Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Schleswig-Holstein in der dänischen Monarchie unmöglich mache. Grade das
aber fürchten die Dänen wie den leibhaftigen Teufel. Sie würden eher Schles¬
wig aufgeben als in eine Union mit Schleswig-Holstein treten, denn sie sehen
voraus, daß die beiden Herzogthümer, die ihnen schon jetzt in ihrer Ge¬
bundenheit so viel zu schaffen machen, bei einer Sclbststündigkeit alle freie
Bewegung der dänischen Politik vernichten und . sich schließlich doch wol von
Dänemark losreißen würden. Schon sind die kopenhagener Staatsmänner
bereit, Holstein und Lauenburg ganz auszuscheiden, wenn man dafür die
Einverleibung Schleswigs zugäbe. Sie müssen dazu gebracht werden, uns auch
die südliche Hälfte Schleswigs zu lassen. Die Theilung nach den Nationalitäten
ist die einzige Lösung. Wenn Deutschland darüber klagt, daß die Deutschen
in Schleswig von Dänemark absorbirt werden sollen, so darf es selbst nicht
verlangen, die Nordschleswiger, die keine rechten Deutschen sind, zu absorbiren.
Wir sind uns vollkommen bewußt, daß diese Lösung nicht dem alten Rechte
entspricht, "daß diese Lande sollen bleiben zusammen, ungetheilt, zu ewigen
Zeiten", aber wir schätzen die Sache, auf die es uns ankommt, die Erhaltung
eines der edelsten deutschen Stämme, für höher, als das Rcchtsprincip. Es
ist sicher die Bestimmung der cimbrischen Halbinsel, allmälig ganz deutsch zu
werden, aber wir dürfen dem stillen Werk der Geschichte nicht erobernd vor¬
greifen, so sehr deutsche Bildung schon bis zum Sk'agerrack herrscht, so sehr
Hamburg und Lübeck die ökonomischen Hauptstädte Jütlands sind, noch ist
der nördliche Theil Schleswigs nicht deutsch, die Volkssprache ist das Platt¬
dänische. Die Ausrichtung Holsteins, Laucnburgs und Südschleswigs in einen
selbständigen, von Dänemark ganz getrennten deutschen Bundesstaat, das ist
das Ziel, worauf wir und vor allem die preußische Staatskunst hinarbeiten
müssen. Wäre im orientalischen Krieg Preußen auf die Seite der Wcstmächte
getreten, so hätte es für die großen Opfer, die eine Kooperation ihm auferlegt
hätte, eine materielle Entschädigung fordern können und solche vielleicht an
der Eider gesunden. Es ist nicht geschehen, die große Conjunctur ist vorüber¬
gegangen. Inzwischen ist die Schleswig-holsteinische Sache reifer geworden.
Wenn Preußen sie jetzt in die Hand nimmt, so muß es das um ihrer selbst
willen ohne Vergrößerungsabsichten für sich thun, um als der deutschen
Nation natürlicher Vertreter dazustehen. In diesem Augenblick ist die Lage
noch nicht so, daß man ein entscheidendes Ereignis; wünschen könnte, aber
der Zustand Europas ist kritisch und kann jeder Zeit das entschlossene Ein¬
greifen möglich und nöthig machen; vorläufig ist es uns geboten, die Ver¬
legenheiten Dänemarks nach allen Seiten hin zu mehren und die Theilnahme
für unsere Schleswig-holsteinischen Brüder wach zu halten.




Schleswig-Holstein in der dänischen Monarchie unmöglich mache. Grade das
aber fürchten die Dänen wie den leibhaftigen Teufel. Sie würden eher Schles¬
wig aufgeben als in eine Union mit Schleswig-Holstein treten, denn sie sehen
voraus, daß die beiden Herzogthümer, die ihnen schon jetzt in ihrer Ge¬
bundenheit so viel zu schaffen machen, bei einer Sclbststündigkeit alle freie
Bewegung der dänischen Politik vernichten und . sich schließlich doch wol von
Dänemark losreißen würden. Schon sind die kopenhagener Staatsmänner
bereit, Holstein und Lauenburg ganz auszuscheiden, wenn man dafür die
Einverleibung Schleswigs zugäbe. Sie müssen dazu gebracht werden, uns auch
die südliche Hälfte Schleswigs zu lassen. Die Theilung nach den Nationalitäten
ist die einzige Lösung. Wenn Deutschland darüber klagt, daß die Deutschen
in Schleswig von Dänemark absorbirt werden sollen, so darf es selbst nicht
verlangen, die Nordschleswiger, die keine rechten Deutschen sind, zu absorbiren.
Wir sind uns vollkommen bewußt, daß diese Lösung nicht dem alten Rechte
entspricht, „daß diese Lande sollen bleiben zusammen, ungetheilt, zu ewigen
Zeiten", aber wir schätzen die Sache, auf die es uns ankommt, die Erhaltung
eines der edelsten deutschen Stämme, für höher, als das Rcchtsprincip. Es
ist sicher die Bestimmung der cimbrischen Halbinsel, allmälig ganz deutsch zu
werden, aber wir dürfen dem stillen Werk der Geschichte nicht erobernd vor¬
greifen, so sehr deutsche Bildung schon bis zum Sk'agerrack herrscht, so sehr
Hamburg und Lübeck die ökonomischen Hauptstädte Jütlands sind, noch ist
der nördliche Theil Schleswigs nicht deutsch, die Volkssprache ist das Platt¬
dänische. Die Ausrichtung Holsteins, Laucnburgs und Südschleswigs in einen
selbständigen, von Dänemark ganz getrennten deutschen Bundesstaat, das ist
das Ziel, worauf wir und vor allem die preußische Staatskunst hinarbeiten
müssen. Wäre im orientalischen Krieg Preußen auf die Seite der Wcstmächte
getreten, so hätte es für die großen Opfer, die eine Kooperation ihm auferlegt
hätte, eine materielle Entschädigung fordern können und solche vielleicht an
der Eider gesunden. Es ist nicht geschehen, die große Conjunctur ist vorüber¬
gegangen. Inzwischen ist die Schleswig-holsteinische Sache reifer geworden.
Wenn Preußen sie jetzt in die Hand nimmt, so muß es das um ihrer selbst
willen ohne Vergrößerungsabsichten für sich thun, um als der deutschen
Nation natürlicher Vertreter dazustehen. In diesem Augenblick ist die Lage
noch nicht so, daß man ein entscheidendes Ereignis; wünschen könnte, aber
der Zustand Europas ist kritisch und kann jeder Zeit das entschlossene Ein¬
greifen möglich und nöthig machen; vorläufig ist es uns geboten, die Ver¬
legenheiten Dänemarks nach allen Seiten hin zu mehren und die Theilnahme
für unsere Schleswig-holsteinischen Brüder wach zu halten.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0341" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105618"/>
          <p xml:id="ID_874" prev="#ID_873"> Schleswig-Holstein in der dänischen Monarchie unmöglich mache. Grade das<lb/>
aber fürchten die Dänen wie den leibhaftigen Teufel. Sie würden eher Schles¬<lb/>
wig aufgeben als in eine Union mit Schleswig-Holstein treten, denn sie sehen<lb/>
voraus, daß die beiden Herzogthümer, die ihnen schon jetzt in ihrer Ge¬<lb/>
bundenheit so viel zu schaffen machen, bei einer Sclbststündigkeit alle freie<lb/>
Bewegung der dänischen Politik vernichten und . sich schließlich doch wol von<lb/>
Dänemark losreißen würden.  Schon sind die kopenhagener Staatsmänner<lb/>
bereit, Holstein und Lauenburg ganz auszuscheiden, wenn man dafür die<lb/>
Einverleibung Schleswigs zugäbe. Sie müssen dazu gebracht werden, uns auch<lb/>
die südliche Hälfte Schleswigs zu lassen. Die Theilung nach den Nationalitäten<lb/>
ist die einzige Lösung. Wenn Deutschland darüber klagt, daß die Deutschen<lb/>
in Schleswig von Dänemark absorbirt werden sollen, so darf es selbst nicht<lb/>
verlangen, die Nordschleswiger, die keine rechten Deutschen sind, zu absorbiren.<lb/>
Wir sind uns vollkommen bewußt, daß diese Lösung nicht dem alten Rechte<lb/>
entspricht, &#x201E;daß diese Lande sollen bleiben zusammen, ungetheilt, zu ewigen<lb/>
Zeiten", aber wir schätzen die Sache, auf die es uns ankommt, die Erhaltung<lb/>
eines der edelsten deutschen Stämme, für höher, als das Rcchtsprincip. Es<lb/>
ist sicher die Bestimmung der cimbrischen Halbinsel, allmälig ganz deutsch zu<lb/>
werden, aber wir dürfen dem stillen Werk der Geschichte nicht erobernd vor¬<lb/>
greifen, so sehr deutsche Bildung schon bis zum Sk'agerrack herrscht, so sehr<lb/>
Hamburg und Lübeck die ökonomischen Hauptstädte Jütlands sind, noch ist<lb/>
der nördliche Theil Schleswigs nicht deutsch, die Volkssprache ist das Platt¬<lb/>
dänische.  Die Ausrichtung Holsteins, Laucnburgs und Südschleswigs in einen<lb/>
selbständigen, von Dänemark ganz getrennten deutschen Bundesstaat, das ist<lb/>
das Ziel, worauf wir und vor allem die preußische Staatskunst hinarbeiten<lb/>
müssen. Wäre im orientalischen Krieg Preußen auf die Seite der Wcstmächte<lb/>
getreten, so hätte es für die großen Opfer, die eine Kooperation ihm auferlegt<lb/>
hätte, eine materielle Entschädigung fordern können und solche vielleicht an<lb/>
der Eider gesunden. Es ist nicht geschehen, die große Conjunctur ist vorüber¬<lb/>
gegangen. Inzwischen ist die Schleswig-holsteinische Sache reifer geworden.<lb/>
Wenn Preußen sie jetzt in die Hand nimmt, so muß es das um ihrer selbst<lb/>
willen ohne Vergrößerungsabsichten für sich thun, um als der deutschen<lb/>
Nation natürlicher Vertreter dazustehen.  In diesem Augenblick ist die Lage<lb/>
noch nicht so, daß man ein entscheidendes Ereignis; wünschen könnte, aber<lb/>
der Zustand Europas ist kritisch und kann jeder Zeit das entschlossene Ein¬<lb/>
greifen möglich und nöthig machen; vorläufig ist es uns geboten, die Ver¬<lb/>
legenheiten Dänemarks nach allen Seiten hin zu mehren und die Theilnahme<lb/>
für unsere Schleswig-holsteinischen Brüder wach zu halten.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0341] Schleswig-Holstein in der dänischen Monarchie unmöglich mache. Grade das aber fürchten die Dänen wie den leibhaftigen Teufel. Sie würden eher Schles¬ wig aufgeben als in eine Union mit Schleswig-Holstein treten, denn sie sehen voraus, daß die beiden Herzogthümer, die ihnen schon jetzt in ihrer Ge¬ bundenheit so viel zu schaffen machen, bei einer Sclbststündigkeit alle freie Bewegung der dänischen Politik vernichten und . sich schließlich doch wol von Dänemark losreißen würden. Schon sind die kopenhagener Staatsmänner bereit, Holstein und Lauenburg ganz auszuscheiden, wenn man dafür die Einverleibung Schleswigs zugäbe. Sie müssen dazu gebracht werden, uns auch die südliche Hälfte Schleswigs zu lassen. Die Theilung nach den Nationalitäten ist die einzige Lösung. Wenn Deutschland darüber klagt, daß die Deutschen in Schleswig von Dänemark absorbirt werden sollen, so darf es selbst nicht verlangen, die Nordschleswiger, die keine rechten Deutschen sind, zu absorbiren. Wir sind uns vollkommen bewußt, daß diese Lösung nicht dem alten Rechte entspricht, „daß diese Lande sollen bleiben zusammen, ungetheilt, zu ewigen Zeiten", aber wir schätzen die Sache, auf die es uns ankommt, die Erhaltung eines der edelsten deutschen Stämme, für höher, als das Rcchtsprincip. Es ist sicher die Bestimmung der cimbrischen Halbinsel, allmälig ganz deutsch zu werden, aber wir dürfen dem stillen Werk der Geschichte nicht erobernd vor¬ greifen, so sehr deutsche Bildung schon bis zum Sk'agerrack herrscht, so sehr Hamburg und Lübeck die ökonomischen Hauptstädte Jütlands sind, noch ist der nördliche Theil Schleswigs nicht deutsch, die Volkssprache ist das Platt¬ dänische. Die Ausrichtung Holsteins, Laucnburgs und Südschleswigs in einen selbständigen, von Dänemark ganz getrennten deutschen Bundesstaat, das ist das Ziel, worauf wir und vor allem die preußische Staatskunst hinarbeiten müssen. Wäre im orientalischen Krieg Preußen auf die Seite der Wcstmächte getreten, so hätte es für die großen Opfer, die eine Kooperation ihm auferlegt hätte, eine materielle Entschädigung fordern können und solche vielleicht an der Eider gesunden. Es ist nicht geschehen, die große Conjunctur ist vorüber¬ gegangen. Inzwischen ist die Schleswig-holsteinische Sache reifer geworden. Wenn Preußen sie jetzt in die Hand nimmt, so muß es das um ihrer selbst willen ohne Vergrößerungsabsichten für sich thun, um als der deutschen Nation natürlicher Vertreter dazustehen. In diesem Augenblick ist die Lage noch nicht so, daß man ein entscheidendes Ereignis; wünschen könnte, aber der Zustand Europas ist kritisch und kann jeder Zeit das entschlossene Ein¬ greifen möglich und nöthig machen; vorläufig ist es uns geboten, die Ver¬ legenheiten Dänemarks nach allen Seiten hin zu mehren und die Theilnahme für unsere Schleswig-holsteinischen Brüder wach zu halten.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/341
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/341>, abgerufen am 22.12.2024.