gibt es noch eine weit wichtigere Garantie, welche die türkische Regierung bis jetzt zu verwenden Anstand ge¬ nommen hat: wir meinen den Ertrag der Zölle in Konstantinopel, die bei weitem mehr ergeben, als die von Smyrna und ganz Syrien. Diese Zölle fließen ebenso wol während des Kriegs als während des Friedens, sie sind das Ergebniß des Handels der Länder am schwarzen Meer mit Europa und Europas mit der ganzen Levante. Konstantinopel ist die Hauptstation und das Centrum dieses großartigen Verkehrs. Es ist die große Niederlage für Rumelien, Anatolien und Persien. Kein Zweifel, daß in naher Zukunft dieser Verkehr und infolge dessen jene Zölle sich verdoppeln, ja verdreifachen werden, wie das die natürliche Entwicklung des Handels während der letzten Jahre beweist. Will man ein Beispiel dieses beständigen Fortschritts? Das Ergeb¬ niß der Zölle des Reichs, welches nach dem Budget von 1856 kaum zwanzig Millionen betrug, ist binnen zwei Jahren aus mehr als dreißig Millionen an¬ gewachsen. Um sich eine Vorstellung von der großen Wichtigkeit der Zölle in Konstantinopel zu machen, reicht es hin, zu wissen, daß sie allein ungefähr die Hälfte sämmtlicher Zollerträgnisse des ottomanischen Reichs ausmachen, die durchschnittlich fünfzehn Millionen betragen. Man berechnete sie auf acht Millionen bei der Vermehrung um zehn Millionen, die binnen zwei Jahren erzielt wurde. So ist es leicht begreiflich, wie die Regierung sich bis jetzt enthielt, sich dieser reichsten Quelle der Einkünfte der Türkei zu entäußern. Dies würde denn für dieses Mal die materielle Garantie für die beab¬ sichtigte neue Anleihe sein. Weitere Garantien werden sich in den Erfolgen der Verbesserungen, die der Haiti Humayun verspricht, und in der passende¬ ren Vertheilung der bis jetzt übel geregelten und nicht vollständig eingetrie¬ benen Steuern bieten — vorausgesetzt, daß man in Konstantinopel Mit Ge¬ schick und Energie verfährt. Wenn wir uns einen Begriff machen wollen von dem Ergebniß der finan¬ ziellen Reformen, die der Halt verspricht, so dürfen wir nur einen Blick auf das türkische Budget von 1856 werfen. Dasselbe gibt folgende Uebersicht:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/404>, abgerufen am 23.07.2024.