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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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angelegte Commerzbibliothek und die verschiedenen Büchersammlungen der Aerzte,
der Juristen, der patriotischen Gesellschaft zur Beförderung der Künste und
Gewerbe. Diese Bibliotheken erweitern sich nach einem gemeinsamen Ueberein¬
kommen und unterstützen in Hamburg jeden, der ihrer zu seinen Studien be¬
darf, mit großer Liberalität.

Unter den genannten Bibliotheken ist die Stadtbibliothek die älteste, man
könnte 1529 als ihr Stiftungsjahr angeben, wo Bugenhagen im Art V. seiner
Kirchenordnung bestimmte: "Eine Liberie shall man anrichten, nichvern von der
Schoten und Lectvris, darin alle Böche, gude un böse, versammlet werden, de
man in bisher Stadt dartho bekamen." -- Nur war die so entstandene Biblio¬
thek nicht gleich Stadtbibliothek, sie gehörte der Schule und blieb in der Prima
derselben aufgestellt. Uebrigens war diese Sammlung nicht die älteste Bücher¬
sammlung am Orte. Schon vor ihr gab es Kirchenbibliotheken. AIS Ludwig
der Fromme im 9. Jahrhunden den heiligen Auscharius zum Bischof einsetzte,
schenkte er dem Dom zugleich eine Bibliothek. So oft dieselbe durch Brand
vernichtet wurde, so oft entstand auch eine neue.

Einer Angabe nach soll diese Dombibliothek im Jahre 1755 aus 12,000
Büchern bestanden haben, indessen fanden sich bei der Versteigerung im
Jahre 1781 nur 1798 Bücher vor. Nur wenige derselben verblieben unsrer
Stadt. Bei der Versteigerung gingen die meisten für einen Spottpreis, (die
besten Handschriften vom Juvenal durchschnittlich für 2 Thlr.) nach Kopen¬
hagen. Petisus, der damals die Aufsicht über die Stadtbibliothek führte, war
Zwar zugegen, allein ihm standen die Mittel nicht zu Gebote, um diese Ber-
schleudcruug wenigstens zum Nutzen der Stadt zu wenden. Daß die Stadt-
bibliothek nicht aus der Dombiblivthek hervorging, hatt in den beständigen Rei¬
bungen zwischen Stadt und Domcapitel seinen Grund. Die Idee einer
öffentlichen Bibliothek mußte von einer andern Seite kommen, und sie kam in
Hamburg so früh wie an wenigen Orten. Schon 1i70 vermachte der Bürger¬
meister Meuermeister 37 Bücher zum unveräußerlichen Besitz und zux allgemei¬
nen Benutzung sür "jeden rechtschaffnen Mann". Doch scheinen diese wahr¬
scheinlich im Dominicanerklvster aufbewahrten Bücher von den Mönchen später
vertrödelt worden zu sein. Es kann daher erst seit Bugenhagens Schulcin-
nchlung im Se. Johanneskloster von der gesicherten Existenz einer öffentlichen
Bibliothek die Rede sein. Noch lange aber dauerte es, ehe ihre Einrichtung
und Verwaltung in ein geordnetes Geleis kam; denn noch lange hing so ziem¬
lich alles vom Zufall und von der Willkür Einzelner ab. Die alte Sitte, für
Seelenmessen den Kirchenbibliotheken ein Buch zu schenken, verschwand seit der
Reformation; aber doch vermehrte sich nach derselben auch die Stadtbibliothek
Zuerst allein durch freiwillige Geschenke. Ein Privatmann suchte nun einmal
seine Ehre darin, zum Ankauf eines nützlichen Buches 4 Thlr. auszusetzen,


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angelegte Commerzbibliothek und die verschiedenen Büchersammlungen der Aerzte,
der Juristen, der patriotischen Gesellschaft zur Beförderung der Künste und
Gewerbe. Diese Bibliotheken erweitern sich nach einem gemeinsamen Ueberein¬
kommen und unterstützen in Hamburg jeden, der ihrer zu seinen Studien be¬
darf, mit großer Liberalität.

Unter den genannten Bibliotheken ist die Stadtbibliothek die älteste, man
könnte 1529 als ihr Stiftungsjahr angeben, wo Bugenhagen im Art V. seiner
Kirchenordnung bestimmte: „Eine Liberie shall man anrichten, nichvern von der
Schoten und Lectvris, darin alle Böche, gude un böse, versammlet werden, de
man in bisher Stadt dartho bekamen." — Nur war die so entstandene Biblio¬
thek nicht gleich Stadtbibliothek, sie gehörte der Schule und blieb in der Prima
derselben aufgestellt. Uebrigens war diese Sammlung nicht die älteste Bücher¬
sammlung am Orte. Schon vor ihr gab es Kirchenbibliotheken. AIS Ludwig
der Fromme im 9. Jahrhunden den heiligen Auscharius zum Bischof einsetzte,
schenkte er dem Dom zugleich eine Bibliothek. So oft dieselbe durch Brand
vernichtet wurde, so oft entstand auch eine neue.

Einer Angabe nach soll diese Dombibliothek im Jahre 1755 aus 12,000
Büchern bestanden haben, indessen fanden sich bei der Versteigerung im
Jahre 1781 nur 1798 Bücher vor. Nur wenige derselben verblieben unsrer
Stadt. Bei der Versteigerung gingen die meisten für einen Spottpreis, (die
besten Handschriften vom Juvenal durchschnittlich für 2 Thlr.) nach Kopen¬
hagen. Petisus, der damals die Aufsicht über die Stadtbibliothek führte, war
Zwar zugegen, allein ihm standen die Mittel nicht zu Gebote, um diese Ber-
schleudcruug wenigstens zum Nutzen der Stadt zu wenden. Daß die Stadt-
bibliothek nicht aus der Dombiblivthek hervorging, hatt in den beständigen Rei¬
bungen zwischen Stadt und Domcapitel seinen Grund. Die Idee einer
öffentlichen Bibliothek mußte von einer andern Seite kommen, und sie kam in
Hamburg so früh wie an wenigen Orten. Schon 1i70 vermachte der Bürger¬
meister Meuermeister 37 Bücher zum unveräußerlichen Besitz und zux allgemei¬
nen Benutzung sür „jeden rechtschaffnen Mann". Doch scheinen diese wahr¬
scheinlich im Dominicanerklvster aufbewahrten Bücher von den Mönchen später
vertrödelt worden zu sein. Es kann daher erst seit Bugenhagens Schulcin-
nchlung im Se. Johanneskloster von der gesicherten Existenz einer öffentlichen
Bibliothek die Rede sein. Noch lange aber dauerte es, ehe ihre Einrichtung
und Verwaltung in ein geordnetes Geleis kam; denn noch lange hing so ziem¬
lich alles vom Zufall und von der Willkür Einzelner ab. Die alte Sitte, für
Seelenmessen den Kirchenbibliotheken ein Buch zu schenken, verschwand seit der
Reformation; aber doch vermehrte sich nach derselben auch die Stadtbibliothek
Zuerst allein durch freiwillige Geschenke. Ein Privatmann suchte nun einmal
seine Ehre darin, zum Ankauf eines nützlichen Buches 4 Thlr. auszusetzen,


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[0307] angelegte Commerzbibliothek und die verschiedenen Büchersammlungen der Aerzte, der Juristen, der patriotischen Gesellschaft zur Beförderung der Künste und Gewerbe. Diese Bibliotheken erweitern sich nach einem gemeinsamen Ueberein¬ kommen und unterstützen in Hamburg jeden, der ihrer zu seinen Studien be¬ darf, mit großer Liberalität. Unter den genannten Bibliotheken ist die Stadtbibliothek die älteste, man könnte 1529 als ihr Stiftungsjahr angeben, wo Bugenhagen im Art V. seiner Kirchenordnung bestimmte: „Eine Liberie shall man anrichten, nichvern von der Schoten und Lectvris, darin alle Böche, gude un böse, versammlet werden, de man in bisher Stadt dartho bekamen." — Nur war die so entstandene Biblio¬ thek nicht gleich Stadtbibliothek, sie gehörte der Schule und blieb in der Prima derselben aufgestellt. Uebrigens war diese Sammlung nicht die älteste Bücher¬ sammlung am Orte. Schon vor ihr gab es Kirchenbibliotheken. AIS Ludwig der Fromme im 9. Jahrhunden den heiligen Auscharius zum Bischof einsetzte, schenkte er dem Dom zugleich eine Bibliothek. So oft dieselbe durch Brand vernichtet wurde, so oft entstand auch eine neue. Einer Angabe nach soll diese Dombibliothek im Jahre 1755 aus 12,000 Büchern bestanden haben, indessen fanden sich bei der Versteigerung im Jahre 1781 nur 1798 Bücher vor. Nur wenige derselben verblieben unsrer Stadt. Bei der Versteigerung gingen die meisten für einen Spottpreis, (die besten Handschriften vom Juvenal durchschnittlich für 2 Thlr.) nach Kopen¬ hagen. Petisus, der damals die Aufsicht über die Stadtbibliothek führte, war Zwar zugegen, allein ihm standen die Mittel nicht zu Gebote, um diese Ber- schleudcruug wenigstens zum Nutzen der Stadt zu wenden. Daß die Stadt- bibliothek nicht aus der Dombiblivthek hervorging, hatt in den beständigen Rei¬ bungen zwischen Stadt und Domcapitel seinen Grund. Die Idee einer öffentlichen Bibliothek mußte von einer andern Seite kommen, und sie kam in Hamburg so früh wie an wenigen Orten. Schon 1i70 vermachte der Bürger¬ meister Meuermeister 37 Bücher zum unveräußerlichen Besitz und zux allgemei¬ nen Benutzung sür „jeden rechtschaffnen Mann". Doch scheinen diese wahr¬ scheinlich im Dominicanerklvster aufbewahrten Bücher von den Mönchen später vertrödelt worden zu sein. Es kann daher erst seit Bugenhagens Schulcin- nchlung im Se. Johanneskloster von der gesicherten Existenz einer öffentlichen Bibliothek die Rede sein. Noch lange aber dauerte es, ehe ihre Einrichtung und Verwaltung in ein geordnetes Geleis kam; denn noch lange hing so ziem¬ lich alles vom Zufall und von der Willkür Einzelner ab. Die alte Sitte, für Seelenmessen den Kirchenbibliotheken ein Buch zu schenken, verschwand seit der Reformation; aber doch vermehrte sich nach derselben auch die Stadtbibliothek Zuerst allein durch freiwillige Geschenke. Ein Privatmann suchte nun einmal seine Ehre darin, zum Ankauf eines nützlichen Buches 4 Thlr. auszusetzen, 38*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/307>, abgerufen am 23.07.2024.