Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Klagen des Schmerzes, es fehlen die neuen Kränze, die reinen Gewänder,
es fehlt der laute Ausdruck der Gefühle, mit denen ein großes Volk dem
neuen Souverän cntgegenruft. Der Fürst selbst entbehrt die hohe Poesie des
Königthums, deren voller Glanz nur aus die ersten Wochen der Herrschaft
fällt, und für ihn ach! so schnell verbleicht. Ihm sind die alten Gesichter
geblieben, der alte Staub, die matte graue, einfarbige Alltäglichkeit. Lang¬
sam und reizlos umschließt den Pslichtvollen sein neues Amt, und längst em¬
pfindet er den Druck der Krone, bevor ihr Leuchten seine Stirn erhellt. Der
?3. Januar wird wahrscheinlich eine Verlängerung seines Maubads bringen.
Schwerlich werden die Kammern dieses Winters etwas thun, um das neue
Verfassungsleben Preußens an dem großen Uebergange zu betheiligen. -- In
diesem Jahre aber werden in Preußen neue Volksvertreter gewählt.

Doch zwischen den grauen Schatten, welche die Wiege des neuen Jahres
umgeben, fehlen nicht ganz farbige Bilder und lachende Gesichter. In dem
Königsstamm der Hohenzollern wird ein neuer Haushalt eingerichtet. Des
Deutschen Herz, stets bereit zu lieben und zu verehren, und gemüthlicher Erhe¬
bung sehr bedürftig, erwärmt sich bei dem Gedanken an das Glück eines jungen
Paares und freudig werden kleine Züge aus ihrem Leben erzählt und gehört,
welche Hoffnung geben, daß die Verlobten, welche einst die Krone Preußens
tragen sollen, glücklich und gut sein werden. Und wenn warme Glück¬
wünsche des Volkes ihnen das neue Haus schmücken konnten, so müßte jeder
Dachziegel von Golde sein. Auch dem NichtPreußen erscheint als Verhei¬
ßung einer großen Zukunft, daß jetzt Wahrheit wird, was vor mehr als
hundert Jahren erstrebt und damals einem König vereitelt wurde, dessen
Heldengestalt noch immer über dem .Kampf unserer Parteien schwebt als Haus¬
geist des preußischen Staats, und Vorkämpfer des deutschen Nordens.

So ist auch in der vcrnüchterten, unsichern Gegenwart das Gemüth der
Deutschen nicht ohne die Geschenke der Göttin, welche ihm die nationalste
von allen ist, der Hoffnung. Ueber jedem Wechsel der Stimmung und Inter¬
essen aber soll unsrer Nation die große Ueberzeugung stehn, daß wir in eine
Periode unsrer Entwicklung getreten sind, wo wir alles sichere Wachsthum
an Stärke und Größe nicht als ein müheloses Geschenk der ewigen Gewalten,
auch nicht als eine plötzliche Gabe unsrer Fürsten erwarten dürfen, sondern
daß wir selbst mit Tüchtigkeit, in langen Kämpfen und durch unermüdliche Arbeit
darnach zu ringen haben. Und so sollen wir das neue Jahr nicht mit Klagen
und Träumen beginnen, sondern mit den Borsätzen eines ernsten Willens.

Solche gute Vorsätze spricht auch dies Blatt grüßend vor seinen
Lesern aus.




Klagen des Schmerzes, es fehlen die neuen Kränze, die reinen Gewänder,
es fehlt der laute Ausdruck der Gefühle, mit denen ein großes Volk dem
neuen Souverän cntgegenruft. Der Fürst selbst entbehrt die hohe Poesie des
Königthums, deren voller Glanz nur aus die ersten Wochen der Herrschaft
fällt, und für ihn ach! so schnell verbleicht. Ihm sind die alten Gesichter
geblieben, der alte Staub, die matte graue, einfarbige Alltäglichkeit. Lang¬
sam und reizlos umschließt den Pslichtvollen sein neues Amt, und längst em¬
pfindet er den Druck der Krone, bevor ihr Leuchten seine Stirn erhellt. Der
?3. Januar wird wahrscheinlich eine Verlängerung seines Maubads bringen.
Schwerlich werden die Kammern dieses Winters etwas thun, um das neue
Verfassungsleben Preußens an dem großen Uebergange zu betheiligen. — In
diesem Jahre aber werden in Preußen neue Volksvertreter gewählt.

Doch zwischen den grauen Schatten, welche die Wiege des neuen Jahres
umgeben, fehlen nicht ganz farbige Bilder und lachende Gesichter. In dem
Königsstamm der Hohenzollern wird ein neuer Haushalt eingerichtet. Des
Deutschen Herz, stets bereit zu lieben und zu verehren, und gemüthlicher Erhe¬
bung sehr bedürftig, erwärmt sich bei dem Gedanken an das Glück eines jungen
Paares und freudig werden kleine Züge aus ihrem Leben erzählt und gehört,
welche Hoffnung geben, daß die Verlobten, welche einst die Krone Preußens
tragen sollen, glücklich und gut sein werden. Und wenn warme Glück¬
wünsche des Volkes ihnen das neue Haus schmücken konnten, so müßte jeder
Dachziegel von Golde sein. Auch dem NichtPreußen erscheint als Verhei¬
ßung einer großen Zukunft, daß jetzt Wahrheit wird, was vor mehr als
hundert Jahren erstrebt und damals einem König vereitelt wurde, dessen
Heldengestalt noch immer über dem .Kampf unserer Parteien schwebt als Haus¬
geist des preußischen Staats, und Vorkämpfer des deutschen Nordens.

So ist auch in der vcrnüchterten, unsichern Gegenwart das Gemüth der
Deutschen nicht ohne die Geschenke der Göttin, welche ihm die nationalste
von allen ist, der Hoffnung. Ueber jedem Wechsel der Stimmung und Inter¬
essen aber soll unsrer Nation die große Ueberzeugung stehn, daß wir in eine
Periode unsrer Entwicklung getreten sind, wo wir alles sichere Wachsthum
an Stärke und Größe nicht als ein müheloses Geschenk der ewigen Gewalten,
auch nicht als eine plötzliche Gabe unsrer Fürsten erwarten dürfen, sondern
daß wir selbst mit Tüchtigkeit, in langen Kämpfen und durch unermüdliche Arbeit
darnach zu ringen haben. Und so sollen wir das neue Jahr nicht mit Klagen
und Träumen beginnen, sondern mit den Borsätzen eines ernsten Willens.

Solche gute Vorsätze spricht auch dies Blatt grüßend vor seinen
Lesern aus.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0010" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105287"/>
          <p xml:id="ID_11" prev="#ID_10"> Klagen des Schmerzes, es fehlen die neuen Kränze, die reinen Gewänder,<lb/>
es fehlt der laute Ausdruck der Gefühle, mit denen ein großes Volk dem<lb/>
neuen Souverän cntgegenruft. Der Fürst selbst entbehrt die hohe Poesie des<lb/>
Königthums, deren voller Glanz nur aus die ersten Wochen der Herrschaft<lb/>
fällt, und für ihn ach! so schnell verbleicht. Ihm sind die alten Gesichter<lb/>
geblieben, der alte Staub, die matte graue, einfarbige Alltäglichkeit. Lang¬<lb/>
sam und reizlos umschließt den Pslichtvollen sein neues Amt, und längst em¬<lb/>
pfindet er den Druck der Krone, bevor ihr Leuchten seine Stirn erhellt. Der<lb/>
?3. Januar wird wahrscheinlich eine Verlängerung seines Maubads bringen.<lb/>
Schwerlich werden die Kammern dieses Winters etwas thun, um das neue<lb/>
Verfassungsleben Preußens an dem großen Uebergange zu betheiligen. &#x2014; In<lb/>
diesem Jahre aber werden in Preußen neue Volksvertreter gewählt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_12"> Doch zwischen den grauen Schatten, welche die Wiege des neuen Jahres<lb/>
umgeben, fehlen nicht ganz farbige Bilder und lachende Gesichter. In dem<lb/>
Königsstamm der Hohenzollern wird ein neuer Haushalt eingerichtet. Des<lb/>
Deutschen Herz, stets bereit zu lieben und zu verehren, und gemüthlicher Erhe¬<lb/>
bung sehr bedürftig, erwärmt sich bei dem Gedanken an das Glück eines jungen<lb/>
Paares und freudig werden kleine Züge aus ihrem Leben erzählt und gehört,<lb/>
welche Hoffnung geben, daß die Verlobten, welche einst die Krone Preußens<lb/>
tragen sollen, glücklich und gut sein werden. Und wenn warme Glück¬<lb/>
wünsche des Volkes ihnen das neue Haus schmücken konnten, so müßte jeder<lb/>
Dachziegel von Golde sein. Auch dem NichtPreußen erscheint als Verhei¬<lb/>
ßung einer großen Zukunft, daß jetzt Wahrheit wird, was vor mehr als<lb/>
hundert Jahren erstrebt und damals einem König vereitelt wurde, dessen<lb/>
Heldengestalt noch immer über dem .Kampf unserer Parteien schwebt als Haus¬<lb/>
geist des preußischen Staats, und Vorkämpfer des deutschen Nordens.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_13"> So ist auch in der vcrnüchterten, unsichern Gegenwart das Gemüth der<lb/>
Deutschen nicht ohne die Geschenke der Göttin, welche ihm die nationalste<lb/>
von allen ist, der Hoffnung. Ueber jedem Wechsel der Stimmung und Inter¬<lb/>
essen aber soll unsrer Nation die große Ueberzeugung stehn, daß wir in eine<lb/>
Periode unsrer Entwicklung getreten sind, wo wir alles sichere Wachsthum<lb/>
an Stärke und Größe nicht als ein müheloses Geschenk der ewigen Gewalten,<lb/>
auch nicht als eine plötzliche Gabe unsrer Fürsten erwarten dürfen, sondern<lb/>
daß wir selbst mit Tüchtigkeit, in langen Kämpfen und durch unermüdliche Arbeit<lb/>
darnach zu ringen haben. Und so sollen wir das neue Jahr nicht mit Klagen<lb/>
und Träumen beginnen, sondern mit den Borsätzen eines ernsten Willens.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_14"> Solche gute Vorsätze spricht auch dies Blatt grüßend vor seinen<lb/>
Lesern aus.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0010] Klagen des Schmerzes, es fehlen die neuen Kränze, die reinen Gewänder, es fehlt der laute Ausdruck der Gefühle, mit denen ein großes Volk dem neuen Souverän cntgegenruft. Der Fürst selbst entbehrt die hohe Poesie des Königthums, deren voller Glanz nur aus die ersten Wochen der Herrschaft fällt, und für ihn ach! so schnell verbleicht. Ihm sind die alten Gesichter geblieben, der alte Staub, die matte graue, einfarbige Alltäglichkeit. Lang¬ sam und reizlos umschließt den Pslichtvollen sein neues Amt, und längst em¬ pfindet er den Druck der Krone, bevor ihr Leuchten seine Stirn erhellt. Der ?3. Januar wird wahrscheinlich eine Verlängerung seines Maubads bringen. Schwerlich werden die Kammern dieses Winters etwas thun, um das neue Verfassungsleben Preußens an dem großen Uebergange zu betheiligen. — In diesem Jahre aber werden in Preußen neue Volksvertreter gewählt. Doch zwischen den grauen Schatten, welche die Wiege des neuen Jahres umgeben, fehlen nicht ganz farbige Bilder und lachende Gesichter. In dem Königsstamm der Hohenzollern wird ein neuer Haushalt eingerichtet. Des Deutschen Herz, stets bereit zu lieben und zu verehren, und gemüthlicher Erhe¬ bung sehr bedürftig, erwärmt sich bei dem Gedanken an das Glück eines jungen Paares und freudig werden kleine Züge aus ihrem Leben erzählt und gehört, welche Hoffnung geben, daß die Verlobten, welche einst die Krone Preußens tragen sollen, glücklich und gut sein werden. Und wenn warme Glück¬ wünsche des Volkes ihnen das neue Haus schmücken konnten, so müßte jeder Dachziegel von Golde sein. Auch dem NichtPreußen erscheint als Verhei¬ ßung einer großen Zukunft, daß jetzt Wahrheit wird, was vor mehr als hundert Jahren erstrebt und damals einem König vereitelt wurde, dessen Heldengestalt noch immer über dem .Kampf unserer Parteien schwebt als Haus¬ geist des preußischen Staats, und Vorkämpfer des deutschen Nordens. So ist auch in der vcrnüchterten, unsichern Gegenwart das Gemüth der Deutschen nicht ohne die Geschenke der Göttin, welche ihm die nationalste von allen ist, der Hoffnung. Ueber jedem Wechsel der Stimmung und Inter¬ essen aber soll unsrer Nation die große Ueberzeugung stehn, daß wir in eine Periode unsrer Entwicklung getreten sind, wo wir alles sichere Wachsthum an Stärke und Größe nicht als ein müheloses Geschenk der ewigen Gewalten, auch nicht als eine plötzliche Gabe unsrer Fürsten erwarten dürfen, sondern daß wir selbst mit Tüchtigkeit, in langen Kämpfen und durch unermüdliche Arbeit darnach zu ringen haben. Und so sollen wir das neue Jahr nicht mit Klagen und Träumen beginnen, sondern mit den Borsätzen eines ernsten Willens. Solche gute Vorsätze spricht auch dies Blatt grüßend vor seinen Lesern aus.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/10
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/10>, abgerufen am 22.12.2024.