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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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ihres Dorfes hatten sie am meisten zu leiden. Man muß einer sehr großen
Mehrzahl von ihnen das Zeugniß geben, daß sie all diese Gefahren als
echte Streiter Christi ertrugen. Die Meisten hielten bei ihren Gemeinden aus bis
fast zum letzten Mann. Ihre Kirche wurde verwüstet und ausgebrannt, Kelch
und Crucifix gestohlen, der Altar durch eklen Unrath beschmutzt, die Glocken
vom Thurm geworfen und weggeführt. Da hielten sie den Gottesdienst in
einer Scheuer, auf freiem Felde, im grünen Waldversteck. Wenn die Ge¬
meinde zusammenschmolz, daß der Gesang der Zuhörer aufhörte und kein
Cantor mehr die Bußlieder intonirte, da riefen sie den Nest der Ge¬
meinde noch zur Betstunde zusammen. Sie waren stark und eifrig im
Trösten und Strafen, denn je größer das Elend war, desto mehr Grund zur
Unzufriedenheit fanden sie auch in ihrer Gemeinde. Häusig waren sie die ersten,
welche von-der Verwilderung der Dorfbewohner zu leiden hatten; Diebstahl
und frecher Muthwille wurden am liebsten gegen solche geübt, deren zürnen¬
der Blick und feierliche Klage am meisten imponirt hatten. Ihre Schicksale
sind daher vorzugsweise charakteristisch für jene eisernen Jahre und wir sind
glücklicherweise in der Lage, grade von ihnen zahlreiche Aufzeichnungen zu
besitzen, oft in Kirchenbüchern, denen sie ihr Leid klagten, während kein Mensch
sie hören wollte. Aus solchen Notizen thüringischer und fränkischer Pfarr-
gciMcher seien hier nur wenige Beispiele mitgetheilt.

Magister Michael Ludwig war seit 1633 Pfarrer zu Sonncufeld.
Doll predigte er im Walde unter freiem Himmel seiner Gemeinde, ließ sie mit
der Trommel statt mit der Glocke zusammenrufen, und Bewaffnete mußten
Wache stehen, während er predigte; acht Jahre hielt er so aus, bis seine Ge¬
meinde ganz verschwand. Da rief ein schwedischer Oberst den tapfern Mann
als Prediger zum Regiment, er wurde später Präsident des Feldconsistoriums
bei Torstenson und Superintendent zu Wismar. -- Georg Faber, Prediger zu
Gellershausen, hielt mit drei, vier Zuhörern Betstunden bei steter Lebens¬
gefahr, stand jeden Morgen um drei auf, studirte und lernte seine Predigten
von Wort zu Wort auswendig, schrieb dabei noch gelehrte Abhandlungen
über biblische Bücher.

In den benachbarten Landstädten hatten die Geistlichen nicht weniger zu
ertragen. In Eisfeld z. B. war seit 1635 Rector Johann Otto, ein junger
Mann der erst geheirathet hatte; er hat acht Jahre in der allerschlimmsten Zeit
mit noch einem Lehrer die ganze Schule halten müssen und dabei das Can-
torat gratis versehen. Was seine Einnahmen gewesen, kann man aus
Notizen sehen, die der tüchtige Mann in seinen Euklid geschrieben hat: "Zwei
Tage gedroschen im Herbst. 5 Tage gedroschen im Februar 1647. 2 Tage
gedroschen im Januar 47. i Tag im Holz gearbeitet 1646. V2 Tag geschnitten."
4 Hochzeitsbriefe geschrieben, item ^Tag Hafer gebunden, 1 Tag geschnitten


ihres Dorfes hatten sie am meisten zu leiden. Man muß einer sehr großen
Mehrzahl von ihnen das Zeugniß geben, daß sie all diese Gefahren als
echte Streiter Christi ertrugen. Die Meisten hielten bei ihren Gemeinden aus bis
fast zum letzten Mann. Ihre Kirche wurde verwüstet und ausgebrannt, Kelch
und Crucifix gestohlen, der Altar durch eklen Unrath beschmutzt, die Glocken
vom Thurm geworfen und weggeführt. Da hielten sie den Gottesdienst in
einer Scheuer, auf freiem Felde, im grünen Waldversteck. Wenn die Ge¬
meinde zusammenschmolz, daß der Gesang der Zuhörer aufhörte und kein
Cantor mehr die Bußlieder intonirte, da riefen sie den Nest der Ge¬
meinde noch zur Betstunde zusammen. Sie waren stark und eifrig im
Trösten und Strafen, denn je größer das Elend war, desto mehr Grund zur
Unzufriedenheit fanden sie auch in ihrer Gemeinde. Häusig waren sie die ersten,
welche von-der Verwilderung der Dorfbewohner zu leiden hatten; Diebstahl
und frecher Muthwille wurden am liebsten gegen solche geübt, deren zürnen¬
der Blick und feierliche Klage am meisten imponirt hatten. Ihre Schicksale
sind daher vorzugsweise charakteristisch für jene eisernen Jahre und wir sind
glücklicherweise in der Lage, grade von ihnen zahlreiche Aufzeichnungen zu
besitzen, oft in Kirchenbüchern, denen sie ihr Leid klagten, während kein Mensch
sie hören wollte. Aus solchen Notizen thüringischer und fränkischer Pfarr-
gciMcher seien hier nur wenige Beispiele mitgetheilt.

Magister Michael Ludwig war seit 1633 Pfarrer zu Sonncufeld.
Doll predigte er im Walde unter freiem Himmel seiner Gemeinde, ließ sie mit
der Trommel statt mit der Glocke zusammenrufen, und Bewaffnete mußten
Wache stehen, während er predigte; acht Jahre hielt er so aus, bis seine Ge¬
meinde ganz verschwand. Da rief ein schwedischer Oberst den tapfern Mann
als Prediger zum Regiment, er wurde später Präsident des Feldconsistoriums
bei Torstenson und Superintendent zu Wismar. — Georg Faber, Prediger zu
Gellershausen, hielt mit drei, vier Zuhörern Betstunden bei steter Lebens¬
gefahr, stand jeden Morgen um drei auf, studirte und lernte seine Predigten
von Wort zu Wort auswendig, schrieb dabei noch gelehrte Abhandlungen
über biblische Bücher.

In den benachbarten Landstädten hatten die Geistlichen nicht weniger zu
ertragen. In Eisfeld z. B. war seit 1635 Rector Johann Otto, ein junger
Mann der erst geheirathet hatte; er hat acht Jahre in der allerschlimmsten Zeit
mit noch einem Lehrer die ganze Schule halten müssen und dabei das Can-
torat gratis versehen. Was seine Einnahmen gewesen, kann man aus
Notizen sehen, die der tüchtige Mann in seinen Euklid geschrieben hat: „Zwei
Tage gedroschen im Herbst. 5 Tage gedroschen im Februar 1647. 2 Tage
gedroschen im Januar 47. i Tag im Holz gearbeitet 1646. V2 Tag geschnitten."
4 Hochzeitsbriefe geschrieben, item ^Tag Hafer gebunden, 1 Tag geschnitten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/22>, abgerufen am 22.12.2024.