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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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zeigt sich, daß sie alle gleichmäßig gesündigt haben, am meisten freilich der
Adel.

Um nun die neue Anstalt vor den Gebrechen ihrer Vorgängerinnen zu
sichern, wurden gleich zu Anfang strenge Disciplinargesetze gegeben. Für
öffentliche Sicherheit wird dadurch gesorgt, daß sich keiner Tags oder Nachts
mit Waffen irgend einer Art, und wenn die sogenannte Mordglocke (Nachts
von elf Uhr) ausgeläutet hat, nicht einmal ohne Licht unbewaffnet ans der
Straße blicken lassen darf. Namentlich wird ein Angriff auf die Scharwächter,
Stadtknechte oder andere Personen mit schwerem Carcer oder zwei Gulden,
nach Umständen auch noch hoher bestraft. Auf nächtliche Ruhestörungen bei
den Frauenklöstern, Anpochen, Schreien und Höhnen, oder Hofiren, Plau¬
dern, Briesabgeben und Einsteigen daselbst, ist ohne Gnade ein Monat Car¬
cer und zwar jeden Montag, Mittwoch und Freitag bei Wasser und Brot
gesetzt. Wer in nicht üblicher oder gar unanständiger Kleidung, oder vermummt
unter Geschrei und Belästigung anderer umherzieht, zahlt mindestens 3 Plap¬
pert. Die Kleidung der Studenten ist von dem üppigen, kurzen, gestreiften,
geschlitzten, oder doppelt getheilten (gefärbten) Neiteranzuge, mit seinen gol¬
denen Halsketten und Nadeln ebenso weit entfernt, als von der schmuzigen
Tracht der Bader mit ihren nackten Füßen und Schienbeinen; sie ist eine
ehrsame klerikalische. Ein langer Talar mit Kapuze fällt bis aus die Schuhe
herab, welche weder roth, noch glänzend schwarz gefärbt, auch nicht mit
Schnäbeln versehn sein dürfen. Letzteres wurde jedoch später dahin abgeän¬
dert, daß die Schuhe auch Schnäbel haben dürfen, aber nicht länger als das
erste Glied des Zeigefingers; das erste Mal unter Strafe von vier, sodann
unter verdoppelten Plapperten. Bei dem vierten Male wird der Uebertreter
der Privilegien der Universität verlustig. Nur den Adeligen, die übrigens
weder ihre Brust offen, noch besondere Kapuzchen tragen dürfen, wird es nach¬
gesehen, wenn ihre Schuhschnäbel etwas über das vorgeschriebene Maß hin¬
ausgehen. Eines Barettes darf sich nur derjenige öffentlich bedienen, der mit
der Magisterwürde geschmückt ist; das erste Mal unter Strafe von 6, das
zweite Mal 12 Plapperten und so sort ins Unendliche. Keiner von den Stu-
direnden darf jagen, fischen oder Vögel sangen, ohne Erlaubniß der dazu Be¬
rechtigten. Keiner darf bei Strafe von einem halben Gulden Falken oder
andere Jagdvögel öffentlich auf der Hand tragen. Verboten ist ihnen gleich¬
falls alles Steinwerfen, Ringen, Fechten oder Besuchen von Fechtschulen,
Frauenhäusern und entfernten Kirchweihen, alle Theilnahme an Ringeltänzen
auf dem Münsterplatze oder anderswo und öffentlichen Zechgelagen; kurz alles,
wobei sie unter sich oder mit den Laien in Hader und Streit kommen könnten,
bei einer nach Umständen zu verhängenden Strafe. -- Von der Einrichtung
der Burschen, die hauptsächlich dazu dienten, die Methode deS akademischen


zeigt sich, daß sie alle gleichmäßig gesündigt haben, am meisten freilich der
Adel.

Um nun die neue Anstalt vor den Gebrechen ihrer Vorgängerinnen zu
sichern, wurden gleich zu Anfang strenge Disciplinargesetze gegeben. Für
öffentliche Sicherheit wird dadurch gesorgt, daß sich keiner Tags oder Nachts
mit Waffen irgend einer Art, und wenn die sogenannte Mordglocke (Nachts
von elf Uhr) ausgeläutet hat, nicht einmal ohne Licht unbewaffnet ans der
Straße blicken lassen darf. Namentlich wird ein Angriff auf die Scharwächter,
Stadtknechte oder andere Personen mit schwerem Carcer oder zwei Gulden,
nach Umständen auch noch hoher bestraft. Auf nächtliche Ruhestörungen bei
den Frauenklöstern, Anpochen, Schreien und Höhnen, oder Hofiren, Plau¬
dern, Briesabgeben und Einsteigen daselbst, ist ohne Gnade ein Monat Car¬
cer und zwar jeden Montag, Mittwoch und Freitag bei Wasser und Brot
gesetzt. Wer in nicht üblicher oder gar unanständiger Kleidung, oder vermummt
unter Geschrei und Belästigung anderer umherzieht, zahlt mindestens 3 Plap¬
pert. Die Kleidung der Studenten ist von dem üppigen, kurzen, gestreiften,
geschlitzten, oder doppelt getheilten (gefärbten) Neiteranzuge, mit seinen gol¬
denen Halsketten und Nadeln ebenso weit entfernt, als von der schmuzigen
Tracht der Bader mit ihren nackten Füßen und Schienbeinen; sie ist eine
ehrsame klerikalische. Ein langer Talar mit Kapuze fällt bis aus die Schuhe
herab, welche weder roth, noch glänzend schwarz gefärbt, auch nicht mit
Schnäbeln versehn sein dürfen. Letzteres wurde jedoch später dahin abgeän¬
dert, daß die Schuhe auch Schnäbel haben dürfen, aber nicht länger als das
erste Glied des Zeigefingers; das erste Mal unter Strafe von vier, sodann
unter verdoppelten Plapperten. Bei dem vierten Male wird der Uebertreter
der Privilegien der Universität verlustig. Nur den Adeligen, die übrigens
weder ihre Brust offen, noch besondere Kapuzchen tragen dürfen, wird es nach¬
gesehen, wenn ihre Schuhschnäbel etwas über das vorgeschriebene Maß hin¬
ausgehen. Eines Barettes darf sich nur derjenige öffentlich bedienen, der mit
der Magisterwürde geschmückt ist; das erste Mal unter Strafe von 6, das
zweite Mal 12 Plapperten und so sort ins Unendliche. Keiner von den Stu-
direnden darf jagen, fischen oder Vögel sangen, ohne Erlaubniß der dazu Be¬
rechtigten. Keiner darf bei Strafe von einem halben Gulden Falken oder
andere Jagdvögel öffentlich auf der Hand tragen. Verboten ist ihnen gleich¬
falls alles Steinwerfen, Ringen, Fechten oder Besuchen von Fechtschulen,
Frauenhäusern und entfernten Kirchweihen, alle Theilnahme an Ringeltänzen
auf dem Münsterplatze oder anderswo und öffentlichen Zechgelagen; kurz alles,
wobei sie unter sich oder mit den Laien in Hader und Streit kommen könnten,
bei einer nach Umständen zu verhängenden Strafe. — Von der Einrichtung
der Burschen, die hauptsächlich dazu dienten, die Methode deS akademischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/218>, abgerufen am 23.07.2024.