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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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des kaiserlichen Raths Peutinger zu Augsburg, dessen Tochter Constanze den
Lvrberkranz flocht, womit der Kaiser des gelehrten und kunstreichen, viel-
erfahrener und kampfesmuthigen Ritters.Stirn am 12, Juli schmückte. Das
Dichtcrdiplom verdanken wir den emsigen Nachforschungen Burckhards. Peu-
tinger, Spiegel und Stab suchten auch den jungen Freund in des Kaisers
Dienste zu ziehen, dieser aber wanderte, nach einigem Bedenken, über Bam-
berg. wo er bei dem befreundeten Kanonikus Jacob Fuchs verweilte und Ea-
merarius ihn kennen lernte, und wo die vierte Rede gegen den Wirtemberger
geschrieben wurde, heimwärts. Von Stackelberg 1. December ist die merk¬
würdige an Leo X. gerichtete Vorrede zu der Schrift des Lorenzo Valla über
die constantinische Schenkung datiert, welche Herder als Jugend-, Helden- oder
Eulenspiegelstreich bezeichnete, welche aber Ser. richtiger als eine wohlberech-
nete Wendung erklärt, dem Papste die Aeußerung des Mißvergnügens über
die, wie Hütten wohl wußte, sehr unwillkommene Publication abzuschneiden.
Eine Abschrift von Battas noch jetzt in der Geschichte der Kritik der kanoni-
stischen Rechtsquellen Epoche machenden Schrift hatte sich Hütten noch in Bologna
bei Constans, wo er sie zuerst gesehen, bestellt. Die curialistischen Aussau-
gungen Deutschlands erklären, "wie derselbe Erzbischof, der Luthers Angriff auf
den Ablaß so übel aufnahm, mit Huttcns Kampf gegen die päpstlichen Uebergriffe
im Stillen nicht so unzufrieden war", vielmehr den keck angreifenden Streiter
in seine Dienste nahm; der Mainzer Erzbischof hatte für sein Pallium 20,000
(nach Ranke Reform. I. 309 waren es 30,000) Goldgulden zu bezahlen, wo¬
gegen er sich an dem Ablaßhandel erholen sollte. Schon um Weihnachten fin¬
den wir Hütten in Angelegenheiten des Fürsten auf einer Reise zum Könige
von Frankreich; in Paris bei Rnzäus bestens empfangen, machte er den gün¬
stigsten Eindruck auf Budüus, der nicht ohne Glück damals mit Erasmus um
die Palme europäischen Gelehrtenruhmes rang, die Bekanntschaft des berühm¬
ten Faber von Estaples, der königlichen Leibarzte de la Ruelle und Cops
aus Basel. Aber schon im Februar geleitet er seinen Mainzer Herrn nach
Halle, ist jedoch am 3. April wieder in Mainz, von wo er, kaum vom Pferde
abgestiegen, den' oben angeführten Brief an den Grafen Neuenar über die
reuchlinistische Angelegenheit nach Köln 'schreibt, den wir als den Höhepunkt
von Huttens Amtswirksamkeit bezeichnend herausheben möchten; er läßt einen
raschen, aber umsichtigen, mannigfaltig, aber freudig und gründlich thätigen
Geschäftsmann erkennen, dessen eigentliches Wesen aber Patriotismus und Hu¬
manismus ist. ^

Auch das 10. Kap. eröffnet sich mit Reisen nach Sachsen und zurück nach
Mainz, von wo Hütten schon am 25. Mai 1518 an Pcutinger seine Aufmale
mung an alle deutschen Fürsten zum Türkenkrieg sendet, welchen der Kaiser
und die österreichische Partei aufrichtig beabsichtigte, der Papst und seine Partei


des kaiserlichen Raths Peutinger zu Augsburg, dessen Tochter Constanze den
Lvrberkranz flocht, womit der Kaiser des gelehrten und kunstreichen, viel-
erfahrener und kampfesmuthigen Ritters.Stirn am 12, Juli schmückte. Das
Dichtcrdiplom verdanken wir den emsigen Nachforschungen Burckhards. Peu-
tinger, Spiegel und Stab suchten auch den jungen Freund in des Kaisers
Dienste zu ziehen, dieser aber wanderte, nach einigem Bedenken, über Bam-
berg. wo er bei dem befreundeten Kanonikus Jacob Fuchs verweilte und Ea-
merarius ihn kennen lernte, und wo die vierte Rede gegen den Wirtemberger
geschrieben wurde, heimwärts. Von Stackelberg 1. December ist die merk¬
würdige an Leo X. gerichtete Vorrede zu der Schrift des Lorenzo Valla über
die constantinische Schenkung datiert, welche Herder als Jugend-, Helden- oder
Eulenspiegelstreich bezeichnete, welche aber Ser. richtiger als eine wohlberech-
nete Wendung erklärt, dem Papste die Aeußerung des Mißvergnügens über
die, wie Hütten wohl wußte, sehr unwillkommene Publication abzuschneiden.
Eine Abschrift von Battas noch jetzt in der Geschichte der Kritik der kanoni-
stischen Rechtsquellen Epoche machenden Schrift hatte sich Hütten noch in Bologna
bei Constans, wo er sie zuerst gesehen, bestellt. Die curialistischen Aussau-
gungen Deutschlands erklären, „wie derselbe Erzbischof, der Luthers Angriff auf
den Ablaß so übel aufnahm, mit Huttcns Kampf gegen die päpstlichen Uebergriffe
im Stillen nicht so unzufrieden war", vielmehr den keck angreifenden Streiter
in seine Dienste nahm; der Mainzer Erzbischof hatte für sein Pallium 20,000
(nach Ranke Reform. I. 309 waren es 30,000) Goldgulden zu bezahlen, wo¬
gegen er sich an dem Ablaßhandel erholen sollte. Schon um Weihnachten fin¬
den wir Hütten in Angelegenheiten des Fürsten auf einer Reise zum Könige
von Frankreich; in Paris bei Rnzäus bestens empfangen, machte er den gün¬
stigsten Eindruck auf Budüus, der nicht ohne Glück damals mit Erasmus um
die Palme europäischen Gelehrtenruhmes rang, die Bekanntschaft des berühm¬
ten Faber von Estaples, der königlichen Leibarzte de la Ruelle und Cops
aus Basel. Aber schon im Februar geleitet er seinen Mainzer Herrn nach
Halle, ist jedoch am 3. April wieder in Mainz, von wo er, kaum vom Pferde
abgestiegen, den' oben angeführten Brief an den Grafen Neuenar über die
reuchlinistische Angelegenheit nach Köln 'schreibt, den wir als den Höhepunkt
von Huttens Amtswirksamkeit bezeichnend herausheben möchten; er läßt einen
raschen, aber umsichtigen, mannigfaltig, aber freudig und gründlich thätigen
Geschäftsmann erkennen, dessen eigentliches Wesen aber Patriotismus und Hu¬
manismus ist. ^

Auch das 10. Kap. eröffnet sich mit Reisen nach Sachsen und zurück nach
Mainz, von wo Hütten schon am 25. Mai 1518 an Pcutinger seine Aufmale
mung an alle deutschen Fürsten zum Türkenkrieg sendet, welchen der Kaiser
und die österreichische Partei aufrichtig beabsichtigte, der Papst und seine Partei


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[0102] des kaiserlichen Raths Peutinger zu Augsburg, dessen Tochter Constanze den Lvrberkranz flocht, womit der Kaiser des gelehrten und kunstreichen, viel- erfahrener und kampfesmuthigen Ritters.Stirn am 12, Juli schmückte. Das Dichtcrdiplom verdanken wir den emsigen Nachforschungen Burckhards. Peu- tinger, Spiegel und Stab suchten auch den jungen Freund in des Kaisers Dienste zu ziehen, dieser aber wanderte, nach einigem Bedenken, über Bam- berg. wo er bei dem befreundeten Kanonikus Jacob Fuchs verweilte und Ea- merarius ihn kennen lernte, und wo die vierte Rede gegen den Wirtemberger geschrieben wurde, heimwärts. Von Stackelberg 1. December ist die merk¬ würdige an Leo X. gerichtete Vorrede zu der Schrift des Lorenzo Valla über die constantinische Schenkung datiert, welche Herder als Jugend-, Helden- oder Eulenspiegelstreich bezeichnete, welche aber Ser. richtiger als eine wohlberech- nete Wendung erklärt, dem Papste die Aeußerung des Mißvergnügens über die, wie Hütten wohl wußte, sehr unwillkommene Publication abzuschneiden. Eine Abschrift von Battas noch jetzt in der Geschichte der Kritik der kanoni- stischen Rechtsquellen Epoche machenden Schrift hatte sich Hütten noch in Bologna bei Constans, wo er sie zuerst gesehen, bestellt. Die curialistischen Aussau- gungen Deutschlands erklären, „wie derselbe Erzbischof, der Luthers Angriff auf den Ablaß so übel aufnahm, mit Huttcns Kampf gegen die päpstlichen Uebergriffe im Stillen nicht so unzufrieden war", vielmehr den keck angreifenden Streiter in seine Dienste nahm; der Mainzer Erzbischof hatte für sein Pallium 20,000 (nach Ranke Reform. I. 309 waren es 30,000) Goldgulden zu bezahlen, wo¬ gegen er sich an dem Ablaßhandel erholen sollte. Schon um Weihnachten fin¬ den wir Hütten in Angelegenheiten des Fürsten auf einer Reise zum Könige von Frankreich; in Paris bei Rnzäus bestens empfangen, machte er den gün¬ stigsten Eindruck auf Budüus, der nicht ohne Glück damals mit Erasmus um die Palme europäischen Gelehrtenruhmes rang, die Bekanntschaft des berühm¬ ten Faber von Estaples, der königlichen Leibarzte de la Ruelle und Cops aus Basel. Aber schon im Februar geleitet er seinen Mainzer Herrn nach Halle, ist jedoch am 3. April wieder in Mainz, von wo er, kaum vom Pferde abgestiegen, den' oben angeführten Brief an den Grafen Neuenar über die reuchlinistische Angelegenheit nach Köln 'schreibt, den wir als den Höhepunkt von Huttens Amtswirksamkeit bezeichnend herausheben möchten; er läßt einen raschen, aber umsichtigen, mannigfaltig, aber freudig und gründlich thätigen Geschäftsmann erkennen, dessen eigentliches Wesen aber Patriotismus und Hu¬ manismus ist. ^ Auch das 10. Kap. eröffnet sich mit Reisen nach Sachsen und zurück nach Mainz, von wo Hütten schon am 25. Mai 1518 an Pcutinger seine Aufmale mung an alle deutschen Fürsten zum Türkenkrieg sendet, welchen der Kaiser und die österreichische Partei aufrichtig beabsichtigte, der Papst und seine Partei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/102>, abgerufen am 27.07.2024.