Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.hielt, wurde durch die Einflüsse der modernen Bildung und Denkart sehr Die wichtigsten der hier mitgetheilten Volksdramen stammen aus dem In Oberufer ist, wie bemerkt, der Besitzer der Spiele seit 1857 ein Bauer, er Er spricht sich über die Spiele ohngefähr in folgender Weise aus. -- 45 *
hielt, wurde durch die Einflüsse der modernen Bildung und Denkart sehr Die wichtigsten der hier mitgetheilten Volksdramen stammen aus dem In Oberufer ist, wie bemerkt, der Besitzer der Spiele seit 1857 ein Bauer, er Er spricht sich über die Spiele ohngefähr in folgender Weise aus. — 45 *
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0363" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105640"/> <p xml:id="ID_945" prev="#ID_944"> hielt, wurde durch die Einflüsse der modernen Bildung und Denkart sehr<lb/> wesentlich und selten zu seinem Vortheil umgestaltet. Den deutschen Ansied-<lb/> lungen in fremden Ländern in ihrer Abgeschiedenheit scheint es vorbehalten,<lb/> solche Alterthümer treuer zu bewahren, und sehen wir in den Mittheilungen<lb/> Schröers volksmäßige Schauspiele vor uns, die in ihrer gegenwärtigen Gestalt<lb/> schon drei Jahrhunderte zurückgelegt haben, so gereicht es ihnen zu--besonderer<lb/> Empfehlung, daß auch die Methode, in der sie zur Zeit Hans Sachsens auf¬<lb/> geführt wurden, nach den Angaben des Berichterstatters sich erhalten hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_946"> Die wichtigsten der hier mitgetheilten Volksdramen stammen aus dem<lb/> Dorfe Oberufer bei Preßburg, wo ein Bauer sie als Tradition der Väter auf¬<lb/> bewahrt und wo sie gelegentlich noch aufgeführt werden. „Die Religion macht<lb/> dabei keinen Unterschied. Katholiken und Protestanten nehmen gleichen Antheil,<lb/> bei der Darstellung sowol als auch auf den Zuschauerplätzen. Es gehören die<lb/> Spiele jedoch demselben Stamm an, der unter dem Namen der Haiddauern<lb/> bekannt ist, im 14. oder zu Anfang des 15. Jahrhunderts aus der Gegend<lb/> am Bodensee (?) eingewandert und noch 1659 ganz protestantisch gewesen sein<lb/> soll. — Die Oberuferer sind nämlich, so wie die Weingärtner von Preßburg,<lb/> mit den Haidbauern in Straßlommerein (Se. Mareicn), Nikolsdorf. Deutsch-<lb/> Jahrendorf. Ragendorf und Zurndorf nahe verwandt. Dieselben Namen, die¬<lb/> selbe Mundart und stete Heirathen herüber und hinüber verbinden diese Kolo¬<lb/> nien auf das engste. Dazu kommt noch, daß dieselben Weihnachtsspicle bei<lb/> den Weingärtnern in Preßburg noch bis ans Ende des vorigen Jahrhunderts in<lb/> Besitz der Familie Wiebauer waren und aufgeführt wurden." Leider hat man<lb/> bis jetzt das Manuskript Noch nicht auffinden können. „Ebenso waren sie ehedem<lb/> in Zurndorf und Jahrendorf in Besitz der „Schmelzerischen Freundschaft".<lb/> Auch dort weiß man gegenwärtig nicht mehr, wohin die Spiele gekommen sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_947"> In Oberufer ist, wie bemerkt, der Besitzer der Spiele seit 1857 ein Bauer, er<lb/> hatte schon als Knabe den Engel Gabriel gespielt, dann von seinem Vater, der<lb/> damals „Lehrmaister" der Spiele war. die Kunst geerbt. Von ihm hatte er<lb/> die Schriften, die auf Kosten der Spieler angeschafften und in Stand erhal-<lb/> tenen Kleidungen und andern Apparat geerbt, und so ging denn auch auf ihn<lb/> die Lehrmeisterwürde über. Er glaubt, daß seine Familie „aus dem Reich"<lb/> stamme, obwol sein Name, David Malatitsch, slawisch aussieht und keiner von<lb/> den auf dem Haidboden üblichen deutschen Namen ist. In seiner Familie ist<lb/> das Lehrmeisteramt erst seit seinem Vater.</p><lb/> <p xml:id="ID_948" next="#ID_949"> Er spricht sich über die Spiele ohngefähr in folgender Weise aus. —<lb/> Wenn die mehrste Arbeit im Herbst zu Ende geht, da kommen die Alten zu<lb/> mir und sagen: es wär jetzt wieder die Zeit, solltet doch wieder schaun ob<lb/> ihr nicht ein Spiel zusammenbrächtet. Schaden könnts den Burschen nicht,<lb/> wenn sie sich einmal wieder ein Bischen in der Schrift befleißigen möchten</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 45 *</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0363]
hielt, wurde durch die Einflüsse der modernen Bildung und Denkart sehr
wesentlich und selten zu seinem Vortheil umgestaltet. Den deutschen Ansied-
lungen in fremden Ländern in ihrer Abgeschiedenheit scheint es vorbehalten,
solche Alterthümer treuer zu bewahren, und sehen wir in den Mittheilungen
Schröers volksmäßige Schauspiele vor uns, die in ihrer gegenwärtigen Gestalt
schon drei Jahrhunderte zurückgelegt haben, so gereicht es ihnen zu--besonderer
Empfehlung, daß auch die Methode, in der sie zur Zeit Hans Sachsens auf¬
geführt wurden, nach den Angaben des Berichterstatters sich erhalten hat.
Die wichtigsten der hier mitgetheilten Volksdramen stammen aus dem
Dorfe Oberufer bei Preßburg, wo ein Bauer sie als Tradition der Väter auf¬
bewahrt und wo sie gelegentlich noch aufgeführt werden. „Die Religion macht
dabei keinen Unterschied. Katholiken und Protestanten nehmen gleichen Antheil,
bei der Darstellung sowol als auch auf den Zuschauerplätzen. Es gehören die
Spiele jedoch demselben Stamm an, der unter dem Namen der Haiddauern
bekannt ist, im 14. oder zu Anfang des 15. Jahrhunderts aus der Gegend
am Bodensee (?) eingewandert und noch 1659 ganz protestantisch gewesen sein
soll. — Die Oberuferer sind nämlich, so wie die Weingärtner von Preßburg,
mit den Haidbauern in Straßlommerein (Se. Mareicn), Nikolsdorf. Deutsch-
Jahrendorf. Ragendorf und Zurndorf nahe verwandt. Dieselben Namen, die¬
selbe Mundart und stete Heirathen herüber und hinüber verbinden diese Kolo¬
nien auf das engste. Dazu kommt noch, daß dieselben Weihnachtsspicle bei
den Weingärtnern in Preßburg noch bis ans Ende des vorigen Jahrhunderts in
Besitz der Familie Wiebauer waren und aufgeführt wurden." Leider hat man
bis jetzt das Manuskript Noch nicht auffinden können. „Ebenso waren sie ehedem
in Zurndorf und Jahrendorf in Besitz der „Schmelzerischen Freundschaft".
Auch dort weiß man gegenwärtig nicht mehr, wohin die Spiele gekommen sind.
In Oberufer ist, wie bemerkt, der Besitzer der Spiele seit 1857 ein Bauer, er
hatte schon als Knabe den Engel Gabriel gespielt, dann von seinem Vater, der
damals „Lehrmaister" der Spiele war. die Kunst geerbt. Von ihm hatte er
die Schriften, die auf Kosten der Spieler angeschafften und in Stand erhal-
tenen Kleidungen und andern Apparat geerbt, und so ging denn auch auf ihn
die Lehrmeisterwürde über. Er glaubt, daß seine Familie „aus dem Reich"
stamme, obwol sein Name, David Malatitsch, slawisch aussieht und keiner von
den auf dem Haidboden üblichen deutschen Namen ist. In seiner Familie ist
das Lehrmeisteramt erst seit seinem Vater.
Er spricht sich über die Spiele ohngefähr in folgender Weise aus. —
Wenn die mehrste Arbeit im Herbst zu Ende geht, da kommen die Alten zu
mir und sagen: es wär jetzt wieder die Zeit, solltet doch wieder schaun ob
ihr nicht ein Spiel zusammenbrächtet. Schaden könnts den Burschen nicht,
wenn sie sich einmal wieder ein Bischen in der Schrift befleißigen möchten
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