Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.die Gewalt des Bundestags von 1815--1818. Durch die neue Verfassung Bei der Stimmung unserer Tage stehen die materiellen Interessen 56 *
die Gewalt des Bundestags von 1815—1818. Durch die neue Verfassung Bei der Stimmung unserer Tage stehen die materiellen Interessen 56 *
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0451" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105728"/> <p xml:id="ID_1178" prev="#ID_1177"> die Gewalt des Bundestags von 1815—1818. Durch die neue Verfassung<lb/> ist wenigstens der Landfriede gewahrt und Ereignisse wie die von >7 10, 1750,<lb/> I7'»5. 1805 und 180l> aus den Grenzen der Wahrscheinlichkeit gerückt. Es<lb/> ist durch sie keine absolute Sicherheit gegeben, wie die Ereignisse von 1818<lb/> bis 1850 beweisen, aber die Sicherheit hat sich wenigstens vermehrt. Das<lb/> ist ein unbestreitbarer Gewinn, und es ist nicht unsere Absicht, ihn zu gering '<lb/> anzuschlagen, wenn wir auf die ebenso augenscheinlichen Mängel dieser Per¬<lb/> fassung aufmerksam machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1179" next="#ID_1180"> Bei der Stimmung unserer Tage stehen die materiellen Interessen<lb/> voran. Für diese zu sorgen ist der Bundestag uicht im Stande. Was in<lb/> Bezug auf die Eisenbahnen, Aufhebung der Zölle, das Mmizsystem n. f. w,<lb/> geschehen ist, ist aus freien Verträgen der einzelnen Staaten hervorgegangen.<lb/> Für diejenigen, welche sich gegen die Ccntralisarion überhaupt auflehnen, mag<lb/> das als ein Bortheil erscheinen, nur soll man nicht vergessen, daß in den<lb/> einzelnen deutschen Staaten die büreaukratische Centralisation so weit getrieben<lb/> ist. als irgendwo. Man darf nur einen Blick ans unser Eisenbahnnetz werfen,<lb/> um zu begreifen, daß nicht natürliche, sondern künstliche Interessen den Aus-<lb/> schlag gegeben haben. — Der allgemeine Rechtsschutz, eine der Hauptaufgaben<lb/> des deutschen Bundes, kann von demselben nnr auf einseitige Weife gewähr¬<lb/> leistet werden. Der Bundestag ist in den letzten Jahren mehrfach einge<lb/> schritten, wo es galt, die Rechte der ehemals Neichsunmittelbaren gegen die<lb/> Eingriffe der neuen Verfassungen zu wahren' freilich wol nur in solchen Fällen,<lb/> wo er die verklagten Fürsten mit den Klägern einverstanden wußte. Er ist<lb/> aber nieuials eingeschritten, wo es galt, die Rechte der Unterthanen gegen<lb/> die Regierungsgewalt zu schützen. Er ist nicht eingeschritten, weil er es seinem<lb/> Wesen nach nicht konnte. — Vielleicht das Schlimmste aber ist, daß er wenig<lb/> Mittel' Hot. den großen Sinn, den Aufschwung, den Enthusiasmus der Nation<lb/> zu vertreten. Ihm entgeht dadurch das Hauptmittel der Regierungen, sich<lb/> populär zu machen. Die Popularität der Regierungen liegt keineswegs in<lb/> ihrem liberalen Verhaltens auch despotische Regierungen können populär,<lb/> liberale Regierungen können unpopulär sein. Die Iulimoneirchie war ebenso<lb/> entschieden unpopulär, wie die russische Negierung populär ist. In letzterer<lb/> sieht jeder Russe, auch der ärmste, den mächtigen Vertreter seiner Nation, sei¬<lb/> nes Glaubens. Wie wenig geeignet die deutsche Bundesverfassung ist. dem<lb/> deutschen Nativnalwillen einen kräftigen Ausdruck zu geben, haben bald nach<lb/> der traurigen Versteigerung der deutsche» Flotte die orientalischen Angelegen¬<lb/> heiten gezeigt. Nun gibt es zwar eine Ltaatsweisheit, welche es als einen<lb/> Gewinn für die europäische Eultur bezeichnet, daß Deutschland durch seine<lb/> Verfassung zu einem neutralisirteu Land in der Art der Schweiz gemacht rst.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 56 *</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0451]
die Gewalt des Bundestags von 1815—1818. Durch die neue Verfassung
ist wenigstens der Landfriede gewahrt und Ereignisse wie die von >7 10, 1750,
I7'»5. 1805 und 180l> aus den Grenzen der Wahrscheinlichkeit gerückt. Es
ist durch sie keine absolute Sicherheit gegeben, wie die Ereignisse von 1818
bis 1850 beweisen, aber die Sicherheit hat sich wenigstens vermehrt. Das
ist ein unbestreitbarer Gewinn, und es ist nicht unsere Absicht, ihn zu gering '
anzuschlagen, wenn wir auf die ebenso augenscheinlichen Mängel dieser Per¬
fassung aufmerksam machen.
Bei der Stimmung unserer Tage stehen die materiellen Interessen
voran. Für diese zu sorgen ist der Bundestag uicht im Stande. Was in
Bezug auf die Eisenbahnen, Aufhebung der Zölle, das Mmizsystem n. f. w,
geschehen ist, ist aus freien Verträgen der einzelnen Staaten hervorgegangen.
Für diejenigen, welche sich gegen die Ccntralisarion überhaupt auflehnen, mag
das als ein Bortheil erscheinen, nur soll man nicht vergessen, daß in den
einzelnen deutschen Staaten die büreaukratische Centralisation so weit getrieben
ist. als irgendwo. Man darf nur einen Blick ans unser Eisenbahnnetz werfen,
um zu begreifen, daß nicht natürliche, sondern künstliche Interessen den Aus-
schlag gegeben haben. — Der allgemeine Rechtsschutz, eine der Hauptaufgaben
des deutschen Bundes, kann von demselben nnr auf einseitige Weife gewähr¬
leistet werden. Der Bundestag ist in den letzten Jahren mehrfach einge
schritten, wo es galt, die Rechte der ehemals Neichsunmittelbaren gegen die
Eingriffe der neuen Verfassungen zu wahren' freilich wol nur in solchen Fällen,
wo er die verklagten Fürsten mit den Klägern einverstanden wußte. Er ist
aber nieuials eingeschritten, wo es galt, die Rechte der Unterthanen gegen
die Regierungsgewalt zu schützen. Er ist nicht eingeschritten, weil er es seinem
Wesen nach nicht konnte. — Vielleicht das Schlimmste aber ist, daß er wenig
Mittel' Hot. den großen Sinn, den Aufschwung, den Enthusiasmus der Nation
zu vertreten. Ihm entgeht dadurch das Hauptmittel der Regierungen, sich
populär zu machen. Die Popularität der Regierungen liegt keineswegs in
ihrem liberalen Verhaltens auch despotische Regierungen können populär,
liberale Regierungen können unpopulär sein. Die Iulimoneirchie war ebenso
entschieden unpopulär, wie die russische Negierung populär ist. In letzterer
sieht jeder Russe, auch der ärmste, den mächtigen Vertreter seiner Nation, sei¬
nes Glaubens. Wie wenig geeignet die deutsche Bundesverfassung ist. dem
deutschen Nativnalwillen einen kräftigen Ausdruck zu geben, haben bald nach
der traurigen Versteigerung der deutsche» Flotte die orientalischen Angelegen¬
heiten gezeigt. Nun gibt es zwar eine Ltaatsweisheit, welche es als einen
Gewinn für die europäische Eultur bezeichnet, daß Deutschland durch seine
Verfassung zu einem neutralisirteu Land in der Art der Schweiz gemacht rst.
56 *
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |