Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.baren Handwerke an die Ornamentenkunde geknüpft. Sie ist keinem Der lepte gemeinsame mehr wissenschaftliche Zweig des Unterrichts würde Durch eigene Sammlungen, so wie durch Bemchung der öffentlichen Wer sich auch nur etwas in den Kreisen umgesehen hat, von denen wir baren Handwerke an die Ornamentenkunde geknüpft. Sie ist keinem Der lepte gemeinsame mehr wissenschaftliche Zweig des Unterrichts würde Durch eigene Sammlungen, so wie durch Bemchung der öffentlichen Wer sich auch nur etwas in den Kreisen umgesehen hat, von denen wir <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0199" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105476"/> <p xml:id="ID_477" prev="#ID_476"> baren Handwerke an die Ornamentenkunde geknüpft. Sie ist keinem<lb/> einzigen Handwerk un höheren Sinne entbehrlich. So groß wie der Umfang<lb/> dieser Wissenschaft ist der Zuhörerkreis derselben. Welcher Unterschied zwischen<lb/> der einfachen verstandeskiarcn Ornamentik der griechisch-römischen Kunst und<lb/> gewerblichen Kunstthätigkeit und zwischen der idealen und conventionellen der<lb/> romanischen Periode, der realen und doch streng stilisirten der Gothik! Welche<lb/> Fülle von Gedanken und Motiven müßte die Kenntniß derselben den kahlen<lb/> und platten Erzeugnissen der Gegenwart aufdrücken! Bald würde das Hand¬<lb/> werk nicht mehr genöthigt sein, die wenigen Ornamente, welche es noch an¬<lb/> wendet, nur zu stehlen oder zu entlehnen, sondern der Schöpfergeist würde'<lb/> in ihm selbst wieder rege werden und Neues zu Tage fördern. Wie wenige<lb/> Handwerker und Gewerbtreibende wissen heutzutage noch, daß das Orna¬<lb/> ment keine Schöpfung der Willkür sein darf, sondern mit dem Gegenstand<lb/> und dem Zweck desselben in einem inneren Zusammenhang stehen muß! Hier<lb/> ist Raum für die Thätigkeit eines tüchtigen und gebildeten Lehrers.</p><lb/> <p xml:id="ID_478"> Der lepte gemeinsame mehr wissenschaftliche Zweig des Unterrichts würde<lb/> sich mit der historischen Entwicklung der Kunst und zwar vorzugs¬<lb/> weise im Hinblick auf die gewerbliche Kunstthütigkeit zu entwickeln haben.<lb/> So. um einen Zweig herauszugreifen, würde es sich bei der Darstellung der<lb/> griechisch-römischen Kunstthütigkeit weniger um die hohen Gebilde der Sculp-<lb/> tur und Architektur, sondern um die Kenntniß der Töpferei, der Gemmenkunde,<lb/> der Terrakoten, des Metallgusses, der Bedürfnisse des häuslichen Leben.s, wie<lb/> sie zahlreich in den Antiquarier aufbewahrt werden, handeln; die Kunst¬<lb/> geschichte müßte stark in die Culturgeschichte hinüberspielen. Nicht Namen,<lb/> sondern Anschauungen der Gegenstände selbst, werden hier, wie in den übrigen<lb/> Zweigen, den Haupttheil des Unterrichts ausmachen. Wer Gelegenheit ge¬<lb/> habt hat, an Dienern öffentlicher Galerien, welche meist bald mit Nachah¬<lb/> mung und Herstellung der Gegenstände, welche sie zu überwachen haben,<lb/> beginnen, den Nachahmungstrieb des Menschen zu beobachten, wird die Macht -<lb/> der Anschauung zu würdigen wissen.</p><lb/> <p xml:id="ID_479"> Durch eigene Sammlungen, so wie durch Bemchung der öffentlichen<lb/> Sammlungen von Originalen und Copien, die fast in allen größeren Städten<lb/> sich vorfinden, wird man Gelegenheit haben, die Begierde der Zöglinge nach<lb/> eigner Anschauung zu befriedigen und, wo dies unmöglich ist, wird wenigstens<lb/> eine Sammlung guter Kupferwerke dazu Gelegenheit geben. Eine Bibliothek<lb/> kunst- und culturgeschichtlicher Werke muß dem Selbsttrieb zur Belehrung ge¬<lb/> nügen. Diese theoretische Ausbildung muß selbstverständlich mit der prak¬<lb/> tischen bei dem einzelnen Meister Hand in Hand gehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_480" next="#ID_481"> Wer sich auch nur etwas in den Kreisen umgesehen hat, von denen wir<lb/> reden, wird wissen, wie peinlich denselben ihre geringe Formenkunde in ihrem</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0199]
baren Handwerke an die Ornamentenkunde geknüpft. Sie ist keinem
einzigen Handwerk un höheren Sinne entbehrlich. So groß wie der Umfang
dieser Wissenschaft ist der Zuhörerkreis derselben. Welcher Unterschied zwischen
der einfachen verstandeskiarcn Ornamentik der griechisch-römischen Kunst und
gewerblichen Kunstthätigkeit und zwischen der idealen und conventionellen der
romanischen Periode, der realen und doch streng stilisirten der Gothik! Welche
Fülle von Gedanken und Motiven müßte die Kenntniß derselben den kahlen
und platten Erzeugnissen der Gegenwart aufdrücken! Bald würde das Hand¬
werk nicht mehr genöthigt sein, die wenigen Ornamente, welche es noch an¬
wendet, nur zu stehlen oder zu entlehnen, sondern der Schöpfergeist würde'
in ihm selbst wieder rege werden und Neues zu Tage fördern. Wie wenige
Handwerker und Gewerbtreibende wissen heutzutage noch, daß das Orna¬
ment keine Schöpfung der Willkür sein darf, sondern mit dem Gegenstand
und dem Zweck desselben in einem inneren Zusammenhang stehen muß! Hier
ist Raum für die Thätigkeit eines tüchtigen und gebildeten Lehrers.
Der lepte gemeinsame mehr wissenschaftliche Zweig des Unterrichts würde
sich mit der historischen Entwicklung der Kunst und zwar vorzugs¬
weise im Hinblick auf die gewerbliche Kunstthütigkeit zu entwickeln haben.
So. um einen Zweig herauszugreifen, würde es sich bei der Darstellung der
griechisch-römischen Kunstthütigkeit weniger um die hohen Gebilde der Sculp-
tur und Architektur, sondern um die Kenntniß der Töpferei, der Gemmenkunde,
der Terrakoten, des Metallgusses, der Bedürfnisse des häuslichen Leben.s, wie
sie zahlreich in den Antiquarier aufbewahrt werden, handeln; die Kunst¬
geschichte müßte stark in die Culturgeschichte hinüberspielen. Nicht Namen,
sondern Anschauungen der Gegenstände selbst, werden hier, wie in den übrigen
Zweigen, den Haupttheil des Unterrichts ausmachen. Wer Gelegenheit ge¬
habt hat, an Dienern öffentlicher Galerien, welche meist bald mit Nachah¬
mung und Herstellung der Gegenstände, welche sie zu überwachen haben,
beginnen, den Nachahmungstrieb des Menschen zu beobachten, wird die Macht -
der Anschauung zu würdigen wissen.
Durch eigene Sammlungen, so wie durch Bemchung der öffentlichen
Sammlungen von Originalen und Copien, die fast in allen größeren Städten
sich vorfinden, wird man Gelegenheit haben, die Begierde der Zöglinge nach
eigner Anschauung zu befriedigen und, wo dies unmöglich ist, wird wenigstens
eine Sammlung guter Kupferwerke dazu Gelegenheit geben. Eine Bibliothek
kunst- und culturgeschichtlicher Werke muß dem Selbsttrieb zur Belehrung ge¬
nügen. Diese theoretische Ausbildung muß selbstverständlich mit der prak¬
tischen bei dem einzelnen Meister Hand in Hand gehen.
Wer sich auch nur etwas in den Kreisen umgesehen hat, von denen wir
reden, wird wissen, wie peinlich denselben ihre geringe Formenkunde in ihrem
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