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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Gastmahl des Trimalchio der Secretär des Hauses zur Unterhaltung der Gaste
eine Privatzeitung vorliest, welche ausschließlich der Tagesgeschichte des tri-
malchivnischen Reichs und Hofstaats gewidmet ist, so ist dies natürlich eine
carikirte Parodie des Staatsanzeigers, die indessen mit ihrem Original immer
eine gewisse Ähnlichkeit hat. Zu mehren darin vorkommenden Angaben wird
man die Analogien in dem bisher Mitgtheilten finden, und bei der Wahrheit,
die bei Petron auch die Carikaturen haben, dürfen wir sie auch für die übri¬
gen voraussetzen. Dieses trimalchionische Intelligenzblatt, (aus welchem bereits
in einem frühern Artikel ein Bruchstück mitgetheilt worden ist) lautet wie folgt:

Den 26. Juli. Auf dem Gut bei Cumä, welches dem Trimalchio gehört!,
wurden dreißig Knaben und vierzig Mädchen geboren; aus der Tenne wurden
siebzigtausend Scheffel Weizen auf den Speicher gebracht; fünfhundert Ochsen
wurden eingefahren. An demselben Tage wurde der Sklave Mithridates ge¬
kreuzigt, weil er von der Person unseres Herrn übel gesprochen hatte. An
demselben Tage war in den Gärten bei Pompeji eine Feuersbrunst, welche in
der Wohnung des Verwalters Nasta ausbrach.

Sodann wurden die polizeilichen Bekanntmachungen für die Güter ver¬
lesen, und die Testamente der Waldhüter, in welchen Trimalchio mit ehren¬
voller Erwähnung von der Erbschaft ausgeschlossen war. Dann die Schuld¬
bestände der Gutsverwalter und die Verstoßung einer Freigelassenen durch
einen Feldhüter, da er sie in einer Schäferstunde mit einem Badediener über¬
rascht hatte; die Verweisung eines Saalaufsehers nach Bajä; eine Anklage
gegen den Intendanten und eine Gerichtsverhandlung unter den Kammer¬
dienern. "

Diese Zeitung ist nicht blos ein sehr amüsanter Beitrag zur Charakteristik
des Trimalchionismus, sondern auch eine willkommne Ergänzung unsrer wirk¬
lichen Kenntniß der ave-r clmrna, von denen sie sicherlich ein so treues Bild
gibt, als eine Parodie vies überhaupt kann. Statistische Angaben haben in
denselben ohne Zweifel nicht gefehlt, und die Vermuthung liegt nahe, daß sie
nicht selten die Dinge glänzender darstellten als sie waren. Nachrichten von
Bränden haben gewiß zu den stehenden Artikeln gehört, da es in Rom so
äußerst häufig brannte. Mittheilungen von Processen, Urtheilen, Strafen und
Hinrichtungen wegen Staatsverbrechen , Hochverrats versuchen und Maje-
stälSbeleidigungen müssen in der Zeit von Tiberius bis Nero einen Haupt-
bestandtheil der politischen Anzeigen ausgemacht haben, einer Zeit, deren Ge¬
schichte eine fortlaufende Reihe "von grausamen Befehlen, ununterbrochenen
Anklagen, betrügerischen Freundschaften, dem Verderben schuldloser und immer
derselben Ursachen des Untergangs" war (Taciius). Nur zu wohl verstand man
in jener namenlos elenden Zeit, warum die trimalchionische Zeitung grade die
unmenschlich harte Strafe deö Sklaven berichtete, "der von seinem Herrn übel


Gastmahl des Trimalchio der Secretär des Hauses zur Unterhaltung der Gaste
eine Privatzeitung vorliest, welche ausschließlich der Tagesgeschichte des tri-
malchivnischen Reichs und Hofstaats gewidmet ist, so ist dies natürlich eine
carikirte Parodie des Staatsanzeigers, die indessen mit ihrem Original immer
eine gewisse Ähnlichkeit hat. Zu mehren darin vorkommenden Angaben wird
man die Analogien in dem bisher Mitgtheilten finden, und bei der Wahrheit,
die bei Petron auch die Carikaturen haben, dürfen wir sie auch für die übri¬
gen voraussetzen. Dieses trimalchionische Intelligenzblatt, (aus welchem bereits
in einem frühern Artikel ein Bruchstück mitgetheilt worden ist) lautet wie folgt:

Den 26. Juli. Auf dem Gut bei Cumä, welches dem Trimalchio gehört!,
wurden dreißig Knaben und vierzig Mädchen geboren; aus der Tenne wurden
siebzigtausend Scheffel Weizen auf den Speicher gebracht; fünfhundert Ochsen
wurden eingefahren. An demselben Tage wurde der Sklave Mithridates ge¬
kreuzigt, weil er von der Person unseres Herrn übel gesprochen hatte. An
demselben Tage war in den Gärten bei Pompeji eine Feuersbrunst, welche in
der Wohnung des Verwalters Nasta ausbrach.

Sodann wurden die polizeilichen Bekanntmachungen für die Güter ver¬
lesen, und die Testamente der Waldhüter, in welchen Trimalchio mit ehren¬
voller Erwähnung von der Erbschaft ausgeschlossen war. Dann die Schuld¬
bestände der Gutsverwalter und die Verstoßung einer Freigelassenen durch
einen Feldhüter, da er sie in einer Schäferstunde mit einem Badediener über¬
rascht hatte; die Verweisung eines Saalaufsehers nach Bajä; eine Anklage
gegen den Intendanten und eine Gerichtsverhandlung unter den Kammer¬
dienern. «

Diese Zeitung ist nicht blos ein sehr amüsanter Beitrag zur Charakteristik
des Trimalchionismus, sondern auch eine willkommne Ergänzung unsrer wirk¬
lichen Kenntniß der ave-r clmrna, von denen sie sicherlich ein so treues Bild
gibt, als eine Parodie vies überhaupt kann. Statistische Angaben haben in
denselben ohne Zweifel nicht gefehlt, und die Vermuthung liegt nahe, daß sie
nicht selten die Dinge glänzender darstellten als sie waren. Nachrichten von
Bränden haben gewiß zu den stehenden Artikeln gehört, da es in Rom so
äußerst häufig brannte. Mittheilungen von Processen, Urtheilen, Strafen und
Hinrichtungen wegen Staatsverbrechen , Hochverrats versuchen und Maje-
stälSbeleidigungen müssen in der Zeit von Tiberius bis Nero einen Haupt-
bestandtheil der politischen Anzeigen ausgemacht haben, einer Zeit, deren Ge¬
schichte eine fortlaufende Reihe „von grausamen Befehlen, ununterbrochenen
Anklagen, betrügerischen Freundschaften, dem Verderben schuldloser und immer
derselben Ursachen des Untergangs" war (Taciius). Nur zu wohl verstand man
in jener namenlos elenden Zeit, warum die trimalchionische Zeitung grade die
unmenschlich harte Strafe deö Sklaven berichtete, „der von seinem Herrn übel


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[0064] Gastmahl des Trimalchio der Secretär des Hauses zur Unterhaltung der Gaste eine Privatzeitung vorliest, welche ausschließlich der Tagesgeschichte des tri- malchivnischen Reichs und Hofstaats gewidmet ist, so ist dies natürlich eine carikirte Parodie des Staatsanzeigers, die indessen mit ihrem Original immer eine gewisse Ähnlichkeit hat. Zu mehren darin vorkommenden Angaben wird man die Analogien in dem bisher Mitgtheilten finden, und bei der Wahrheit, die bei Petron auch die Carikaturen haben, dürfen wir sie auch für die übri¬ gen voraussetzen. Dieses trimalchionische Intelligenzblatt, (aus welchem bereits in einem frühern Artikel ein Bruchstück mitgetheilt worden ist) lautet wie folgt: Den 26. Juli. Auf dem Gut bei Cumä, welches dem Trimalchio gehört!, wurden dreißig Knaben und vierzig Mädchen geboren; aus der Tenne wurden siebzigtausend Scheffel Weizen auf den Speicher gebracht; fünfhundert Ochsen wurden eingefahren. An demselben Tage wurde der Sklave Mithridates ge¬ kreuzigt, weil er von der Person unseres Herrn übel gesprochen hatte. An demselben Tage war in den Gärten bei Pompeji eine Feuersbrunst, welche in der Wohnung des Verwalters Nasta ausbrach. Sodann wurden die polizeilichen Bekanntmachungen für die Güter ver¬ lesen, und die Testamente der Waldhüter, in welchen Trimalchio mit ehren¬ voller Erwähnung von der Erbschaft ausgeschlossen war. Dann die Schuld¬ bestände der Gutsverwalter und die Verstoßung einer Freigelassenen durch einen Feldhüter, da er sie in einer Schäferstunde mit einem Badediener über¬ rascht hatte; die Verweisung eines Saalaufsehers nach Bajä; eine Anklage gegen den Intendanten und eine Gerichtsverhandlung unter den Kammer¬ dienern. « Diese Zeitung ist nicht blos ein sehr amüsanter Beitrag zur Charakteristik des Trimalchionismus, sondern auch eine willkommne Ergänzung unsrer wirk¬ lichen Kenntniß der ave-r clmrna, von denen sie sicherlich ein so treues Bild gibt, als eine Parodie vies überhaupt kann. Statistische Angaben haben in denselben ohne Zweifel nicht gefehlt, und die Vermuthung liegt nahe, daß sie nicht selten die Dinge glänzender darstellten als sie waren. Nachrichten von Bränden haben gewiß zu den stehenden Artikeln gehört, da es in Rom so äußerst häufig brannte. Mittheilungen von Processen, Urtheilen, Strafen und Hinrichtungen wegen Staatsverbrechen , Hochverrats versuchen und Maje- stälSbeleidigungen müssen in der Zeit von Tiberius bis Nero einen Haupt- bestandtheil der politischen Anzeigen ausgemacht haben, einer Zeit, deren Ge¬ schichte eine fortlaufende Reihe „von grausamen Befehlen, ununterbrochenen Anklagen, betrügerischen Freundschaften, dem Verderben schuldloser und immer derselben Ursachen des Untergangs" war (Taciius). Nur zu wohl verstand man in jener namenlos elenden Zeit, warum die trimalchionische Zeitung grade die unmenschlich harte Strafe deö Sklaven berichtete, „der von seinem Herrn übel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/64>, abgerufen am 23.07.2024.