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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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beeilen. Einem Gerüchte zufolge sollen allerdings Anstalten getroffen sein,
um aus einzelnen fürstlichen Galerien und öffentlichen Sammlungen hervor¬
ragende Werke der neuern deutschen Kunst für die Münchner Ausstellung zu
entlehnen.. Bei vielen öffentlichen Sammlungen verbieten es aber die Statuten,
die Kunstwerke aus ihren' gewöhnlichen Räumen zu entfernen. Es werden
demnach alle Bemühungen vergeblich sein. Doch auch wenn, dies Hinderniß nicht
vorhanden wäre, so blieben dennoch die im Privatbesitz befindlichen Bilder,
weil sie die überwiegende Mehrzahl sind, die Hauptquelle für die Münchner
Ausstellung. So viel wir das Programm verstehen, haben die Privatbesitzer
nun zu warten, bis die einzelnen Künstler ihre Einwilligung geben, ihre im
Privatbesitz befindlichen Werke als würdige Kinder anerkennen und die Ein¬
sendung nach München selbstthätig vermitteln. Auf seine Gefahr hat sodann
der Privatbesitzer seinen Kunstschatz nach dem vielleicht weit entfernten Künstler¬
verein zu senden und ihn dem Schiedsgericht zur Prüfung vorzulegen. Denn
nur in diesem Falle werden ihm (§ 18) die Transportkosten vergütet. Wäre
auf solche Weise die Manchesterausstellung in das Werk gesetzt worden, sie
hätte gewiß nicht den Namen der art-trsasures - Lxüibition sich erobert.

So lange es sich um Werke lebender Künstler handelt, wird hoffentlich
immer ein Ausweg gefunden werden können, um die oben angedeuteten
Schwierigkeiten zu beseitigen. Wer sorgt aber für die Todten? Es sollen
ja auch die Werke "solcher Verstorbener in die Ausstellung aufgenommen
werden, welche den Entwicklungsgang der deutschen Kunst bezeichnen und
zwar soll dieser von dem Beginne der künstlerischen Thätigkeit der A. Car-
stens. Schick und Wächter an gerechnet werden."

Die Unternehmer der Ausstellung scheinen der Ueberzeugung zu leben,
daß die modernen Künstler hinreichende Muße zu gelehrten Studien besitzen
und ebenso tüchtig als Kunststatistiker wie groß als ausübende Künstler sind.
Sie überlassen den Localcomit6s die Sorge, die betreffenden Meisterwerke in
den Galerien und Privatsammlungen auszusuchen (K. 8). Unbeschadet unsrer
Ehrfurcht für den Künstlergenius bezweifeln wir die Befähigung der Local-
comit^s für diese ihnen gestellte Aufgabe. Bekanntlich kann man viel ge¬
nauer Geburth- und Sterbejahr ägyptischer Pharaonen, als die Alters¬
verhältnisse lebender Personen erforschen. In ähnlicher Art sind wir auch
ungleich besser über die Kunstthätigkeit der älteren Perioden als über jene
des uns unmittelbar vorangegangenen Geschlechtes unterrichtet. Es gibt
keinen Gebildeten, der nicht aus dem Gedächtnisse die Standorte der raphaeli-
schen Madonnen, der anziehendsten Rembrandts u. s. w. anzugeben wüßte.
Würden dagegen selbst Kunstgelehrte gefragt werden, wo die besten Land¬
schaften Kochs zu finden seien, wo man die von der W. K. F. so hoch ge¬
priesenen Werke aus dem Anfange des Jahrhunderts zu suchen habe u. s. w..


beeilen. Einem Gerüchte zufolge sollen allerdings Anstalten getroffen sein,
um aus einzelnen fürstlichen Galerien und öffentlichen Sammlungen hervor¬
ragende Werke der neuern deutschen Kunst für die Münchner Ausstellung zu
entlehnen.. Bei vielen öffentlichen Sammlungen verbieten es aber die Statuten,
die Kunstwerke aus ihren' gewöhnlichen Räumen zu entfernen. Es werden
demnach alle Bemühungen vergeblich sein. Doch auch wenn, dies Hinderniß nicht
vorhanden wäre, so blieben dennoch die im Privatbesitz befindlichen Bilder,
weil sie die überwiegende Mehrzahl sind, die Hauptquelle für die Münchner
Ausstellung. So viel wir das Programm verstehen, haben die Privatbesitzer
nun zu warten, bis die einzelnen Künstler ihre Einwilligung geben, ihre im
Privatbesitz befindlichen Werke als würdige Kinder anerkennen und die Ein¬
sendung nach München selbstthätig vermitteln. Auf seine Gefahr hat sodann
der Privatbesitzer seinen Kunstschatz nach dem vielleicht weit entfernten Künstler¬
verein zu senden und ihn dem Schiedsgericht zur Prüfung vorzulegen. Denn
nur in diesem Falle werden ihm (§ 18) die Transportkosten vergütet. Wäre
auf solche Weise die Manchesterausstellung in das Werk gesetzt worden, sie
hätte gewiß nicht den Namen der art-trsasures - Lxüibition sich erobert.

So lange es sich um Werke lebender Künstler handelt, wird hoffentlich
immer ein Ausweg gefunden werden können, um die oben angedeuteten
Schwierigkeiten zu beseitigen. Wer sorgt aber für die Todten? Es sollen
ja auch die Werke „solcher Verstorbener in die Ausstellung aufgenommen
werden, welche den Entwicklungsgang der deutschen Kunst bezeichnen und
zwar soll dieser von dem Beginne der künstlerischen Thätigkeit der A. Car-
stens. Schick und Wächter an gerechnet werden."

Die Unternehmer der Ausstellung scheinen der Ueberzeugung zu leben,
daß die modernen Künstler hinreichende Muße zu gelehrten Studien besitzen
und ebenso tüchtig als Kunststatistiker wie groß als ausübende Künstler sind.
Sie überlassen den Localcomit6s die Sorge, die betreffenden Meisterwerke in
den Galerien und Privatsammlungen auszusuchen (K. 8). Unbeschadet unsrer
Ehrfurcht für den Künstlergenius bezweifeln wir die Befähigung der Local-
comit^s für diese ihnen gestellte Aufgabe. Bekanntlich kann man viel ge¬
nauer Geburth- und Sterbejahr ägyptischer Pharaonen, als die Alters¬
verhältnisse lebender Personen erforschen. In ähnlicher Art sind wir auch
ungleich besser über die Kunstthätigkeit der älteren Perioden als über jene
des uns unmittelbar vorangegangenen Geschlechtes unterrichtet. Es gibt
keinen Gebildeten, der nicht aus dem Gedächtnisse die Standorte der raphaeli-
schen Madonnen, der anziehendsten Rembrandts u. s. w. anzugeben wüßte.
Würden dagegen selbst Kunstgelehrte gefragt werden, wo die besten Land¬
schaften Kochs zu finden seien, wo man die von der W. K. F. so hoch ge¬
priesenen Werke aus dem Anfange des Jahrhunderts zu suchen habe u. s. w..


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/510>, abgerufen am 27.07.2024.