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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Gelal, der gleich jenem vorhin erwähnten Ausleger Cottada, behauptet, der
Gesteinigte (d. i. Satan) berührte, mit alleiniger Ausnahme von Jesus und
Maria,! jedes Kind bei seiner Geburt und deshalb komme eS weinend auf die
Welt. Das Programm hebt hervor, dies Zeugniß der unbefleckten Empfäng¬
nis) sei älter als der Streit der Scholastiker. Bekanntlich benutzten die Ver¬
theidiger deS Dogmas gern derartige brauchbare Citate aus den sonst nichts
als Irrlehren enthaltenden und deshalb verpöntem Schriften der Ungläubigen.

Ein Holländer, Sign. Van t>e Winkel (vielleicht ein Nachkomme Rip
van Winkels) aus Ruremonda vertritt mit derber Deutlichkeit und Nüchtern-
heit seine zähen, natürlichen, tüchtigen und poesiearmen Landsleute. Daß ihm
die Worte eines katholischen Missionärs in den Mund gelegt sind, der da jam¬
mert, daß die protestantischen Krämer die katholische Propaganda Sankt Sa-
verioö aus Amboina vereitelten, klingt in seinem Mund freilich absonderlich
genug.

Sign. Stanislav KostkaS, des berühmten polnischen, Jesuiten, Andenken
feiert ein Russisch-Pole, Sign. Malezvnski aus Holubie. Er hat slavisches
Phlegma, dabei aber etwas Geschmeidiges, schleichendes.

Sign. Mac-Glynn aus Neuvork läßt den Eremiten von Finisterere Wünsche
über die Wieverbekehrung des abtrünnigen Englands äußern. Es fällt da¬
bei auf, wie die englische Sprache die Zunge von einem Worte zum andern
nie ganz frei läßt, als ob ein großer Vorrath von Lauten immer bis an die
Lippen gelange, dann aber wieder mit der Zunge zurückrolle. Dies stimmt
mit dem Eindruck, als wate die Zunge des Briten im Wasser und komme nie
ganz aufs trockne Land.

Wenig Klang hat der nun folgende ungarische Vortrag deS Sign. Baver
aus Elaudiopoli (Klausenburg), doch ist die Erscheinung männlich und die
Bewegung natürlich dramatisch.

Ein rhätisches Gedicht des Sign. Tognola, aus dem rhätischen Theile der
Schweiz, erhält durch den jüdisch weinerlichen Ton etwas Schwächliches, waS
die vielen auf la und a auslaufenden Endungen sonst nicht verschulden konnten.
Sign. Kavar aus der Moldau spielt aus die politischen Ereignisse in Bukarest an.
Sein Rumänisch ist weichen Klanges und der Vortrag ernst.

Den Schluß endlich bilden abermals drei kleine Komiker: zwei Griechen
Signori Lagomarsini aus Zarte und Polito aus Corfu, der dritte ein Ame¬
rikaner, Sign. Pinckley. Sie deliberiren über die schon oben erwähnte Tri¬
umphsäule, bringen die naseweisesten Einfälle über römische Kaiser vor, schlie¬
ßen Endlich zustimmend, es sei ganz in der Ordnung, daß man Maria nicht
gegen Trajan und Antonius zurückstehen lasse.

Unter abermaligem Paukenwirbel und Trompetengeschmetter verlassen die
vielseitig angeregten Zuhörer die Kapelle.


Gelal, der gleich jenem vorhin erwähnten Ausleger Cottada, behauptet, der
Gesteinigte (d. i. Satan) berührte, mit alleiniger Ausnahme von Jesus und
Maria,! jedes Kind bei seiner Geburt und deshalb komme eS weinend auf die
Welt. Das Programm hebt hervor, dies Zeugniß der unbefleckten Empfäng¬
nis) sei älter als der Streit der Scholastiker. Bekanntlich benutzten die Ver¬
theidiger deS Dogmas gern derartige brauchbare Citate aus den sonst nichts
als Irrlehren enthaltenden und deshalb verpöntem Schriften der Ungläubigen.

Ein Holländer, Sign. Van t>e Winkel (vielleicht ein Nachkomme Rip
van Winkels) aus Ruremonda vertritt mit derber Deutlichkeit und Nüchtern-
heit seine zähen, natürlichen, tüchtigen und poesiearmen Landsleute. Daß ihm
die Worte eines katholischen Missionärs in den Mund gelegt sind, der da jam¬
mert, daß die protestantischen Krämer die katholische Propaganda Sankt Sa-
verioö aus Amboina vereitelten, klingt in seinem Mund freilich absonderlich
genug.

Sign. Stanislav KostkaS, des berühmten polnischen, Jesuiten, Andenken
feiert ein Russisch-Pole, Sign. Malezvnski aus Holubie. Er hat slavisches
Phlegma, dabei aber etwas Geschmeidiges, schleichendes.

Sign. Mac-Glynn aus Neuvork läßt den Eremiten von Finisterere Wünsche
über die Wieverbekehrung des abtrünnigen Englands äußern. Es fällt da¬
bei auf, wie die englische Sprache die Zunge von einem Worte zum andern
nie ganz frei läßt, als ob ein großer Vorrath von Lauten immer bis an die
Lippen gelange, dann aber wieder mit der Zunge zurückrolle. Dies stimmt
mit dem Eindruck, als wate die Zunge des Briten im Wasser und komme nie
ganz aufs trockne Land.

Wenig Klang hat der nun folgende ungarische Vortrag deS Sign. Baver
aus Elaudiopoli (Klausenburg), doch ist die Erscheinung männlich und die
Bewegung natürlich dramatisch.

Ein rhätisches Gedicht des Sign. Tognola, aus dem rhätischen Theile der
Schweiz, erhält durch den jüdisch weinerlichen Ton etwas Schwächliches, waS
die vielen auf la und a auslaufenden Endungen sonst nicht verschulden konnten.
Sign. Kavar aus der Moldau spielt aus die politischen Ereignisse in Bukarest an.
Sein Rumänisch ist weichen Klanges und der Vortrag ernst.

Den Schluß endlich bilden abermals drei kleine Komiker: zwei Griechen
Signori Lagomarsini aus Zarte und Polito aus Corfu, der dritte ein Ame¬
rikaner, Sign. Pinckley. Sie deliberiren über die schon oben erwähnte Tri¬
umphsäule, bringen die naseweisesten Einfälle über römische Kaiser vor, schlie¬
ßen Endlich zustimmend, es sei ganz in der Ordnung, daß man Maria nicht
gegen Trajan und Antonius zurückstehen lasse.

Unter abermaligem Paukenwirbel und Trompetengeschmetter verlassen die
vielseitig angeregten Zuhörer die Kapelle.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/74>, abgerufen am 23.07.2024.