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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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an ihn und seinen Gefährten Jonas Briefe tröstender Ermutigung, die Bucer
nach Worms brachte. Aus Luthers Schreiben von dem Verfahren der Reichs¬
versammlung, die nur verurtheilen, nicht erkennen wollte, antwortet (20. Mai)
H. knirschend, er werde ehestens hinausgelaßen werden und wolle ihn dann
die Werke des von Gott in ihm erregten Geistes sehen laßen. Als aber
Luther ihm gemeldet, wie -man ihn zu Worms verabschiedet, da war Hs.
Gemüt auf die äußerste Gränze, wo Thatbegier und Gefühl der Unmacht sich
scheiden, getrieben, er weinte;, wenn man den Brief (vom l. Mai) an Pirk-
heimer gelesen hat, begreift man wie Busch einige Tage darnach von Worms
aus H. sast höhnisch auftürmte, seine Drohungen würden nur zu Spott, das
Curtisanenpack müße mit Faust und Schwert ausgereutet werden. Auch Eoban
sandte an H. ein Exhortatorium elegischer Form, worauf H. ni gleicher Form er¬
widerte, Thaten wolle er thun nach Kräften und, hemme das Schicksal nicht, noch
die Hoffnung bewähren, die man in ihn gesetzt, er wolle durchbrechen oder kämpfend
fallen. Aber im Buche der Zeiten war H. ein andrer Lebenslauf und Ausgang vor¬
gezeichnet; der Wormser Reichstag bildet "einen Wendepunct in seinem Leben
und keinen glücklichen;" statt durchzubrechen muß er ins Elend wandern, statt
kämpfend stirbt er hingerafft von Krankheit, Schmerz über Sickingens Fall,
Verachtung der erasmischen Treulosigkeit. Jedoch ganz ohne Buschcns wildem
Rath oder seinem eigenen Haße gegen die Kurtisanen Folge zu leisten ist H.
doch wol nicht geschieden Ser. (S. 240) setzt die bisher nur aus des Erasmus
verdächtigenden Aeußerungen bekannten Wegelagerungen gegen 3 Aebte und
2 Predigermönche, denen er die Ohren abgeschnitten habe, in das Spüt-
jahr 1522, ich fürchte zu spät: es liegt ein Bericht vor mir von Caracciolis
und Aleanders Antrag beim Herzog Friedrich zu Sachsen (zu Köln am
4. Nov. 1520) wegen Vollzugs der Bulle gegen Luther, und des Kurfürsten
ablehnendem Bescheid; diesem Bericht ist ein Brief N. an N. zugefügt, worin
es heißt: "so wil ich euch nicht pergen, das solchs, Auß den geschickten des,
Bapst ainer als sy herauff an Rcynstram kämmen nach da bey Mentz von
amen von Hütten erstochen, vnd der ander sein gesell schwerlich daruon
kommen, wenn Doctor Martinus solcher gesellen vit het wurden die Roma¬
nisten wol da ham blenden, vnd jenen in disen landen zufriden lassen, . . .
Datum eylents zu Koburg am Erichtag nach Conccptiones virginis glorios,
dio. Dec.Z Anno 1521. I. V. W. Secretis. Meinem besonder gutten
freunde N. von N. Amptmcm zu N. :c." Auch die obberührte Erfurter In-
klination fordert zu Thätlichkeiten, wenn auch nur gegen Documente, auf.
(Nur weil es Ser. nicht gethan, muß ich hier bemerken, daß der in Nürnberg
für ächt huttenisch gehaltene Brief an einen gewissen Propst, den Burckhard
(II. 213. f.), dem Wagenseil und Münch gedankenlos folgen, sehr verkehrt H.
zuschreibt, und den Ghillany als Probe von des Ritters Hdschr. hat sacsimi-


an ihn und seinen Gefährten Jonas Briefe tröstender Ermutigung, die Bucer
nach Worms brachte. Aus Luthers Schreiben von dem Verfahren der Reichs¬
versammlung, die nur verurtheilen, nicht erkennen wollte, antwortet (20. Mai)
H. knirschend, er werde ehestens hinausgelaßen werden und wolle ihn dann
die Werke des von Gott in ihm erregten Geistes sehen laßen. Als aber
Luther ihm gemeldet, wie -man ihn zu Worms verabschiedet, da war Hs.
Gemüt auf die äußerste Gränze, wo Thatbegier und Gefühl der Unmacht sich
scheiden, getrieben, er weinte;, wenn man den Brief (vom l. Mai) an Pirk-
heimer gelesen hat, begreift man wie Busch einige Tage darnach von Worms
aus H. sast höhnisch auftürmte, seine Drohungen würden nur zu Spott, das
Curtisanenpack müße mit Faust und Schwert ausgereutet werden. Auch Eoban
sandte an H. ein Exhortatorium elegischer Form, worauf H. ni gleicher Form er¬
widerte, Thaten wolle er thun nach Kräften und, hemme das Schicksal nicht, noch
die Hoffnung bewähren, die man in ihn gesetzt, er wolle durchbrechen oder kämpfend
fallen. Aber im Buche der Zeiten war H. ein andrer Lebenslauf und Ausgang vor¬
gezeichnet; der Wormser Reichstag bildet „einen Wendepunct in seinem Leben
und keinen glücklichen;" statt durchzubrechen muß er ins Elend wandern, statt
kämpfend stirbt er hingerafft von Krankheit, Schmerz über Sickingens Fall,
Verachtung der erasmischen Treulosigkeit. Jedoch ganz ohne Buschcns wildem
Rath oder seinem eigenen Haße gegen die Kurtisanen Folge zu leisten ist H.
doch wol nicht geschieden Ser. (S. 240) setzt die bisher nur aus des Erasmus
verdächtigenden Aeußerungen bekannten Wegelagerungen gegen 3 Aebte und
2 Predigermönche, denen er die Ohren abgeschnitten habe, in das Spüt-
jahr 1522, ich fürchte zu spät: es liegt ein Bericht vor mir von Caracciolis
und Aleanders Antrag beim Herzog Friedrich zu Sachsen (zu Köln am
4. Nov. 1520) wegen Vollzugs der Bulle gegen Luther, und des Kurfürsten
ablehnendem Bescheid; diesem Bericht ist ein Brief N. an N. zugefügt, worin
es heißt: „so wil ich euch nicht pergen, das solchs, Auß den geschickten des,
Bapst ainer als sy herauff an Rcynstram kämmen nach da bey Mentz von
amen von Hütten erstochen, vnd der ander sein gesell schwerlich daruon
kommen, wenn Doctor Martinus solcher gesellen vit het wurden die Roma¬
nisten wol da ham blenden, vnd jenen in disen landen zufriden lassen, . . .
Datum eylents zu Koburg am Erichtag nach Conccptiones virginis glorios,
dio. Dec.Z Anno 1521. I. V. W. Secretis. Meinem besonder gutten
freunde N. von N. Amptmcm zu N. :c." Auch die obberührte Erfurter In-
klination fordert zu Thätlichkeiten, wenn auch nur gegen Documente, auf.
(Nur weil es Ser. nicht gethan, muß ich hier bemerken, daß der in Nürnberg
für ächt huttenisch gehaltene Brief an einen gewissen Propst, den Burckhard
(II. 213. f.), dem Wagenseil und Münch gedankenlos folgen, sehr verkehrt H.
zuschreibt, und den Ghillany als Probe von des Ritters Hdschr. hat sacsimi-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/146>, abgerufen am 27.07.2024.