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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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dir festiglich erwählet hast. So wollen wir nicht von dir weichen. Las? uns leben,
so wollen wir deinen Namen anrufen." Nach diesem Psalm theilte der
Redner die Festpredigt in Dank, Bitte und Gelübde. Bei dem Dank
gedachte er der Bedrängnisse, welche die jenaische Hochschule zu überstehen
gehabt, bei der Bitte ("Siehe drein und schilt, daß des Brennens und Reißens
ein Ende werde") der gegenwärtigen Anfeindungen. Ferner führte er bei
der Bitte ("schütze das Volk deiner Rechten") die Nothwendigkeit des gött¬
lichen Schutzes aus. "Dieser Schutz umfaßt für eine Anstalt, wie die unsrige,
so zu sagen für ein Volk, wie es auf ihr sein Wesen hat. vor allem Freiheit
des Lehrens und Lernens." Indem er serner den göttlichen Schutz für die
Stätte erflehte, worin der Weinstock (die Hochschule) gepflanzt sei, gedachte
er in anziehender Weise der Oertlichkeit, in welcher die jenaische Hochschule
sich bewegt. Den Schluß bildete das Gelübde: "So wollen wir nicht von
dir weichen. Laß uns leben, so wollen wir deinen Namen anrufen." "Nicht
von Gott weichen mit der Treue der Gesinnung und Ueberzeugung, welche
ihrem Wesen nach dieselbe bleibt, wohin er uns auch gestellt hat in seinem
Reiche. Hier ists zunächst das Reich der Wahrheit und der Wissenschaft,
welche in allen ihren Zweigen, insofern sie die Wahrheit sucht und ihr dient,
auch ihm dient, der die höchste Wahrheit ist. Neue Treue also in ihr und gegen sie
in dem Berufe, den er uns als Lehrenden oder Lernenden gegeben. Wir sollen,
wie es in jener alten Stiftungsurkunde heißt, zum Lobe des Allmächtigen graben
helfen den Brunnen des Lebens, daraus unversieglich geschöpft werden mag
tröstliche und heilsame Weisheit zur Erlösung von der für die Menschheit
verderblichen Blindheit und Unvernunft." Die Versammlung verließ die
Kirche, sichtbar gehoben von dem Zug kräftiger, inniger Pietät und männlicher
Selbstständigkeit, welcher durch diese Rede ging. Der Zug bewegte sich nach
dem Markte, wo unmittelbar die Enthüllungsfeier des Johann-Friedrich-Denk-
mals begann.

Man hatte auf dem Markt, dem Denkmal gegenüber, eine bedeckte Tri¬
bune errichtet für die fürstlichen Herrschaften und die auswärtigen Deputirten,
an beiden Häuserreihen seitwärts vom Denkmal offne Tribunen für Zuschauer.
Links von den fürstlichen Sitzen vor der Zuschauertribune stand die Redner¬
bühne, nur mäßig über den Boden erhöht. Die Einweihungsrede sprach
Staatsrath Seebeck, Curator der Universität Jena, nachdem der Festzug auf
dem Markt sich aufgestellt. Der Redner ist der eigentliche Gründer des Denk¬
mals. Ob die erste Anregung von ihm ausgegangen, weiß ich nicht. So viel
ist gewiß, der Gründer eines solchen Werkes verdient zu heißen, wer uner¬
müdlich sammelt, das Interesse erweckt, große Gaben herbeischafft und nimmer
ruht, bis das Unternehmen gesichert ist. In der Rede gedachte der Curator
dieser Thätigkeit des Comite, dessen Seele und Vorsitzender er war, mit keinem


dir festiglich erwählet hast. So wollen wir nicht von dir weichen. Las? uns leben,
so wollen wir deinen Namen anrufen." Nach diesem Psalm theilte der
Redner die Festpredigt in Dank, Bitte und Gelübde. Bei dem Dank
gedachte er der Bedrängnisse, welche die jenaische Hochschule zu überstehen
gehabt, bei der Bitte („Siehe drein und schilt, daß des Brennens und Reißens
ein Ende werde") der gegenwärtigen Anfeindungen. Ferner führte er bei
der Bitte („schütze das Volk deiner Rechten") die Nothwendigkeit des gött¬
lichen Schutzes aus. „Dieser Schutz umfaßt für eine Anstalt, wie die unsrige,
so zu sagen für ein Volk, wie es auf ihr sein Wesen hat. vor allem Freiheit
des Lehrens und Lernens." Indem er serner den göttlichen Schutz für die
Stätte erflehte, worin der Weinstock (die Hochschule) gepflanzt sei, gedachte
er in anziehender Weise der Oertlichkeit, in welcher die jenaische Hochschule
sich bewegt. Den Schluß bildete das Gelübde: „So wollen wir nicht von
dir weichen. Laß uns leben, so wollen wir deinen Namen anrufen." „Nicht
von Gott weichen mit der Treue der Gesinnung und Ueberzeugung, welche
ihrem Wesen nach dieselbe bleibt, wohin er uns auch gestellt hat in seinem
Reiche. Hier ists zunächst das Reich der Wahrheit und der Wissenschaft,
welche in allen ihren Zweigen, insofern sie die Wahrheit sucht und ihr dient,
auch ihm dient, der die höchste Wahrheit ist. Neue Treue also in ihr und gegen sie
in dem Berufe, den er uns als Lehrenden oder Lernenden gegeben. Wir sollen,
wie es in jener alten Stiftungsurkunde heißt, zum Lobe des Allmächtigen graben
helfen den Brunnen des Lebens, daraus unversieglich geschöpft werden mag
tröstliche und heilsame Weisheit zur Erlösung von der für die Menschheit
verderblichen Blindheit und Unvernunft." Die Versammlung verließ die
Kirche, sichtbar gehoben von dem Zug kräftiger, inniger Pietät und männlicher
Selbstständigkeit, welcher durch diese Rede ging. Der Zug bewegte sich nach
dem Markte, wo unmittelbar die Enthüllungsfeier des Johann-Friedrich-Denk-
mals begann.

Man hatte auf dem Markt, dem Denkmal gegenüber, eine bedeckte Tri¬
bune errichtet für die fürstlichen Herrschaften und die auswärtigen Deputirten,
an beiden Häuserreihen seitwärts vom Denkmal offne Tribunen für Zuschauer.
Links von den fürstlichen Sitzen vor der Zuschauertribune stand die Redner¬
bühne, nur mäßig über den Boden erhöht. Die Einweihungsrede sprach
Staatsrath Seebeck, Curator der Universität Jena, nachdem der Festzug auf
dem Markt sich aufgestellt. Der Redner ist der eigentliche Gründer des Denk¬
mals. Ob die erste Anregung von ihm ausgegangen, weiß ich nicht. So viel
ist gewiß, der Gründer eines solchen Werkes verdient zu heißen, wer uner¬
müdlich sammelt, das Interesse erweckt, große Gaben herbeischafft und nimmer
ruht, bis das Unternehmen gesichert ist. In der Rede gedachte der Curator
dieser Thätigkeit des Comite, dessen Seele und Vorsitzender er war, mit keinem


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[0384] dir festiglich erwählet hast. So wollen wir nicht von dir weichen. Las? uns leben, so wollen wir deinen Namen anrufen." Nach diesem Psalm theilte der Redner die Festpredigt in Dank, Bitte und Gelübde. Bei dem Dank gedachte er der Bedrängnisse, welche die jenaische Hochschule zu überstehen gehabt, bei der Bitte („Siehe drein und schilt, daß des Brennens und Reißens ein Ende werde") der gegenwärtigen Anfeindungen. Ferner führte er bei der Bitte („schütze das Volk deiner Rechten") die Nothwendigkeit des gött¬ lichen Schutzes aus. „Dieser Schutz umfaßt für eine Anstalt, wie die unsrige, so zu sagen für ein Volk, wie es auf ihr sein Wesen hat. vor allem Freiheit des Lehrens und Lernens." Indem er serner den göttlichen Schutz für die Stätte erflehte, worin der Weinstock (die Hochschule) gepflanzt sei, gedachte er in anziehender Weise der Oertlichkeit, in welcher die jenaische Hochschule sich bewegt. Den Schluß bildete das Gelübde: „So wollen wir nicht von dir weichen. Laß uns leben, so wollen wir deinen Namen anrufen." „Nicht von Gott weichen mit der Treue der Gesinnung und Ueberzeugung, welche ihrem Wesen nach dieselbe bleibt, wohin er uns auch gestellt hat in seinem Reiche. Hier ists zunächst das Reich der Wahrheit und der Wissenschaft, welche in allen ihren Zweigen, insofern sie die Wahrheit sucht und ihr dient, auch ihm dient, der die höchste Wahrheit ist. Neue Treue also in ihr und gegen sie in dem Berufe, den er uns als Lehrenden oder Lernenden gegeben. Wir sollen, wie es in jener alten Stiftungsurkunde heißt, zum Lobe des Allmächtigen graben helfen den Brunnen des Lebens, daraus unversieglich geschöpft werden mag tröstliche und heilsame Weisheit zur Erlösung von der für die Menschheit verderblichen Blindheit und Unvernunft." Die Versammlung verließ die Kirche, sichtbar gehoben von dem Zug kräftiger, inniger Pietät und männlicher Selbstständigkeit, welcher durch diese Rede ging. Der Zug bewegte sich nach dem Markte, wo unmittelbar die Enthüllungsfeier des Johann-Friedrich-Denk- mals begann. Man hatte auf dem Markt, dem Denkmal gegenüber, eine bedeckte Tri¬ bune errichtet für die fürstlichen Herrschaften und die auswärtigen Deputirten, an beiden Häuserreihen seitwärts vom Denkmal offne Tribunen für Zuschauer. Links von den fürstlichen Sitzen vor der Zuschauertribune stand die Redner¬ bühne, nur mäßig über den Boden erhöht. Die Einweihungsrede sprach Staatsrath Seebeck, Curator der Universität Jena, nachdem der Festzug auf dem Markt sich aufgestellt. Der Redner ist der eigentliche Gründer des Denk¬ mals. Ob die erste Anregung von ihm ausgegangen, weiß ich nicht. So viel ist gewiß, der Gründer eines solchen Werkes verdient zu heißen, wer uner¬ müdlich sammelt, das Interesse erweckt, große Gaben herbeischafft und nimmer ruht, bis das Unternehmen gesichert ist. In der Rede gedachte der Curator dieser Thätigkeit des Comite, dessen Seele und Vorsitzender er war, mit keinem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/384>, abgerufen am 23.07.2024.