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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Bedeutung zu sein scheint, daß sie ihre Töchter nöthige", sich dieselbe anzu¬
eignen, in der Hoffnung, daß sie einst als Mütter von derselben Gebrauch
machen möchten.

Aus diesem Gesichtspunkt ward auch mit einer 1830 inS Leben tretenden
Hochschule für Mädchen ein Kindergarten in Verbindung gesetzt. Weite
Pläne hatte man bei Errichtung dieses Instituts; die Methode der Kinder¬
gärten sollte in die häusliche Erziehung eindringe", durch die Bildung der Mütter
sollte die Bildung des künftigen Geschlechts gefördert werden. Diesem allgemeinen
Zweck entsprechend sollte die Hamburger Hochschule in engste Verbindung zum
übrigen Deutschland treten. Der Hamburger Bildungsverein für Frauen, durch
dessen Fürsorge daS Institut entstand, sollte.mit allen Bilvungsvereinen Deutsch¬
lands bleibenden Verkehr anknüpfen, ganz Deutschland sollte mit Hochschulen für
das weibliche Geschlecht übersäet werden wie mit Universitäten. Solchen Erwar¬
tungen entsprach natürlich der Erfolg nicht; das Institut konnte sich nicht
lange halten, trotz seiner zum Theil tüchtigen Lehrkräfte. Allein eine gute
Nachwirkung hat diese Anstalt hinterlassen, ein lebendiges Bildungsstreben
nnter den Frauen. Damals war der Spott über die, welche den Vortrügen
der Anstalt beiwohnten, ziemlich allgemein; und jetzt bilden grade die Damen
den größten Theil des Publicums, das die öffentlichen Vorlesungen besucht,
die stets am akademischen Gymnasium und während des Winters für die
Mitglieder der Gesellschaft auch in der Lesehalle gehalten werden. Diese
öffentlichen Vorlesungen, die meist einen zusammenhängenden ChkluS bilden,
sind oft von 3--SOD ständigen Zuhörern besucht. Kaum dürfte in einer
andern deutschen Stadt so vieles in dieser Weise.für die öffentliche Belehrung
geschehen und mit so großem Anklang ausgenommen werden. Eine Erinne¬
rung an das Mitgetheilte zeigt, daß das geistige Land in Hamburg nicht so
brach liegt wie man meint, es ist aber auch nicht erst von gestern, daß eS
gute Früchte trägt. Davon überzeugt schon ein kurzer Blick auf die deutschen
Universitäten. Eine große Zahl ihrer tüchtigsten Lehrer stammt aus Ham¬
burg. Darüber kann so wenig Zweifel sein, daß es genügt, ihre allbekannten
Namur aufzuzählen. Aus Hamburg stammen die Naturforscher Lichtenstein,
Ente, Poggendorf, Schacht in Berlin, Schleiden in Jena, SlanuiuS in
Rostock, Ami Boue in Wien. Unter den neueren ausgezeichneten Philologen
sind Hofrath Preller in Weimar, Bernays in Breslau, Claßen in Frankfurt
Hamburger. Von Bohlen, der berühmte Kenner deS alten Indiens, fand in
Hamburg, wohin er alö Diener eines französischen Generals, kam. die erste
Unterstützung für seine Entwicklung. Auch die Orientalisten von Lcngerke
in Königsberg, Kosegarten in Wien und der jetzt in Paris lebende
I)r. I. Opperl gehören Hamburg an. Die Theologie hat gleichfalls
hamburgische Docenten, so Krabbe in Rostock, Middeltorp in Breslau,


Bedeutung zu sein scheint, daß sie ihre Töchter nöthige», sich dieselbe anzu¬
eignen, in der Hoffnung, daß sie einst als Mütter von derselben Gebrauch
machen möchten.

Aus diesem Gesichtspunkt ward auch mit einer 1830 inS Leben tretenden
Hochschule für Mädchen ein Kindergarten in Verbindung gesetzt. Weite
Pläne hatte man bei Errichtung dieses Instituts; die Methode der Kinder¬
gärten sollte in die häusliche Erziehung eindringe», durch die Bildung der Mütter
sollte die Bildung des künftigen Geschlechts gefördert werden. Diesem allgemeinen
Zweck entsprechend sollte die Hamburger Hochschule in engste Verbindung zum
übrigen Deutschland treten. Der Hamburger Bildungsverein für Frauen, durch
dessen Fürsorge daS Institut entstand, sollte.mit allen Bilvungsvereinen Deutsch¬
lands bleibenden Verkehr anknüpfen, ganz Deutschland sollte mit Hochschulen für
das weibliche Geschlecht übersäet werden wie mit Universitäten. Solchen Erwar¬
tungen entsprach natürlich der Erfolg nicht; das Institut konnte sich nicht
lange halten, trotz seiner zum Theil tüchtigen Lehrkräfte. Allein eine gute
Nachwirkung hat diese Anstalt hinterlassen, ein lebendiges Bildungsstreben
nnter den Frauen. Damals war der Spott über die, welche den Vortrügen
der Anstalt beiwohnten, ziemlich allgemein; und jetzt bilden grade die Damen
den größten Theil des Publicums, das die öffentlichen Vorlesungen besucht,
die stets am akademischen Gymnasium und während des Winters für die
Mitglieder der Gesellschaft auch in der Lesehalle gehalten werden. Diese
öffentlichen Vorlesungen, die meist einen zusammenhängenden ChkluS bilden,
sind oft von 3—SOD ständigen Zuhörern besucht. Kaum dürfte in einer
andern deutschen Stadt so vieles in dieser Weise.für die öffentliche Belehrung
geschehen und mit so großem Anklang ausgenommen werden. Eine Erinne¬
rung an das Mitgetheilte zeigt, daß das geistige Land in Hamburg nicht so
brach liegt wie man meint, es ist aber auch nicht erst von gestern, daß eS
gute Früchte trägt. Davon überzeugt schon ein kurzer Blick auf die deutschen
Universitäten. Eine große Zahl ihrer tüchtigsten Lehrer stammt aus Ham¬
burg. Darüber kann so wenig Zweifel sein, daß es genügt, ihre allbekannten
Namur aufzuzählen. Aus Hamburg stammen die Naturforscher Lichtenstein,
Ente, Poggendorf, Schacht in Berlin, Schleiden in Jena, SlanuiuS in
Rostock, Ami Boue in Wien. Unter den neueren ausgezeichneten Philologen
sind Hofrath Preller in Weimar, Bernays in Breslau, Claßen in Frankfurt
Hamburger. Von Bohlen, der berühmte Kenner deS alten Indiens, fand in
Hamburg, wohin er alö Diener eines französischen Generals, kam. die erste
Unterstützung für seine Entwicklung. Auch die Orientalisten von Lcngerke
in Königsberg, Kosegarten in Wien und der jetzt in Paris lebende
I)r. I. Opperl gehören Hamburg an. Die Theologie hat gleichfalls
hamburgische Docenten, so Krabbe in Rostock, Middeltorp in Breslau,


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[0485] Bedeutung zu sein scheint, daß sie ihre Töchter nöthige», sich dieselbe anzu¬ eignen, in der Hoffnung, daß sie einst als Mütter von derselben Gebrauch machen möchten. Aus diesem Gesichtspunkt ward auch mit einer 1830 inS Leben tretenden Hochschule für Mädchen ein Kindergarten in Verbindung gesetzt. Weite Pläne hatte man bei Errichtung dieses Instituts; die Methode der Kinder¬ gärten sollte in die häusliche Erziehung eindringe», durch die Bildung der Mütter sollte die Bildung des künftigen Geschlechts gefördert werden. Diesem allgemeinen Zweck entsprechend sollte die Hamburger Hochschule in engste Verbindung zum übrigen Deutschland treten. Der Hamburger Bildungsverein für Frauen, durch dessen Fürsorge daS Institut entstand, sollte.mit allen Bilvungsvereinen Deutsch¬ lands bleibenden Verkehr anknüpfen, ganz Deutschland sollte mit Hochschulen für das weibliche Geschlecht übersäet werden wie mit Universitäten. Solchen Erwar¬ tungen entsprach natürlich der Erfolg nicht; das Institut konnte sich nicht lange halten, trotz seiner zum Theil tüchtigen Lehrkräfte. Allein eine gute Nachwirkung hat diese Anstalt hinterlassen, ein lebendiges Bildungsstreben nnter den Frauen. Damals war der Spott über die, welche den Vortrügen der Anstalt beiwohnten, ziemlich allgemein; und jetzt bilden grade die Damen den größten Theil des Publicums, das die öffentlichen Vorlesungen besucht, die stets am akademischen Gymnasium und während des Winters für die Mitglieder der Gesellschaft auch in der Lesehalle gehalten werden. Diese öffentlichen Vorlesungen, die meist einen zusammenhängenden ChkluS bilden, sind oft von 3—SOD ständigen Zuhörern besucht. Kaum dürfte in einer andern deutschen Stadt so vieles in dieser Weise.für die öffentliche Belehrung geschehen und mit so großem Anklang ausgenommen werden. Eine Erinne¬ rung an das Mitgetheilte zeigt, daß das geistige Land in Hamburg nicht so brach liegt wie man meint, es ist aber auch nicht erst von gestern, daß eS gute Früchte trägt. Davon überzeugt schon ein kurzer Blick auf die deutschen Universitäten. Eine große Zahl ihrer tüchtigsten Lehrer stammt aus Ham¬ burg. Darüber kann so wenig Zweifel sein, daß es genügt, ihre allbekannten Namur aufzuzählen. Aus Hamburg stammen die Naturforscher Lichtenstein, Ente, Poggendorf, Schacht in Berlin, Schleiden in Jena, SlanuiuS in Rostock, Ami Boue in Wien. Unter den neueren ausgezeichneten Philologen sind Hofrath Preller in Weimar, Bernays in Breslau, Claßen in Frankfurt Hamburger. Von Bohlen, der berühmte Kenner deS alten Indiens, fand in Hamburg, wohin er alö Diener eines französischen Generals, kam. die erste Unterstützung für seine Entwicklung. Auch die Orientalisten von Lcngerke in Königsberg, Kosegarten in Wien und der jetzt in Paris lebende I)r. I. Opperl gehören Hamburg an. Die Theologie hat gleichfalls hamburgische Docenten, so Krabbe in Rostock, Middeltorp in Breslau,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/485>, abgerufen am 23.07.2024.