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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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in einer Beleuchtung wie ein halbdurchsichtiger Edelstein vor uns lag und
neben dem man durch einen Paß in einen ebenfalls mit einem prächtigen
Blauroth übergossenen Kessel hinabblickte. Vor uns. stieg die Straße an der
Flanke eines der Vorberge des Pentelison ziemlich steil bergan. Daneben
ging eine bewaldete Schlucht hinab. An deren oberm Ende wirbelten zwischen
den Wipfeln dunkelgrüner Bäume lichtblaue Rauchsäulen auf, die Zeichen der
Kochfeuer, an denen man den Festschmaus bereitete. Hinter den Bäumen birgt
sich ein Kloster mit einer kleinen Kapelle, über dem sich die Wege nach den
Marmorbrüchen des Pentelikon hinaufwinden. Wir ließen unsre Wagen vor
dem Kloster, warfen einen Blick durch die Baumwipfel, welche die lichte Ebne
darunter und den blauen Himmel über ihr wie ein dunkler Nahmen einfaßten,
und unternahmen dann, da noch wenige der Festtheilnehmer sich eingefunden
hatten, eine Tour nach den Brüchen, die etwa aus der halben Höhe des mit
niedrigen Bäumen, Stachelcichen, Pinien, Arbutus, auffallend großen Haide-
brautbüschen. Wachholder und Ginster bewachsenen Berges neben einer tiefen
Schlucht sich befinden und ziemlich ausgedehnt sind.

Als wir zurückkamen, war vor und hinter dem Kloster das Fest im vollen
Gange. Ueberall' war die Atmosphäre von dem Fettdampf der Lämmer er¬
füllt, die da und dort an langen Holzspießen gebraten wurden. An den
Zweigen der Bäume hingen fertige Braten, und daneben die Vließe, die sie
bekleidet. Auf dem Rasen saßen Männer und Frauen in langen bunten
Reihen auf Teppichen und schmausten. Andere standen in malerischen Gruppen
umher. Noch andere schickten sich an, dem Rufe von Trommel und Schalmei
zu folgen, die hier und da bereits zum Tanze lockten.

Wir gingen von Gruppe zu Gruppe. Es mochten gegen fünfhundert
Personen zugegen sein. Männer wie Frauen trugen das rothe Fez. das bei
jenen die bekannte blaue Seidenquastc hatte und doppelt so hoch als das
türkische war, während das der Weiber gewöhnlich eine Gold- oder Silber¬
troddel trug und überdies bei einigen ringsum mit türkischen, griechischen,
deutschen und selbst byzantinischen Gold- und Silbermünzen benäht war.
Aehnlich war der Hals geschmückt. Als Oberkleid trugen die Frauen eine
ärmellose Tunica von weißem, sehr starkem Wollenzeug, die auf dem Rücken,
auf der Brust, an den Säumen und vorzüglich in den Ecken mit schmalen
und breiten Borten meist von schwarzer, bisweilen aber auch von rother,
brauner und blauer Farbe kunstvoll besehe war. Das bei der Mehrzahl
sehr reiche Haar fiel über den Rücken herab in langen Zöpfen, deren Enden
in Mctallhülsen staken, weiche Aehnlichkeit mit unsern Stricknadelschciden
hatten. Ueber die Brust, die nur durch das Hemd bedeckt war. wurde das
Kleid durch Silberspangen zusammengehalten, das mit langen Aermeln ver¬
sehene, baumwollene Unterkleid war ebenfalls mit Bortenschmuck geziert.


in einer Beleuchtung wie ein halbdurchsichtiger Edelstein vor uns lag und
neben dem man durch einen Paß in einen ebenfalls mit einem prächtigen
Blauroth übergossenen Kessel hinabblickte. Vor uns. stieg die Straße an der
Flanke eines der Vorberge des Pentelison ziemlich steil bergan. Daneben
ging eine bewaldete Schlucht hinab. An deren oberm Ende wirbelten zwischen
den Wipfeln dunkelgrüner Bäume lichtblaue Rauchsäulen auf, die Zeichen der
Kochfeuer, an denen man den Festschmaus bereitete. Hinter den Bäumen birgt
sich ein Kloster mit einer kleinen Kapelle, über dem sich die Wege nach den
Marmorbrüchen des Pentelikon hinaufwinden. Wir ließen unsre Wagen vor
dem Kloster, warfen einen Blick durch die Baumwipfel, welche die lichte Ebne
darunter und den blauen Himmel über ihr wie ein dunkler Nahmen einfaßten,
und unternahmen dann, da noch wenige der Festtheilnehmer sich eingefunden
hatten, eine Tour nach den Brüchen, die etwa aus der halben Höhe des mit
niedrigen Bäumen, Stachelcichen, Pinien, Arbutus, auffallend großen Haide-
brautbüschen. Wachholder und Ginster bewachsenen Berges neben einer tiefen
Schlucht sich befinden und ziemlich ausgedehnt sind.

Als wir zurückkamen, war vor und hinter dem Kloster das Fest im vollen
Gange. Ueberall' war die Atmosphäre von dem Fettdampf der Lämmer er¬
füllt, die da und dort an langen Holzspießen gebraten wurden. An den
Zweigen der Bäume hingen fertige Braten, und daneben die Vließe, die sie
bekleidet. Auf dem Rasen saßen Männer und Frauen in langen bunten
Reihen auf Teppichen und schmausten. Andere standen in malerischen Gruppen
umher. Noch andere schickten sich an, dem Rufe von Trommel und Schalmei
zu folgen, die hier und da bereits zum Tanze lockten.

Wir gingen von Gruppe zu Gruppe. Es mochten gegen fünfhundert
Personen zugegen sein. Männer wie Frauen trugen das rothe Fez. das bei
jenen die bekannte blaue Seidenquastc hatte und doppelt so hoch als das
türkische war, während das der Weiber gewöhnlich eine Gold- oder Silber¬
troddel trug und überdies bei einigen ringsum mit türkischen, griechischen,
deutschen und selbst byzantinischen Gold- und Silbermünzen benäht war.
Aehnlich war der Hals geschmückt. Als Oberkleid trugen die Frauen eine
ärmellose Tunica von weißem, sehr starkem Wollenzeug, die auf dem Rücken,
auf der Brust, an den Säumen und vorzüglich in den Ecken mit schmalen
und breiten Borten meist von schwarzer, bisweilen aber auch von rother,
brauner und blauer Farbe kunstvoll besehe war. Das bei der Mehrzahl
sehr reiche Haar fiel über den Rücken herab in langen Zöpfen, deren Enden
in Mctallhülsen staken, weiche Aehnlichkeit mit unsern Stricknadelschciden
hatten. Ueber die Brust, die nur durch das Hemd bedeckt war. wurde das
Kleid durch Silberspangen zusammengehalten, das mit langen Aermeln ver¬
sehene, baumwollene Unterkleid war ebenfalls mit Bortenschmuck geziert.


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[0398] in einer Beleuchtung wie ein halbdurchsichtiger Edelstein vor uns lag und neben dem man durch einen Paß in einen ebenfalls mit einem prächtigen Blauroth übergossenen Kessel hinabblickte. Vor uns. stieg die Straße an der Flanke eines der Vorberge des Pentelison ziemlich steil bergan. Daneben ging eine bewaldete Schlucht hinab. An deren oberm Ende wirbelten zwischen den Wipfeln dunkelgrüner Bäume lichtblaue Rauchsäulen auf, die Zeichen der Kochfeuer, an denen man den Festschmaus bereitete. Hinter den Bäumen birgt sich ein Kloster mit einer kleinen Kapelle, über dem sich die Wege nach den Marmorbrüchen des Pentelikon hinaufwinden. Wir ließen unsre Wagen vor dem Kloster, warfen einen Blick durch die Baumwipfel, welche die lichte Ebne darunter und den blauen Himmel über ihr wie ein dunkler Nahmen einfaßten, und unternahmen dann, da noch wenige der Festtheilnehmer sich eingefunden hatten, eine Tour nach den Brüchen, die etwa aus der halben Höhe des mit niedrigen Bäumen, Stachelcichen, Pinien, Arbutus, auffallend großen Haide- brautbüschen. Wachholder und Ginster bewachsenen Berges neben einer tiefen Schlucht sich befinden und ziemlich ausgedehnt sind. Als wir zurückkamen, war vor und hinter dem Kloster das Fest im vollen Gange. Ueberall' war die Atmosphäre von dem Fettdampf der Lämmer er¬ füllt, die da und dort an langen Holzspießen gebraten wurden. An den Zweigen der Bäume hingen fertige Braten, und daneben die Vließe, die sie bekleidet. Auf dem Rasen saßen Männer und Frauen in langen bunten Reihen auf Teppichen und schmausten. Andere standen in malerischen Gruppen umher. Noch andere schickten sich an, dem Rufe von Trommel und Schalmei zu folgen, die hier und da bereits zum Tanze lockten. Wir gingen von Gruppe zu Gruppe. Es mochten gegen fünfhundert Personen zugegen sein. Männer wie Frauen trugen das rothe Fez. das bei jenen die bekannte blaue Seidenquastc hatte und doppelt so hoch als das türkische war, während das der Weiber gewöhnlich eine Gold- oder Silber¬ troddel trug und überdies bei einigen ringsum mit türkischen, griechischen, deutschen und selbst byzantinischen Gold- und Silbermünzen benäht war. Aehnlich war der Hals geschmückt. Als Oberkleid trugen die Frauen eine ärmellose Tunica von weißem, sehr starkem Wollenzeug, die auf dem Rücken, auf der Brust, an den Säumen und vorzüglich in den Ecken mit schmalen und breiten Borten meist von schwarzer, bisweilen aber auch von rother, brauner und blauer Farbe kunstvoll besehe war. Das bei der Mehrzahl sehr reiche Haar fiel über den Rücken herab in langen Zöpfen, deren Enden in Mctallhülsen staken, weiche Aehnlichkeit mit unsern Stricknadelschciden hatten. Ueber die Brust, die nur durch das Hemd bedeckt war. wurde das Kleid durch Silberspangen zusammengehalten, das mit langen Aermeln ver¬ sehene, baumwollene Unterkleid war ebenfalls mit Bortenschmuck geziert.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/398>, abgerufen am 22.07.2024.