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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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von Familiarität, ungezwungen eine Unterhaltung anzuknüpfen und abzu¬
brechen weiß, und jedem Gedanken eine feine Form gibt. Der wahre Salon
muß eine kleine Republik sein, wo die einzige Gleichheit herrscht, die auf
Erden keine Chimäre ist, die Gleichheit der Intelligenz, des Wissens und der
Bildung, eine Republik, in der niemand aufgenommen wird, der nicht werth
wäre, sich mit den Ersten und Besten zu verbinden, und wo nnr ein Souverän
-- der Geist -- anerkannt wird. Der Glanz der Gemächer thut nichts zur
Sache, im Gegentheil aller ideenloser Luxus stört, ein gewisser Comfort ist
allein für den Salon erforderlich, und je seiner und sinniger derselbe ist, je mehr
das Innere des Zimmers kunstli>-heute und gebildete Inwohner zeigt, desto
rascher werden sich die Gäste in demselben heimisch fühlen, wir haben Salons
gekannt, wo man in zwei kleinen Zimmern des Zwischenstockes die ersten
Namen jener Republik des Geistes vereinigt finden konnte.

Paris ist, -- das wird niemand leugnen tonnen, die Heimath und
Vaterstadt der Salons, die pariser Salons allein haben eine Geschichte, die
mit den, Hotel Rambouillet beginnt und noch fortgeht, freilich jetzt stark bergab
zu gehen scheint. Diesen Salons, den Leuten, welche sie gebildet, den Werken,
welche sie angeregt, verdankt Frankreich zum großen Theil seinen Einfluß auf
die europäische Civilisation, denn hier bildete sich jener feine weltmännische
Ton, der im achtzehnten Jahrhundert das Ideal der hohem Stande aller
Länder ward. Daß wir diesem Einfluß, wie er namentlich auf Deutschland
gewirkt und dessen nationale Bildung hemmte, nicht an sich das Wort reden
wollen, braucht kaum bemerlt zu werden. Es liegt auf der Hand, daß, wenn
man vor allem geistreiche Wendungen und epigrammatische Spitzen sucht, die
eingehende Tiefe der Betrachtung leicht vernachlässigt wird, daß, wenn man
folgenschwere Erscheinungen in einem spielenden Witzwort zu bändigen sucht,
damit nicht immer tue Losung des Problems gefördert wird; aber doch wird
niemand, der feinere Geistesbildung zu schätzen weiß, sich dem Zauber eines
wahren pariser Salons entziehen. Was in der That kann volltonunner sein
als die Weise, wie eine ausgezeichnete französische Dame ihre Gäste empfängt?
Für jeden hat sie ein verbindliches Wort, indem sie jenen begrüßt stellt sie
diesen vor, ein Wort genügt, um auf gleiche Interessen, gemeinsame Bekannt¬
schaften hinzuweisen, Erinnerungen zu erwecken; ihr Theetisch, dem sie präsidire,
bleibt der Mittelpunkt, an dem ein Gast nach dem andern sich ablöst, an
verschiedenen Punkten des Gemaches bilden sich Grv.pplm um andere Damen,
jede Sonne hat ihre Trabanten. Auf den Kamin gelehnt entwickelt dort ein
Maler seine Ansicht über die moderne Kunst. hier bespricht ein Dichter leise
den Erfolg seines soeben beendeten Dramas, auf jener kleinen Ottomane
beräth sich ein junger ehrgeiziger Politiker mit seiner Beschützerin, was am
besten für seine Carriere zu.thun sei, diese Dame läßt sich von verschiedenen


von Familiarität, ungezwungen eine Unterhaltung anzuknüpfen und abzu¬
brechen weiß, und jedem Gedanken eine feine Form gibt. Der wahre Salon
muß eine kleine Republik sein, wo die einzige Gleichheit herrscht, die auf
Erden keine Chimäre ist, die Gleichheit der Intelligenz, des Wissens und der
Bildung, eine Republik, in der niemand aufgenommen wird, der nicht werth
wäre, sich mit den Ersten und Besten zu verbinden, und wo nnr ein Souverän
— der Geist — anerkannt wird. Der Glanz der Gemächer thut nichts zur
Sache, im Gegentheil aller ideenloser Luxus stört, ein gewisser Comfort ist
allein für den Salon erforderlich, und je seiner und sinniger derselbe ist, je mehr
das Innere des Zimmers kunstli>-heute und gebildete Inwohner zeigt, desto
rascher werden sich die Gäste in demselben heimisch fühlen, wir haben Salons
gekannt, wo man in zwei kleinen Zimmern des Zwischenstockes die ersten
Namen jener Republik des Geistes vereinigt finden konnte.

Paris ist, — das wird niemand leugnen tonnen, die Heimath und
Vaterstadt der Salons, die pariser Salons allein haben eine Geschichte, die
mit den, Hotel Rambouillet beginnt und noch fortgeht, freilich jetzt stark bergab
zu gehen scheint. Diesen Salons, den Leuten, welche sie gebildet, den Werken,
welche sie angeregt, verdankt Frankreich zum großen Theil seinen Einfluß auf
die europäische Civilisation, denn hier bildete sich jener feine weltmännische
Ton, der im achtzehnten Jahrhundert das Ideal der hohem Stande aller
Länder ward. Daß wir diesem Einfluß, wie er namentlich auf Deutschland
gewirkt und dessen nationale Bildung hemmte, nicht an sich das Wort reden
wollen, braucht kaum bemerlt zu werden. Es liegt auf der Hand, daß, wenn
man vor allem geistreiche Wendungen und epigrammatische Spitzen sucht, die
eingehende Tiefe der Betrachtung leicht vernachlässigt wird, daß, wenn man
folgenschwere Erscheinungen in einem spielenden Witzwort zu bändigen sucht,
damit nicht immer tue Losung des Problems gefördert wird; aber doch wird
niemand, der feinere Geistesbildung zu schätzen weiß, sich dem Zauber eines
wahren pariser Salons entziehen. Was in der That kann volltonunner sein
als die Weise, wie eine ausgezeichnete französische Dame ihre Gäste empfängt?
Für jeden hat sie ein verbindliches Wort, indem sie jenen begrüßt stellt sie
diesen vor, ein Wort genügt, um auf gleiche Interessen, gemeinsame Bekannt¬
schaften hinzuweisen, Erinnerungen zu erwecken; ihr Theetisch, dem sie präsidire,
bleibt der Mittelpunkt, an dem ein Gast nach dem andern sich ablöst, an
verschiedenen Punkten des Gemaches bilden sich Grv.pplm um andere Damen,
jede Sonne hat ihre Trabanten. Auf den Kamin gelehnt entwickelt dort ein
Maler seine Ansicht über die moderne Kunst. hier bespricht ein Dichter leise
den Erfolg seines soeben beendeten Dramas, auf jener kleinen Ottomane
beräth sich ein junger ehrgeiziger Politiker mit seiner Beschützerin, was am
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[0456] von Familiarität, ungezwungen eine Unterhaltung anzuknüpfen und abzu¬ brechen weiß, und jedem Gedanken eine feine Form gibt. Der wahre Salon muß eine kleine Republik sein, wo die einzige Gleichheit herrscht, die auf Erden keine Chimäre ist, die Gleichheit der Intelligenz, des Wissens und der Bildung, eine Republik, in der niemand aufgenommen wird, der nicht werth wäre, sich mit den Ersten und Besten zu verbinden, und wo nnr ein Souverän — der Geist — anerkannt wird. Der Glanz der Gemächer thut nichts zur Sache, im Gegentheil aller ideenloser Luxus stört, ein gewisser Comfort ist allein für den Salon erforderlich, und je seiner und sinniger derselbe ist, je mehr das Innere des Zimmers kunstli>-heute und gebildete Inwohner zeigt, desto rascher werden sich die Gäste in demselben heimisch fühlen, wir haben Salons gekannt, wo man in zwei kleinen Zimmern des Zwischenstockes die ersten Namen jener Republik des Geistes vereinigt finden konnte. Paris ist, — das wird niemand leugnen tonnen, die Heimath und Vaterstadt der Salons, die pariser Salons allein haben eine Geschichte, die mit den, Hotel Rambouillet beginnt und noch fortgeht, freilich jetzt stark bergab zu gehen scheint. Diesen Salons, den Leuten, welche sie gebildet, den Werken, welche sie angeregt, verdankt Frankreich zum großen Theil seinen Einfluß auf die europäische Civilisation, denn hier bildete sich jener feine weltmännische Ton, der im achtzehnten Jahrhundert das Ideal der hohem Stande aller Länder ward. Daß wir diesem Einfluß, wie er namentlich auf Deutschland gewirkt und dessen nationale Bildung hemmte, nicht an sich das Wort reden wollen, braucht kaum bemerlt zu werden. Es liegt auf der Hand, daß, wenn man vor allem geistreiche Wendungen und epigrammatische Spitzen sucht, die eingehende Tiefe der Betrachtung leicht vernachlässigt wird, daß, wenn man folgenschwere Erscheinungen in einem spielenden Witzwort zu bändigen sucht, damit nicht immer tue Losung des Problems gefördert wird; aber doch wird niemand, der feinere Geistesbildung zu schätzen weiß, sich dem Zauber eines wahren pariser Salons entziehen. Was in der That kann volltonunner sein als die Weise, wie eine ausgezeichnete französische Dame ihre Gäste empfängt? Für jeden hat sie ein verbindliches Wort, indem sie jenen begrüßt stellt sie diesen vor, ein Wort genügt, um auf gleiche Interessen, gemeinsame Bekannt¬ schaften hinzuweisen, Erinnerungen zu erwecken; ihr Theetisch, dem sie präsidire, bleibt der Mittelpunkt, an dem ein Gast nach dem andern sich ablöst, an verschiedenen Punkten des Gemaches bilden sich Grv.pplm um andere Damen, jede Sonne hat ihre Trabanten. Auf den Kamin gelehnt entwickelt dort ein Maler seine Ansicht über die moderne Kunst. hier bespricht ein Dichter leise den Erfolg seines soeben beendeten Dramas, auf jener kleinen Ottomane beräth sich ein junger ehrgeiziger Politiker mit seiner Beschützerin, was am besten für seine Carriere zu.thun sei, diese Dame läßt sich von verschiedenen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/456>, abgerufen am 22.12.2024.