Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.natürlich sehr bald das Bedürfniß des Geldwechsels, und es gab deshalb natürlich sehr bald das Bedürfniß des Geldwechsels, und es gab deshalb <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0520" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105797"/> <p xml:id="ID_1354" prev="#ID_1353" next="#ID_1355"> natürlich sehr bald das Bedürfniß des Geldwechsels, und es gab deshalb<lb/> auf allen größeren Handelsplätzen Geldhändler. Das ursprünglichste Geschüft<lb/> derselben bestand darin, das fremde Geld oder rohes Gold und Silber gegen<lb/> Marktübliches Geld oder umgekehrt zu vertauschen; ja auch ohne den Verkehr<lb/> mit fremden Völkern würde dieser Handel durch die griechische Kleinstaaterei<lb/> dringend geboten gewesen sein. Der ihnen aus dem Agio zufließende Ge¬<lb/> winn war jedoch keineswegs der Haupttheil ihres Verdienstes. Man borgte<lb/> von ihnen auch Geld, und da das Maß der Zinsen gesetzlich nicht beschränkt<lb/> war, und selbst Zinseszins genommen werden konnte, (die Zinsen wurden<lb/> aber im Alterthume nur alljährlich zum Capital geschlagen), so bekamen die<lb/> athenischen Wechsler gewöhnlich 36 Procent und gaben auch auf Pfänder nur<lb/> gegen sehr hohe Zinsen Darlehne. Dennoch waren diese ausgeliehenen Ca¬<lb/> pitalien selten ihr Eigenthum. Viele reiche, vornehme Leute, die zu bequem<lb/> waren, sich mit der Verwaltung ihres Vermögens zu befassen, oder durch<lb/> Reisen oder andere Verhältnisse an der eigenen Kassenverwaltung behindert<lb/> wurden, pflegten den Wechslern im Vertrauen auf deren größere Geschüfts-<lb/> gewandtheit Capitalien gegen mäßige Zinsen zu übergeben. Wußten nun die<lb/> Bankiers gewiß, wie lange solche Summen bei ihnen stehen blieben, so<lb/> verborgten sie dieselben gegen hohe Zinsen an Dritte und betrieben so über¬<lb/> haupt ihr Hauptgeschäft mit fremdem Gelde. Ja, es kommt bei Demosthenes<lb/> der merkwürdige Fall in Frage, daß der Besitzer einer Wechselbank, die nicht<lb/> aus eigenem Handelscapital, sondern aus 15,000 Thlr. fremder Depositengelder<lb/> bestand, dieselbe an seinen Freigelassenen verpachtet hatte. Dieser übernahm<lb/> die Activa gegen einen jährlichen Zins von 3H00 Thlr., und machte also,<lb/> wenn es ihm glückte, mit 36 Procent zu verleihen, immer noch einen Gewinn von<lb/> 1800 Thlr. Die ursprünglichen Darleiher wiesen aber nun alle ihre Zah¬<lb/> lungen aus ihre Bankiers an, indem sie gewisse verabredete Zeichen, mei¬<lb/> stens Ringe, ihren Anweisungen beifügten oder die Personen namhaft machten,<lb/> welche die Identität der Ueberbringer darthun sollten. So sendet in einem<lb/> Lustspiele des Plautus der Gläubiger seinem Wechsler nebst seinem Siegelringe<lb/> einen Brief folgenden Inhalts: „Ich bitte dich inständig, daß du demjenigen,<lb/> welcher diese Zeilen überbringt, das Mädchen nebst Kleidung und Goldschmuck<lb/> übergibst; das Geschäft ist in deiner Gegenwart und unter deiner Vermittlung<lb/> abgeschlossen worden und du kennst ja die Abmachung: Do^ Geld zahlst du<lb/> dem Kuppler, dem Ueberbringer überlieferst du das Mädchen." In dieser<lb/> Vereinfachung der Zahlung liegt allerdings ohne Zweifel der Anfang zu unse¬<lb/> rem Wechselwesen; allein an den weiteren Schritt, an die Uebertragung der<lb/> Anweisung auf einen Dritten und Vierten, dachten weder Griechen noch<lb/> Römer. Etwas Anderes, als bloßes Deponiren und Anschreiben fand auch<lb/> bei den griechischen Staatsbanken nicht statt, welche hier und da z. B. in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0520]
natürlich sehr bald das Bedürfniß des Geldwechsels, und es gab deshalb
auf allen größeren Handelsplätzen Geldhändler. Das ursprünglichste Geschüft
derselben bestand darin, das fremde Geld oder rohes Gold und Silber gegen
Marktübliches Geld oder umgekehrt zu vertauschen; ja auch ohne den Verkehr
mit fremden Völkern würde dieser Handel durch die griechische Kleinstaaterei
dringend geboten gewesen sein. Der ihnen aus dem Agio zufließende Ge¬
winn war jedoch keineswegs der Haupttheil ihres Verdienstes. Man borgte
von ihnen auch Geld, und da das Maß der Zinsen gesetzlich nicht beschränkt
war, und selbst Zinseszins genommen werden konnte, (die Zinsen wurden
aber im Alterthume nur alljährlich zum Capital geschlagen), so bekamen die
athenischen Wechsler gewöhnlich 36 Procent und gaben auch auf Pfänder nur
gegen sehr hohe Zinsen Darlehne. Dennoch waren diese ausgeliehenen Ca¬
pitalien selten ihr Eigenthum. Viele reiche, vornehme Leute, die zu bequem
waren, sich mit der Verwaltung ihres Vermögens zu befassen, oder durch
Reisen oder andere Verhältnisse an der eigenen Kassenverwaltung behindert
wurden, pflegten den Wechslern im Vertrauen auf deren größere Geschüfts-
gewandtheit Capitalien gegen mäßige Zinsen zu übergeben. Wußten nun die
Bankiers gewiß, wie lange solche Summen bei ihnen stehen blieben, so
verborgten sie dieselben gegen hohe Zinsen an Dritte und betrieben so über¬
haupt ihr Hauptgeschäft mit fremdem Gelde. Ja, es kommt bei Demosthenes
der merkwürdige Fall in Frage, daß der Besitzer einer Wechselbank, die nicht
aus eigenem Handelscapital, sondern aus 15,000 Thlr. fremder Depositengelder
bestand, dieselbe an seinen Freigelassenen verpachtet hatte. Dieser übernahm
die Activa gegen einen jährlichen Zins von 3H00 Thlr., und machte also,
wenn es ihm glückte, mit 36 Procent zu verleihen, immer noch einen Gewinn von
1800 Thlr. Die ursprünglichen Darleiher wiesen aber nun alle ihre Zah¬
lungen aus ihre Bankiers an, indem sie gewisse verabredete Zeichen, mei¬
stens Ringe, ihren Anweisungen beifügten oder die Personen namhaft machten,
welche die Identität der Ueberbringer darthun sollten. So sendet in einem
Lustspiele des Plautus der Gläubiger seinem Wechsler nebst seinem Siegelringe
einen Brief folgenden Inhalts: „Ich bitte dich inständig, daß du demjenigen,
welcher diese Zeilen überbringt, das Mädchen nebst Kleidung und Goldschmuck
übergibst; das Geschäft ist in deiner Gegenwart und unter deiner Vermittlung
abgeschlossen worden und du kennst ja die Abmachung: Do^ Geld zahlst du
dem Kuppler, dem Ueberbringer überlieferst du das Mädchen." In dieser
Vereinfachung der Zahlung liegt allerdings ohne Zweifel der Anfang zu unse¬
rem Wechselwesen; allein an den weiteren Schritt, an die Uebertragung der
Anweisung auf einen Dritten und Vierten, dachten weder Griechen noch
Römer. Etwas Anderes, als bloßes Deponiren und Anschreiben fand auch
bei den griechischen Staatsbanken nicht statt, welche hier und da z. B. in
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