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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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setzt sei, daß er zu einem "Bau von Ruinen" führe. Das neunte Capitel
"die Actienunternehmungen" hebt die vielfachen Uebertreibungen deS modernen
Actienwesens hervor; das zehnte und letzte schildert die pariser Börse mit
ihrem kolossalen Umsatz und ihrem noch kolossaleren Schwindel. Der jährliche
Umsatz an ihr wird jetzt auf zwanzig Millionen Franken geschätzt, wobei
freilich viele Scheinkäufe mit gezählt siud. Horn ist entschieden kein eigent¬
licher Feind der Börse, aber er muß dennoch zu dem Schlüsse kommen, daß
die Fondsbörse weder eine Nothwendigkeit sei, noch eine Zukunft in sich trage.
Wir hören das aus so unbefangenem Munde um so lieber, da mindestens
die heutige "Börse" an vielem wirthschaftlichen und moralischen Unheil die
Schuld trägt. Ueberhaupt sind alle bisher angeführten Urtheile des sach¬
kundigen Verfassers um so beachtcnswerher, da die polemische Ader in seiner
Broschüre nirgend vorwaltet und ihn nur sein besseres Urtheil so zu sagen da¬
zu zwingt. Wir empfehlen die Arbeit allen Lesern, denen die Neigung oder
die Zeitverhältnisse Lectüre dieser An genehm gemacht haben.

Wir bedauern, eine zweite neuerdings erschienene Schrift: "Tellkampf,
Ueber die neuere Entwicklung des Bankwesens in Deutschland mit Hinweis
auf dessen Vorbilder in England, Schottland und Nordamerika und auf die
französische sooivtä cle eiöäit mobilisr", obgleich sie in vierter Auflage er¬
schienen ist, nicht in demselben Grade empfehlen zu können. Es würde die
Grenzen dieses Blattes überschreiten, wollten wir alles, was uns in diesem
Buche bedenklich oder fehlerhaft erscheint, kritisch beleuchten. Dagegen freuen
wir uns aufrichtig, in dem Mitglied"? des preußischen Herrenhauses einen
Mann kennen zu lernen, der eine so gründliche Ueberzeugung nicht blos von
den Schwächen des heutigen Bankwesens im Allgemeinen, sondern vornehmlich
auch von den Gefahren hat, die sich daran durch die beschränkte Verant¬
wortlichkeit der Unternehmer knüpfen. Der Verfasser hat ganz richtig darauf
hingewiesen, daß namentlich eine Bankfreiheit ohne volle Verantwortlichkeit
nicht denkbar sei; wir haben schon bei einer früheren Gelegenheit berichtet,
daß in Schottland diese beiden Punkte auch wirklich zusammentreffen. Der
Verfasser ertheilt dem schottischen Bankwesen auch das wohlverdiente Lob. Hin¬
sichtlich der von den schottischen Banken ausgegebenen Noten macht der Ver¬
fasser folgende sehr treffende Bemerkung: "In der Fabrikation und Ausgabe von
Banknoten d. h. von Schuldverschreibungen und ZahlungSversprechungcn
werden die Banken leicht zum Erceß verleitet, weil die Fabrikation derselben
sehr wenig kostet, weil die Ausgabe sehr lucrativ ist und weil die Erfüllung
der Zahlungsversprechen sich vermeiden und der Verlust auf andere wälzen
läßt. Dagegen nöthigt nur persönliches und solidarisches Haften der Bank-
theilnehmer zur Vorsicht in der Notenausgabe. Daß das letztere zu fordern
ist, zeigt endlich noch die Thatsache, daß solche Banknoten, welche aus unge-


setzt sei, daß er zu einem „Bau von Ruinen" führe. Das neunte Capitel
„die Actienunternehmungen" hebt die vielfachen Uebertreibungen deS modernen
Actienwesens hervor; das zehnte und letzte schildert die pariser Börse mit
ihrem kolossalen Umsatz und ihrem noch kolossaleren Schwindel. Der jährliche
Umsatz an ihr wird jetzt auf zwanzig Millionen Franken geschätzt, wobei
freilich viele Scheinkäufe mit gezählt siud. Horn ist entschieden kein eigent¬
licher Feind der Börse, aber er muß dennoch zu dem Schlüsse kommen, daß
die Fondsbörse weder eine Nothwendigkeit sei, noch eine Zukunft in sich trage.
Wir hören das aus so unbefangenem Munde um so lieber, da mindestens
die heutige „Börse" an vielem wirthschaftlichen und moralischen Unheil die
Schuld trägt. Ueberhaupt sind alle bisher angeführten Urtheile des sach¬
kundigen Verfassers um so beachtcnswerher, da die polemische Ader in seiner
Broschüre nirgend vorwaltet und ihn nur sein besseres Urtheil so zu sagen da¬
zu zwingt. Wir empfehlen die Arbeit allen Lesern, denen die Neigung oder
die Zeitverhältnisse Lectüre dieser An genehm gemacht haben.

Wir bedauern, eine zweite neuerdings erschienene Schrift: „Tellkampf,
Ueber die neuere Entwicklung des Bankwesens in Deutschland mit Hinweis
auf dessen Vorbilder in England, Schottland und Nordamerika und auf die
französische sooivtä cle eiöäit mobilisr", obgleich sie in vierter Auflage er¬
schienen ist, nicht in demselben Grade empfehlen zu können. Es würde die
Grenzen dieses Blattes überschreiten, wollten wir alles, was uns in diesem
Buche bedenklich oder fehlerhaft erscheint, kritisch beleuchten. Dagegen freuen
wir uns aufrichtig, in dem Mitglied«? des preußischen Herrenhauses einen
Mann kennen zu lernen, der eine so gründliche Ueberzeugung nicht blos von
den Schwächen des heutigen Bankwesens im Allgemeinen, sondern vornehmlich
auch von den Gefahren hat, die sich daran durch die beschränkte Verant¬
wortlichkeit der Unternehmer knüpfen. Der Verfasser hat ganz richtig darauf
hingewiesen, daß namentlich eine Bankfreiheit ohne volle Verantwortlichkeit
nicht denkbar sei; wir haben schon bei einer früheren Gelegenheit berichtet,
daß in Schottland diese beiden Punkte auch wirklich zusammentreffen. Der
Verfasser ertheilt dem schottischen Bankwesen auch das wohlverdiente Lob. Hin¬
sichtlich der von den schottischen Banken ausgegebenen Noten macht der Ver¬
fasser folgende sehr treffende Bemerkung: „In der Fabrikation und Ausgabe von
Banknoten d. h. von Schuldverschreibungen und ZahlungSversprechungcn
werden die Banken leicht zum Erceß verleitet, weil die Fabrikation derselben
sehr wenig kostet, weil die Ausgabe sehr lucrativ ist und weil die Erfüllung
der Zahlungsversprechen sich vermeiden und der Verlust auf andere wälzen
läßt. Dagegen nöthigt nur persönliches und solidarisches Haften der Bank-
theilnehmer zur Vorsicht in der Notenausgabe. Daß das letztere zu fordern
ist, zeigt endlich noch die Thatsache, daß solche Banknoten, welche aus unge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/214>, abgerufen am 23.07.2024.