Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.fast stets das Gegentheil von dem, was der erste seines Namens that. Wenn der Es bleibt also, das ist der Schluß, dem wir von ganzem Herzen beistimmen, fast stets das Gegentheil von dem, was der erste seines Namens that. Wenn der Es bleibt also, das ist der Schluß, dem wir von ganzem Herzen beistimmen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0124" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105401"/> <p xml:id="ID_279" prev="#ID_278"> fast stets das Gegentheil von dem, was der erste seines Namens that. Wenn der<lb/> Verfasser ihm bereitwillig große Müßigung neben großer Klugheit zugesteht, warum<lb/> legt er auf frühere Aeußerungen bei der boulogner Landung solchen Werth? Das<lb/> ist eben der Vorzug, welcher Louis Napoleon auszeichnet, daß er beständig lernt und<lb/> sich nicht durch frühere Meinungen gebunden glaubt, wenn-er einsieht, daß er Un¬<lb/> recht gehabt, oder daß die Umstände sich geändert. War nicht die Geschichte mit<lb/> dem Adler in Boulogne absurd? warum soll eine damalige Phrase desselben Mannes,<lb/> er repräsentire die Niederlage von Waterloo, mehr gelten? Es war eben damals<lb/> eine Zeit, wo das rsvemons pour ^g-tsrloo in aller Munde war und Louis Napo¬<lb/> leon, der sich durch Boulogne wie durch Straßburg nur in Erinnerung bringen<lb/> wollte, bediente sich in seinem Proceß solcher Schlagworte, welche, wie er wußte,<lb/> zünden würden. In den läse« Mpolvonisnnes sind gewiß für den jetzigen Kaiser<lb/> höchst charakteristische Sachen, aber kann man glauben, daß er alles davon noch ver¬<lb/> treten werde? Wir glauben es -nicht, und glauben deshalb auch nicht, daß er die<lb/> Nhcingrenzc beabsichtigt, weil er weiß, daß dies ein Bruch mit England ist, den er<lb/> nicht ertragen kann. Wenn auf der andern Seite der Verfasser es Napoleon als<lb/> Verdienst anrechnet, der Stagnation der heiligen Allianz ein Ende gemacht zu haben,<lb/> so wollen wir dem nicht widersprechen, aber es scheint uns zu weit gegangen, wenn<lb/> er im napoleonischen Princip sogar etwas Heilsames für ganz Europa sieht, weil<lb/> es ein wesentlich dynamisches Princip sei; ist es als ein Glück zu preisen, daß die<lb/> Lorbeern des Staatsstreiches so viele Fürsten und Minister nicht haben schlafen lassen?<lb/> Sehr richtig macht die Bemerkung den Schluß des Capitels, daß, wenn weder mit'<lb/> Nußland noch mit Frankreich eine Allianz für Preußen wünschenswert!) sei, eine<lb/> Verbündung mit beiden vollends verkehrt sein würde, der langgestreckte Staat würde<lb/> in der Umarmung seiner beiden gröber zusammengesetzten Freunde erdrückt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_280" next="#ID_281"> Es bleibt also, das ist der Schluß, dem wir von ganzem Herzen beistimmen,<lb/> für Preußen nur die Allianz mit England. Beide Staaten haben keine großen<lb/> Interessen, die sich widerstreiten, wo das der Fall und positive gleichartige Bestre¬<lb/> bungen dazu kommen, sind die Grundlagen eines natürlichen Bundes gegeben. Eng¬<lb/> land kann kein Dorf von Preußen gebrauchen, es bedarf aber einer sichern militä¬<lb/> rischen Allianz auf dem Kontinent, und ist Preußen bereit dazu, dies zu werden,<lb/> so wird England sein Auswachsen nicht nur nicht hindern, sondern, fördern. Man<lb/> kann, wie uns bedünken will, hierauf nicht genug Nachdruck legen. So lange Preu¬<lb/> ßen von Nußland sich umgarnen ließ und wesentlich eine anticnglischc Politik befolgte,<lb/> durfte es England nicht begünstigen, es würde sich jedoch gewiß jeder Schmälerung<lb/> seines Besitzstandes widersetzt haben; der Frage aber, ob Preußen ein zuverlässiger<lb/> Alliirter werde, wird England alle andern Bedenken unterordnen. Preußen dagegen<lb/> ist es unendlich wichtig, einen secmächtigen Verbündeten zu haben. Sehr hübsch<lb/> wird in Cap. IV. die Geschichte der Beziehungen beider Staaten zueinander skizzirt,<lb/> aber besonders schlagend ist die Schilderung der Grundlagen der englischen Macht.<lb/> „Es ist das Eigenthümliche der britischen Handels- und Seeherrschaft, daß sie in der<lb/> That nicht die Basis der britischen Größe bildet, sondern nur den Hebel ihrer Ent¬<lb/> wicklung, während das Fundament in einer soliden Landmacht liegt. England<lb/> ist Rom und Karthago zugleich. Und wie es ursprünglich als Agriculturstaat<lb/> gegründet ward und die Grundbesitzverhältnisse noch bis heute den Kern seiner po-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0124]
fast stets das Gegentheil von dem, was der erste seines Namens that. Wenn der
Verfasser ihm bereitwillig große Müßigung neben großer Klugheit zugesteht, warum
legt er auf frühere Aeußerungen bei der boulogner Landung solchen Werth? Das
ist eben der Vorzug, welcher Louis Napoleon auszeichnet, daß er beständig lernt und
sich nicht durch frühere Meinungen gebunden glaubt, wenn-er einsieht, daß er Un¬
recht gehabt, oder daß die Umstände sich geändert. War nicht die Geschichte mit
dem Adler in Boulogne absurd? warum soll eine damalige Phrase desselben Mannes,
er repräsentire die Niederlage von Waterloo, mehr gelten? Es war eben damals
eine Zeit, wo das rsvemons pour ^g-tsrloo in aller Munde war und Louis Napo¬
leon, der sich durch Boulogne wie durch Straßburg nur in Erinnerung bringen
wollte, bediente sich in seinem Proceß solcher Schlagworte, welche, wie er wußte,
zünden würden. In den läse« Mpolvonisnnes sind gewiß für den jetzigen Kaiser
höchst charakteristische Sachen, aber kann man glauben, daß er alles davon noch ver¬
treten werde? Wir glauben es -nicht, und glauben deshalb auch nicht, daß er die
Nhcingrenzc beabsichtigt, weil er weiß, daß dies ein Bruch mit England ist, den er
nicht ertragen kann. Wenn auf der andern Seite der Verfasser es Napoleon als
Verdienst anrechnet, der Stagnation der heiligen Allianz ein Ende gemacht zu haben,
so wollen wir dem nicht widersprechen, aber es scheint uns zu weit gegangen, wenn
er im napoleonischen Princip sogar etwas Heilsames für ganz Europa sieht, weil
es ein wesentlich dynamisches Princip sei; ist es als ein Glück zu preisen, daß die
Lorbeern des Staatsstreiches so viele Fürsten und Minister nicht haben schlafen lassen?
Sehr richtig macht die Bemerkung den Schluß des Capitels, daß, wenn weder mit'
Nußland noch mit Frankreich eine Allianz für Preußen wünschenswert!) sei, eine
Verbündung mit beiden vollends verkehrt sein würde, der langgestreckte Staat würde
in der Umarmung seiner beiden gröber zusammengesetzten Freunde erdrückt werden.
Es bleibt also, das ist der Schluß, dem wir von ganzem Herzen beistimmen,
für Preußen nur die Allianz mit England. Beide Staaten haben keine großen
Interessen, die sich widerstreiten, wo das der Fall und positive gleichartige Bestre¬
bungen dazu kommen, sind die Grundlagen eines natürlichen Bundes gegeben. Eng¬
land kann kein Dorf von Preußen gebrauchen, es bedarf aber einer sichern militä¬
rischen Allianz auf dem Kontinent, und ist Preußen bereit dazu, dies zu werden,
so wird England sein Auswachsen nicht nur nicht hindern, sondern, fördern. Man
kann, wie uns bedünken will, hierauf nicht genug Nachdruck legen. So lange Preu¬
ßen von Nußland sich umgarnen ließ und wesentlich eine anticnglischc Politik befolgte,
durfte es England nicht begünstigen, es würde sich jedoch gewiß jeder Schmälerung
seines Besitzstandes widersetzt haben; der Frage aber, ob Preußen ein zuverlässiger
Alliirter werde, wird England alle andern Bedenken unterordnen. Preußen dagegen
ist es unendlich wichtig, einen secmächtigen Verbündeten zu haben. Sehr hübsch
wird in Cap. IV. die Geschichte der Beziehungen beider Staaten zueinander skizzirt,
aber besonders schlagend ist die Schilderung der Grundlagen der englischen Macht.
„Es ist das Eigenthümliche der britischen Handels- und Seeherrschaft, daß sie in der
That nicht die Basis der britischen Größe bildet, sondern nur den Hebel ihrer Ent¬
wicklung, während das Fundament in einer soliden Landmacht liegt. England
ist Rom und Karthago zugleich. Und wie es ursprünglich als Agriculturstaat
gegründet ward und die Grundbesitzverhältnisse noch bis heute den Kern seiner po-
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