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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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und den Ruhm der Anstalt bis zu nachtheiligen Grade ein rastloser Ver¬
breiter ihrer angeblichen "Vollkommenheiten". Ein womöglich strengerer, pe¬
dantischerer Begründer, Vollzieherund Handhaber der in damaliger Zeit ohne¬
hin noch härteren, als jetzt, bestandenen militärischen Aufsicht, Haus¬
ordnung und Disciplin als der, hierin Höchstselbst vom preußischen Militär
her tief eingelebte, unnachsichtige Herzog. Hierin und zwar in besonderer
Beziehung auf die Zopfzeit, in Frisur, Uniform, sogenannte "Proprets" auf
Schnallen, Knöpfe und auf das Auf- und Abmarschiren der Zöglinge von und
zu den Lehr- und Schlafsälen und auf die Beschränkung und Gängclung auch
der kleinsten Freiheitchen der Zöglinge, gewiß grade für die begabtesten der¬
selben ein wahrer Plagegeist, wodurch er der Akademie auch den Ruf der
"Jsolirung" und das übertriebene Prädicat einer "Sklavenplantagc" hat zu¬
ziehen helfen. Ungeachtet seiner ziemlich kirchlichen Religiosität doch in den
Ausbrüchen seines Unwillens und Zorns vielleicht über strafbare Zöglinge
manchmal bis zu beschimpfender Mißhandlung (Koch); gegen ihre Eltern in
Rache ausartend (evang. Deern und Fr. v. sah.); den Zöglingen stets un¬
begrenzte Dankbarkeit und unbedingte Ergebung eintrichternd und eindres-
sirend" :c.

Es mag dies hinreichen, ein Bild von der Sprachweise und Beurthei-
lungsgabe unsers Kritikers zu geben, zugleich aber auch unsere entschiedene
Ansicht zu begründen, daß derlei Verunstaltungen in unserer Zeit unmöglich
sein sollten. Das ist bei diesem Stoff und bei der unleugbaren Mühe, die
sich der Verfasser mit gründlicher Eruirung der so bedeutungsvollen Erscheinung
gegeben hat, doppelt zu beklagen. Ueber allem Besseren, das wir in einzel¬
nen Partien nicht verkennen dürfen, ist das Auge des Verfassers geblendet
von einer Manie, die ihn nie frei und unparteiisch urtheilen läßt: je höher
ihm der Herzog steht, desto mehr glaubt er den Intendanten erniedrigen zu
K- müssen.




Arndt über Stein.

Meine Wanderungen und Wandelungen mit dem N cichsfreiherrn
Heinrich Karl Friedrich von Stein, Von E. M. Arndt. Berlin,
Wcidmannsche Buchhandlung. 1858. --

Unter den Glücklichen, denen ein guter Stern auch im hohen Alter noch
geistig zu blühen verlieh, ist der alte Arndt einer der am meisten begünstigten.


und den Ruhm der Anstalt bis zu nachtheiligen Grade ein rastloser Ver¬
breiter ihrer angeblichen „Vollkommenheiten". Ein womöglich strengerer, pe¬
dantischerer Begründer, Vollzieherund Handhaber der in damaliger Zeit ohne¬
hin noch härteren, als jetzt, bestandenen militärischen Aufsicht, Haus¬
ordnung und Disciplin als der, hierin Höchstselbst vom preußischen Militär
her tief eingelebte, unnachsichtige Herzog. Hierin und zwar in besonderer
Beziehung auf die Zopfzeit, in Frisur, Uniform, sogenannte „Proprets" auf
Schnallen, Knöpfe und auf das Auf- und Abmarschiren der Zöglinge von und
zu den Lehr- und Schlafsälen und auf die Beschränkung und Gängclung auch
der kleinsten Freiheitchen der Zöglinge, gewiß grade für die begabtesten der¬
selben ein wahrer Plagegeist, wodurch er der Akademie auch den Ruf der
„Jsolirung" und das übertriebene Prädicat einer „Sklavenplantagc" hat zu¬
ziehen helfen. Ungeachtet seiner ziemlich kirchlichen Religiosität doch in den
Ausbrüchen seines Unwillens und Zorns vielleicht über strafbare Zöglinge
manchmal bis zu beschimpfender Mißhandlung (Koch); gegen ihre Eltern in
Rache ausartend (evang. Deern und Fr. v. sah.); den Zöglingen stets un¬
begrenzte Dankbarkeit und unbedingte Ergebung eintrichternd und eindres-
sirend" :c.

Es mag dies hinreichen, ein Bild von der Sprachweise und Beurthei-
lungsgabe unsers Kritikers zu geben, zugleich aber auch unsere entschiedene
Ansicht zu begründen, daß derlei Verunstaltungen in unserer Zeit unmöglich
sein sollten. Das ist bei diesem Stoff und bei der unleugbaren Mühe, die
sich der Verfasser mit gründlicher Eruirung der so bedeutungsvollen Erscheinung
gegeben hat, doppelt zu beklagen. Ueber allem Besseren, das wir in einzel¬
nen Partien nicht verkennen dürfen, ist das Auge des Verfassers geblendet
von einer Manie, die ihn nie frei und unparteiisch urtheilen läßt: je höher
ihm der Herzog steht, desto mehr glaubt er den Intendanten erniedrigen zu
K- müssen.




Arndt über Stein.

Meine Wanderungen und Wandelungen mit dem N cichsfreiherrn
Heinrich Karl Friedrich von Stein, Von E. M. Arndt. Berlin,
Wcidmannsche Buchhandlung. 1858. —

Unter den Glücklichen, denen ein guter Stern auch im hohen Alter noch
geistig zu blühen verlieh, ist der alte Arndt einer der am meisten begünstigten.


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[0344] und den Ruhm der Anstalt bis zu nachtheiligen Grade ein rastloser Ver¬ breiter ihrer angeblichen „Vollkommenheiten". Ein womöglich strengerer, pe¬ dantischerer Begründer, Vollzieherund Handhaber der in damaliger Zeit ohne¬ hin noch härteren, als jetzt, bestandenen militärischen Aufsicht, Haus¬ ordnung und Disciplin als der, hierin Höchstselbst vom preußischen Militär her tief eingelebte, unnachsichtige Herzog. Hierin und zwar in besonderer Beziehung auf die Zopfzeit, in Frisur, Uniform, sogenannte „Proprets" auf Schnallen, Knöpfe und auf das Auf- und Abmarschiren der Zöglinge von und zu den Lehr- und Schlafsälen und auf die Beschränkung und Gängclung auch der kleinsten Freiheitchen der Zöglinge, gewiß grade für die begabtesten der¬ selben ein wahrer Plagegeist, wodurch er der Akademie auch den Ruf der „Jsolirung" und das übertriebene Prädicat einer „Sklavenplantagc" hat zu¬ ziehen helfen. Ungeachtet seiner ziemlich kirchlichen Religiosität doch in den Ausbrüchen seines Unwillens und Zorns vielleicht über strafbare Zöglinge manchmal bis zu beschimpfender Mißhandlung (Koch); gegen ihre Eltern in Rache ausartend (evang. Deern und Fr. v. sah.); den Zöglingen stets un¬ begrenzte Dankbarkeit und unbedingte Ergebung eintrichternd und eindres- sirend" :c. Es mag dies hinreichen, ein Bild von der Sprachweise und Beurthei- lungsgabe unsers Kritikers zu geben, zugleich aber auch unsere entschiedene Ansicht zu begründen, daß derlei Verunstaltungen in unserer Zeit unmöglich sein sollten. Das ist bei diesem Stoff und bei der unleugbaren Mühe, die sich der Verfasser mit gründlicher Eruirung der so bedeutungsvollen Erscheinung gegeben hat, doppelt zu beklagen. Ueber allem Besseren, das wir in einzel¬ nen Partien nicht verkennen dürfen, ist das Auge des Verfassers geblendet von einer Manie, die ihn nie frei und unparteiisch urtheilen läßt: je höher ihm der Herzog steht, desto mehr glaubt er den Intendanten erniedrigen zu K- müssen. Arndt über Stein. Meine Wanderungen und Wandelungen mit dem N cichsfreiherrn Heinrich Karl Friedrich von Stein, Von E. M. Arndt. Berlin, Wcidmannsche Buchhandlung. 1858. — Unter den Glücklichen, denen ein guter Stern auch im hohen Alter noch geistig zu blühen verlieh, ist der alte Arndt einer der am meisten begünstigten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/344>, abgerufen am 22.07.2024.