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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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langen Seiten vereinten sich in einer Bogenlinie, so daß die ganze Bahn die
Form einer halben Ellipse hatte. Ans der schmalen Seite des Eingangs
waren zwölf Thore, aus denen die rennenden Wagen ausliefen, auf den
übrigen Seiten erhoben sich amphitheatralisch die Sitzreihen. sowol zu An¬
fang als zu Ende des von den Wagen zu durchmessenden Raumes waren je
drei Kegelsäulen (metae) ausgestellt, und zwischen diesen Heiden Zielen eine
niedrige Mauer geführt. Die vier Wagen, die gewöhnlich um die Wette
rannten, liefen rechts von dieser Mauer aus, legten die Bahn bis an das
Hintere Ziel zurück, bogen um dasselbe herum und fuhren auf der linken
Seite der Mauer nach der Eingangsseite herunter. Auf diese Weise mußten
sie die Bahn hin und zurück siebenmal durchmessen, und erst der, welcher beim
siebenten Rücklauf zuerst anlangte, war Sieger. Die vier Pferde waren in
einer Reihe neben die sehr leichten Wagen gespannt, deren Form aus zahl¬
reichen antiken Darstellungen allgemein bekannt ist. Die Wagenlenker standen,
wie man weiß, darauf, mit einer kurzen festgeschnürten Tunika (jeder in einer
der vier Farben) und auf dem Kopf eine starke Kappe, die auch Stirn und
Wangen bedeckte, und bei einem Sturz einigen Schutz gewähren konnte.

Wenn alle Vorbereitungen getroffen waren, die Pferde dampfend und
schnaubend an den Schranken standen, welche die Thore nach der Bahn zu
verschlossen, dann waren alle Augen auf den darüber befindlichen Balcon ge¬
richtet, von welchem der Vorsitzende als Zeichen des Anfangs ein weißes Tuch
in die Bahn warf. Noch eristirt eine Schilderung des alten Dichters Ennius,
der um die Zeit deS ersten punischen Krieges lebte, er beschreibt die gespannte
Erwartung der Menge auf das Fallen des TuchS, genau so wie vierhundert
Jahre später der christliche Kirchenschriftsteller Tertullian, dessen von Abscheu
gegen das Schauspiel erfüllten Gemüth das fallende Tuchvwie el" Bild des
von seiner Höhe gestürzten Lucifer erschien. Nun öffneten sich alle Schranken
durch eine Vorrichtung in demselben Moment und die vier Wagen stürmten
rasselnd in die Bahn. Die Entfernung, die sie bei dem vierzehnmaligen Durch'
messe" des Raumes zurückzulegen hatten, betrug ungefähr eine deutsche Meile,
also konnte jedes Rennen nicht viel weniger als eine halbe Stunde dauern-
Die Hauptschwierigkeit und Gefahr lag in dem siebenmaligen Umwenden -am
hintern Ziel. Bei der Bemühung, die kürzeste Wendung zu machen wurden die
Wagen oft an das Ziel und aneinandergeschleubert, die folgenden stürzten leicht da¬
rüber und Menschen und Thiere lagen dann in einen blutigen Knäuel geballt-
Wol hatten die christlichen Schriftsteller Recht zu sagen, daß die Zuschauer
das größere Schauspiel waren. Die in unabsehbarer Weite sich hinziehenden,
hoch übereinander aufsteigenden Sitzreihen nicht nur, auch die parallelstrelcheN'
den Höhen des Aventin und Palatin, zwischen denen im Thal der große Circu
tag, waren von einem wogenden Menschenmecr überflutet, und diese Hunter-


langen Seiten vereinten sich in einer Bogenlinie, so daß die ganze Bahn die
Form einer halben Ellipse hatte. Ans der schmalen Seite des Eingangs
waren zwölf Thore, aus denen die rennenden Wagen ausliefen, auf den
übrigen Seiten erhoben sich amphitheatralisch die Sitzreihen. sowol zu An¬
fang als zu Ende des von den Wagen zu durchmessenden Raumes waren je
drei Kegelsäulen (metae) ausgestellt, und zwischen diesen Heiden Zielen eine
niedrige Mauer geführt. Die vier Wagen, die gewöhnlich um die Wette
rannten, liefen rechts von dieser Mauer aus, legten die Bahn bis an das
Hintere Ziel zurück, bogen um dasselbe herum und fuhren auf der linken
Seite der Mauer nach der Eingangsseite herunter. Auf diese Weise mußten
sie die Bahn hin und zurück siebenmal durchmessen, und erst der, welcher beim
siebenten Rücklauf zuerst anlangte, war Sieger. Die vier Pferde waren in
einer Reihe neben die sehr leichten Wagen gespannt, deren Form aus zahl¬
reichen antiken Darstellungen allgemein bekannt ist. Die Wagenlenker standen,
wie man weiß, darauf, mit einer kurzen festgeschnürten Tunika (jeder in einer
der vier Farben) und auf dem Kopf eine starke Kappe, die auch Stirn und
Wangen bedeckte, und bei einem Sturz einigen Schutz gewähren konnte.

Wenn alle Vorbereitungen getroffen waren, die Pferde dampfend und
schnaubend an den Schranken standen, welche die Thore nach der Bahn zu
verschlossen, dann waren alle Augen auf den darüber befindlichen Balcon ge¬
richtet, von welchem der Vorsitzende als Zeichen des Anfangs ein weißes Tuch
in die Bahn warf. Noch eristirt eine Schilderung des alten Dichters Ennius,
der um die Zeit deS ersten punischen Krieges lebte, er beschreibt die gespannte
Erwartung der Menge auf das Fallen des TuchS, genau so wie vierhundert
Jahre später der christliche Kirchenschriftsteller Tertullian, dessen von Abscheu
gegen das Schauspiel erfüllten Gemüth das fallende Tuchvwie el» Bild des
von seiner Höhe gestürzten Lucifer erschien. Nun öffneten sich alle Schranken
durch eine Vorrichtung in demselben Moment und die vier Wagen stürmten
rasselnd in die Bahn. Die Entfernung, die sie bei dem vierzehnmaligen Durch'
messe» des Raumes zurückzulegen hatten, betrug ungefähr eine deutsche Meile,
also konnte jedes Rennen nicht viel weniger als eine halbe Stunde dauern-
Die Hauptschwierigkeit und Gefahr lag in dem siebenmaligen Umwenden -am
hintern Ziel. Bei der Bemühung, die kürzeste Wendung zu machen wurden die
Wagen oft an das Ziel und aneinandergeschleubert, die folgenden stürzten leicht da¬
rüber und Menschen und Thiere lagen dann in einen blutigen Knäuel geballt-
Wol hatten die christlichen Schriftsteller Recht zu sagen, daß die Zuschauer
das größere Schauspiel waren. Die in unabsehbarer Weite sich hinziehenden,
hoch übereinander aufsteigenden Sitzreihen nicht nur, auch die parallelstrelcheN'
den Höhen des Aventin und Palatin, zwischen denen im Thal der große Circu
tag, waren von einem wogenden Menschenmecr überflutet, und diese Hunter-


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[0398] langen Seiten vereinten sich in einer Bogenlinie, so daß die ganze Bahn die Form einer halben Ellipse hatte. Ans der schmalen Seite des Eingangs waren zwölf Thore, aus denen die rennenden Wagen ausliefen, auf den übrigen Seiten erhoben sich amphitheatralisch die Sitzreihen. sowol zu An¬ fang als zu Ende des von den Wagen zu durchmessenden Raumes waren je drei Kegelsäulen (metae) ausgestellt, und zwischen diesen Heiden Zielen eine niedrige Mauer geführt. Die vier Wagen, die gewöhnlich um die Wette rannten, liefen rechts von dieser Mauer aus, legten die Bahn bis an das Hintere Ziel zurück, bogen um dasselbe herum und fuhren auf der linken Seite der Mauer nach der Eingangsseite herunter. Auf diese Weise mußten sie die Bahn hin und zurück siebenmal durchmessen, und erst der, welcher beim siebenten Rücklauf zuerst anlangte, war Sieger. Die vier Pferde waren in einer Reihe neben die sehr leichten Wagen gespannt, deren Form aus zahl¬ reichen antiken Darstellungen allgemein bekannt ist. Die Wagenlenker standen, wie man weiß, darauf, mit einer kurzen festgeschnürten Tunika (jeder in einer der vier Farben) und auf dem Kopf eine starke Kappe, die auch Stirn und Wangen bedeckte, und bei einem Sturz einigen Schutz gewähren konnte. Wenn alle Vorbereitungen getroffen waren, die Pferde dampfend und schnaubend an den Schranken standen, welche die Thore nach der Bahn zu verschlossen, dann waren alle Augen auf den darüber befindlichen Balcon ge¬ richtet, von welchem der Vorsitzende als Zeichen des Anfangs ein weißes Tuch in die Bahn warf. Noch eristirt eine Schilderung des alten Dichters Ennius, der um die Zeit deS ersten punischen Krieges lebte, er beschreibt die gespannte Erwartung der Menge auf das Fallen des TuchS, genau so wie vierhundert Jahre später der christliche Kirchenschriftsteller Tertullian, dessen von Abscheu gegen das Schauspiel erfüllten Gemüth das fallende Tuchvwie el» Bild des von seiner Höhe gestürzten Lucifer erschien. Nun öffneten sich alle Schranken durch eine Vorrichtung in demselben Moment und die vier Wagen stürmten rasselnd in die Bahn. Die Entfernung, die sie bei dem vierzehnmaligen Durch' messe» des Raumes zurückzulegen hatten, betrug ungefähr eine deutsche Meile, also konnte jedes Rennen nicht viel weniger als eine halbe Stunde dauern- Die Hauptschwierigkeit und Gefahr lag in dem siebenmaligen Umwenden -am hintern Ziel. Bei der Bemühung, die kürzeste Wendung zu machen wurden die Wagen oft an das Ziel und aneinandergeschleubert, die folgenden stürzten leicht da¬ rüber und Menschen und Thiere lagen dann in einen blutigen Knäuel geballt- Wol hatten die christlichen Schriftsteller Recht zu sagen, daß die Zuschauer das größere Schauspiel waren. Die in unabsehbarer Weite sich hinziehenden, hoch übereinander aufsteigenden Sitzreihen nicht nur, auch die parallelstrelcheN' den Höhen des Aventin und Palatin, zwischen denen im Thal der große Circu tag, waren von einem wogenden Menschenmecr überflutet, und diese Hunter-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/398>, abgerufen am 23.07.2024.