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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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könig Hyrkanus und seinen Kindern und Gesandten durch ein förmliches Rescript.
August machte es von besondrer Erlaubniß abhängig, seit er bemerkte, daß
unter den so geehrten Gesandten sich einigemale auch Freigelassene befunden hatten.
Unter Nero kam einmal eine Gesandtschaft eines deutschen Stammes nach
Rom. Man führte sie ins Theater; da sie die Sprache nicht verstanden, sahen
sie sich unter den Zuschauern um und ließen sich die Plätze der Senatoren
der Ritter u. s. w. zeigen. Als sie nun in der Orchestra einige Personen in
ausländischer Tracht bemerkten, fragten sie, wer diese seien. Man antwortete
ihnen, dieser Ehrenplatz sei den Gesandten solcher Völker bewilligt, die sich
durch Tapferkeit und Freundschaft der Römer auszeichneten. Da riefen sie
aus, weder in Treue noch in Tapferkeit ständen die Deutschen irgend einem
Volke nach, stiegen sogleich herab und setzten sich unter die Senatoren. Diese
naive Aufregung eines berechtigten Ehrgefühls wurde beifällig aufgenommen.
Die fremdartigen Erscheinungen und Trachten dieser Ausländer müssen dem
Platz der Senatoren ein eigenthümlich interessantes Aussehen verliehen haben,
besonders wenn (wie bei den große Spielen Trajans) Gesandte aus den fernsten
Ländern (selbst aus Indien) zusammengekommen waren. Auch die verschiedenen
Magistrate und Priestercollegien hatten ihre bestimmten Ehrenplätze im Theater
und selbst für ihre amtliche Dienerschaft war in den obern Sitzreihen Raum
angewiesen. Hinter den Sitzen der Senatoren folgten zunächst die des Richter-
standcs, dann die übrigen, die Frauen hatten besondere Reihen im obern
Theile des Theaters und die niedrigste Classe die höchste. sowol die
Rücksicht aus das Fest als auch die Anwesenheit der kaiserlichen Personen er¬
forderte eine standesgemäße Kleidung aller Anwesenden. Die Toga, die
Staatstracht des römischen Bürgers, war unter August außer Gebrauch
gekommen: er hielt streng darauf, daß niemand ohne sie-ins Schauspiel ge¬
lassen würde und beauftragte die Aedilen, dafür zu sorgen. Tiber war noch
strenger in Aufrechterhaltung der Etikette, er duldete nicht, daß man im Theater,
auch bei der größten Hitze, unbeschuht erschien, was Caligula wieder erlaubte,
wie auch den Gebrauch von Sonnenschirmen, wenn heftiger Wind das Aus¬
spannen des Zeltdachs unmöglich machte.

Das Repertoire des römischen Theaters in der Kaiserzeit ist uns nur sehr
unvollkommen bekannt. Das Interesse sür Schauspiele wurde größtentheils
durch die aufregenden Wettrennen des Circus und die nervenerschütternden
Scenen der Arena absorbirt; neben diesen Schauspielen konnte die Bühne
für die große Masse nur eine sehr geringe Anziehungskraft behalten. Schon
Zu Ende der Republik gibt sich das Aufhören des dramatischen Interesses in
dem Ueberhandnehmen des Bühncnprunks kund. Bei den Spielen, die Pom-
pejus zur Einweihung seines Theates gab, zogen in der Clytümnestra des Accius
sechshundert Saumthiere über die Bühne, und das "trojanische Pferd" wurde


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könig Hyrkanus und seinen Kindern und Gesandten durch ein förmliches Rescript.
August machte es von besondrer Erlaubniß abhängig, seit er bemerkte, daß
unter den so geehrten Gesandten sich einigemale auch Freigelassene befunden hatten.
Unter Nero kam einmal eine Gesandtschaft eines deutschen Stammes nach
Rom. Man führte sie ins Theater; da sie die Sprache nicht verstanden, sahen
sie sich unter den Zuschauern um und ließen sich die Plätze der Senatoren
der Ritter u. s. w. zeigen. Als sie nun in der Orchestra einige Personen in
ausländischer Tracht bemerkten, fragten sie, wer diese seien. Man antwortete
ihnen, dieser Ehrenplatz sei den Gesandten solcher Völker bewilligt, die sich
durch Tapferkeit und Freundschaft der Römer auszeichneten. Da riefen sie
aus, weder in Treue noch in Tapferkeit ständen die Deutschen irgend einem
Volke nach, stiegen sogleich herab und setzten sich unter die Senatoren. Diese
naive Aufregung eines berechtigten Ehrgefühls wurde beifällig aufgenommen.
Die fremdartigen Erscheinungen und Trachten dieser Ausländer müssen dem
Platz der Senatoren ein eigenthümlich interessantes Aussehen verliehen haben,
besonders wenn (wie bei den große Spielen Trajans) Gesandte aus den fernsten
Ländern (selbst aus Indien) zusammengekommen waren. Auch die verschiedenen
Magistrate und Priestercollegien hatten ihre bestimmten Ehrenplätze im Theater
und selbst für ihre amtliche Dienerschaft war in den obern Sitzreihen Raum
angewiesen. Hinter den Sitzen der Senatoren folgten zunächst die des Richter-
standcs, dann die übrigen, die Frauen hatten besondere Reihen im obern
Theile des Theaters und die niedrigste Classe die höchste. sowol die
Rücksicht aus das Fest als auch die Anwesenheit der kaiserlichen Personen er¬
forderte eine standesgemäße Kleidung aller Anwesenden. Die Toga, die
Staatstracht des römischen Bürgers, war unter August außer Gebrauch
gekommen: er hielt streng darauf, daß niemand ohne sie-ins Schauspiel ge¬
lassen würde und beauftragte die Aedilen, dafür zu sorgen. Tiber war noch
strenger in Aufrechterhaltung der Etikette, er duldete nicht, daß man im Theater,
auch bei der größten Hitze, unbeschuht erschien, was Caligula wieder erlaubte,
wie auch den Gebrauch von Sonnenschirmen, wenn heftiger Wind das Aus¬
spannen des Zeltdachs unmöglich machte.

Das Repertoire des römischen Theaters in der Kaiserzeit ist uns nur sehr
unvollkommen bekannt. Das Interesse sür Schauspiele wurde größtentheils
durch die aufregenden Wettrennen des Circus und die nervenerschütternden
Scenen der Arena absorbirt; neben diesen Schauspielen konnte die Bühne
für die große Masse nur eine sehr geringe Anziehungskraft behalten. Schon
Zu Ende der Republik gibt sich das Aufhören des dramatischen Interesses in
dem Ueberhandnehmen des Bühncnprunks kund. Bei den Spielen, die Pom-
pejus zur Einweihung seines Theates gab, zogen in der Clytümnestra des Accius
sechshundert Saumthiere über die Bühne, und das „trojanische Pferd" wurde


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[0291] könig Hyrkanus und seinen Kindern und Gesandten durch ein förmliches Rescript. August machte es von besondrer Erlaubniß abhängig, seit er bemerkte, daß unter den so geehrten Gesandten sich einigemale auch Freigelassene befunden hatten. Unter Nero kam einmal eine Gesandtschaft eines deutschen Stammes nach Rom. Man führte sie ins Theater; da sie die Sprache nicht verstanden, sahen sie sich unter den Zuschauern um und ließen sich die Plätze der Senatoren der Ritter u. s. w. zeigen. Als sie nun in der Orchestra einige Personen in ausländischer Tracht bemerkten, fragten sie, wer diese seien. Man antwortete ihnen, dieser Ehrenplatz sei den Gesandten solcher Völker bewilligt, die sich durch Tapferkeit und Freundschaft der Römer auszeichneten. Da riefen sie aus, weder in Treue noch in Tapferkeit ständen die Deutschen irgend einem Volke nach, stiegen sogleich herab und setzten sich unter die Senatoren. Diese naive Aufregung eines berechtigten Ehrgefühls wurde beifällig aufgenommen. Die fremdartigen Erscheinungen und Trachten dieser Ausländer müssen dem Platz der Senatoren ein eigenthümlich interessantes Aussehen verliehen haben, besonders wenn (wie bei den große Spielen Trajans) Gesandte aus den fernsten Ländern (selbst aus Indien) zusammengekommen waren. Auch die verschiedenen Magistrate und Priestercollegien hatten ihre bestimmten Ehrenplätze im Theater und selbst für ihre amtliche Dienerschaft war in den obern Sitzreihen Raum angewiesen. Hinter den Sitzen der Senatoren folgten zunächst die des Richter- standcs, dann die übrigen, die Frauen hatten besondere Reihen im obern Theile des Theaters und die niedrigste Classe die höchste. sowol die Rücksicht aus das Fest als auch die Anwesenheit der kaiserlichen Personen er¬ forderte eine standesgemäße Kleidung aller Anwesenden. Die Toga, die Staatstracht des römischen Bürgers, war unter August außer Gebrauch gekommen: er hielt streng darauf, daß niemand ohne sie-ins Schauspiel ge¬ lassen würde und beauftragte die Aedilen, dafür zu sorgen. Tiber war noch strenger in Aufrechterhaltung der Etikette, er duldete nicht, daß man im Theater, auch bei der größten Hitze, unbeschuht erschien, was Caligula wieder erlaubte, wie auch den Gebrauch von Sonnenschirmen, wenn heftiger Wind das Aus¬ spannen des Zeltdachs unmöglich machte. Das Repertoire des römischen Theaters in der Kaiserzeit ist uns nur sehr unvollkommen bekannt. Das Interesse sür Schauspiele wurde größtentheils durch die aufregenden Wettrennen des Circus und die nervenerschütternden Scenen der Arena absorbirt; neben diesen Schauspielen konnte die Bühne für die große Masse nur eine sehr geringe Anziehungskraft behalten. Schon Zu Ende der Republik gibt sich das Aufhören des dramatischen Interesses in dem Ueberhandnehmen des Bühncnprunks kund. Bei den Spielen, die Pom- pejus zur Einweihung seines Theates gab, zogen in der Clytümnestra des Accius sechshundert Saumthiere über die Bühne, und das „trojanische Pferd" wurde 36*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/291>, abgerufen am 22.07.2024.