Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.die polnische Regierung mit 2000 Ducaten einlöste und ihn auf diese Weise Mainz war damals der Schauplatz höchst verwickelter Parteiumtriebe. die polnische Regierung mit 2000 Ducaten einlöste und ihn auf diese Weise Mainz war damals der Schauplatz höchst verwickelter Parteiumtriebe. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0030" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105841"/> <p xml:id="ID_55" prev="#ID_54"> die polnische Regierung mit 2000 Ducaten einlöste und ihn auf diese Weise<lb/> befreite. Mit Freuden griff Forster zu und reiste Mitte August 1 787 zunächst<lb/> nach Göttingen ab. Dort mußte er freilich vernehmen, daß wegen des aus¬<lb/> brechenden Türkenkrieges jene Expedition aufgegeben sei, aber jene Summe<lb/> wurde ihm geschenkt, ihm außerdem auch noch eine Entschädigung gegeben, und<lb/> bereits im April 1788 verschaffte ihm sein alter Freund I. Müller die Stelle<lb/> eines Bibliothekars in Mainz. Ganz in der Manier dieses Freundes schreibt<lb/> er nach Gotha: bin ich nach Jahren geschickter, brauchbarer geworden als<lb/> jetzt, und bietet sich mir dann eine bequemere, angenehmere Lage dar, so<lb/> hindert mich nichts, sie anzunehmen. In Mainz fand er außer Müller den<lb/> Dichter des Ardinghello, der damals Vorleser des Kurfürsten war und eine<lb/> neue Bekanntschaft, die für ihn sehr folgenreich werden sollte, der junge säch¬<lb/> sische Lcgationssecretär Hu b er wurde ihm durch Müller zugeführt. Aus dieser<lb/> ersten Periode seines mainzer Aufenthalts schreibt sich das Fragment: „An<lb/> des Jahrhunderts Neige stehen wir; dies allgemeine Sehnen nach Aenderung<lb/> der gegenwärtigen Form, nach Abhilfe der so häusigen Mängel, dieses Suchen<lb/> hierhin und dorthin; dieses Auflehnen der Verminst gegen den politischen<lb/> Zwang; dieser Zwang der Vernunft, der das Gefühl beherrscht; diese Erziehungs¬<lb/> institute zur Bildung vernünftiger Maschinen; diese Commissionen des Glaubens<lb/> an Wunderkräfte außer dem Gebiete der Vernunft; dieser Kampf der Aufklärung<lb/> mit der Religion; diese allgemeine Gährung — verkündigt einen neuen Lehrer<lb/> und eine neue Lehre." —</p><lb/> <p xml:id="ID_56" next="#ID_57"> Mainz war damals der Schauplatz höchst verwickelter Parteiumtriebe.<lb/> Abgesehen von den Intriguen bei Hofe, die durch die Persönlichkeit des Kur¬<lb/> fürsten begünstigt wurden, trieben die Reste der aufgelösten Jesuiten und Illu-<lb/> minaten ihr Wesen und der Gegensatz wurde um so heftiger, je näher von<lb/> jenseit des Rheins das Unwetter kam. In religiöser Beziehung dachte der<lb/> Kurfürst grade so frivol wie ein Zeitgenosse Leo 10.. der Dichter des Ardin¬<lb/> ghello war sein Liebling, und wenn er der jesuitischen Partei, der er seine Er¬<lb/> hebung verdankte, schicklichkeitshalber einmal nachgab, so geschah es in den<lb/> möglichst nichtssagenden Formen, z. B. als er einmal Forster wegen anti¬<lb/> christlicher Aeußerungen durch Müller einen Verweis ertheilen ließ. Forster<lb/> hatte ein gutes Gehalt und sein Amt gab ihm hinlängliche Muße, seiner<lb/> schriftstellerischen Thätigkeit nachzugehn. Er setzte seinen Verkehr mit Jacobi<lb/> persönlich und schriftlich sehr lebhaft fort und begann nnter dessen Anleitung<lb/> jetzt auch philosophische Studien. Das Princip der Humanität, das er in<lb/> sich ausgebildet, war noch keineswegs ezclusiv. Als die berliner Jesuiten¬<lb/> riecher einen katholischen Bekehrer heftig angegriffen, trat er im Herbst 1789<lb/> im Einverständniß mit Jacobi und A. v. Humboldt, der ihn besuchte, im<lb/> Interesse der Toleranz für die Katholiken in die Schranken. Wie alle Welt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0030]
die polnische Regierung mit 2000 Ducaten einlöste und ihn auf diese Weise
befreite. Mit Freuden griff Forster zu und reiste Mitte August 1 787 zunächst
nach Göttingen ab. Dort mußte er freilich vernehmen, daß wegen des aus¬
brechenden Türkenkrieges jene Expedition aufgegeben sei, aber jene Summe
wurde ihm geschenkt, ihm außerdem auch noch eine Entschädigung gegeben, und
bereits im April 1788 verschaffte ihm sein alter Freund I. Müller die Stelle
eines Bibliothekars in Mainz. Ganz in der Manier dieses Freundes schreibt
er nach Gotha: bin ich nach Jahren geschickter, brauchbarer geworden als
jetzt, und bietet sich mir dann eine bequemere, angenehmere Lage dar, so
hindert mich nichts, sie anzunehmen. In Mainz fand er außer Müller den
Dichter des Ardinghello, der damals Vorleser des Kurfürsten war und eine
neue Bekanntschaft, die für ihn sehr folgenreich werden sollte, der junge säch¬
sische Lcgationssecretär Hu b er wurde ihm durch Müller zugeführt. Aus dieser
ersten Periode seines mainzer Aufenthalts schreibt sich das Fragment: „An
des Jahrhunderts Neige stehen wir; dies allgemeine Sehnen nach Aenderung
der gegenwärtigen Form, nach Abhilfe der so häusigen Mängel, dieses Suchen
hierhin und dorthin; dieses Auflehnen der Verminst gegen den politischen
Zwang; dieser Zwang der Vernunft, der das Gefühl beherrscht; diese Erziehungs¬
institute zur Bildung vernünftiger Maschinen; diese Commissionen des Glaubens
an Wunderkräfte außer dem Gebiete der Vernunft; dieser Kampf der Aufklärung
mit der Religion; diese allgemeine Gährung — verkündigt einen neuen Lehrer
und eine neue Lehre." —
Mainz war damals der Schauplatz höchst verwickelter Parteiumtriebe.
Abgesehen von den Intriguen bei Hofe, die durch die Persönlichkeit des Kur¬
fürsten begünstigt wurden, trieben die Reste der aufgelösten Jesuiten und Illu-
minaten ihr Wesen und der Gegensatz wurde um so heftiger, je näher von
jenseit des Rheins das Unwetter kam. In religiöser Beziehung dachte der
Kurfürst grade so frivol wie ein Zeitgenosse Leo 10.. der Dichter des Ardin¬
ghello war sein Liebling, und wenn er der jesuitischen Partei, der er seine Er¬
hebung verdankte, schicklichkeitshalber einmal nachgab, so geschah es in den
möglichst nichtssagenden Formen, z. B. als er einmal Forster wegen anti¬
christlicher Aeußerungen durch Müller einen Verweis ertheilen ließ. Forster
hatte ein gutes Gehalt und sein Amt gab ihm hinlängliche Muße, seiner
schriftstellerischen Thätigkeit nachzugehn. Er setzte seinen Verkehr mit Jacobi
persönlich und schriftlich sehr lebhaft fort und begann nnter dessen Anleitung
jetzt auch philosophische Studien. Das Princip der Humanität, das er in
sich ausgebildet, war noch keineswegs ezclusiv. Als die berliner Jesuiten¬
riecher einen katholischen Bekehrer heftig angegriffen, trat er im Herbst 1789
im Einverständniß mit Jacobi und A. v. Humboldt, der ihn besuchte, im
Interesse der Toleranz für die Katholiken in die Schranken. Wie alle Welt
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