Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

tüchtige Leistungen bekannt gemacht. Eine seiner besten Arbeiten sind seine
"bevölkerungöwissenschastlichen Studien aus Belgien", in welchen der Verfasser
daS anscheinend so trockne und dürre Material der Bevölkerungsstatistik in
ebenso gründlicher alö anziehender Weise verarbeitet. Ueberhaupt zeichnen die
hornscben Arbeiten sich ebenso sehr durch erschöpfende Behandlung des In¬
halts wie durch einfache und durchsichtige Darstellungsweise aus. Er liebt es,
die Kritik, die er ausübt -- und er ist vor allem ein kritischer Kopf -- mehr durch
die Thatsache selbst reden zu lassen, als durch weitläufige Raisonnements dem
Leser möglichst mundgerecht zu machen. So haben wir s. Z. mit wahrhaftem
Nutzen die geistreiche Skizze der modernen Patentgesetzgebung gelesen, die in
einer Reihe von Nummern des bremer Handelöblattcs enthalten war. Wir
machen alle die, welche sich für diese wichtige Frage interessiren, auf diese
Arbeit aufmerksam.

Die vorliegende Broschüre beginnt mit einer kurzen Geschichte der
französischen Staatsschuld, deren zu allen Zeiten so besonders begünstigtes
Anwachsen mit auf Rechnung der im französischen Volk herrschenden
"Nentensucht" gestellt wird. "Wenn der englische oder deutsche Bürger auch
genug erworben, um seine eigene Existenz für immer gesichert zu halten,
er fährt fort im Ringen, um den Antheil seiner Kinder zu vermehren. Den
Engländer drängt dazu namentlich der Familienstolz, der sich durch die Aus¬
sicht auf eine bedrängte Lage der Nachkommenschaft gekränkt fühlen würde,
den Deutschen schirmt namentlich die Familienliebe, welche den theuren
Angehörigen die möglichstbeste Zukunft bereiten will. Der Franzose hat zu
wenig aristokratischen Sinn für jenen englischen Familienstvlz, zu wenig
Gemüthlichkeit für diese deutsche Familienliebe, und so zieht er meist es vor,
sobald er eine kleine Rente genießen kann, von dieser zu leben und die Kin¬
der von neuem anfangen zu lassen. Nirgend so viel und so früh wie in
Frankreich kommt daher auch die stark egoistische Form der Leibrente vor."
H. hebt das Verdienst der ersten französischen Republik um Ordnung und
Befestigung des Staatscreditwesens hervor. Wir können hier auf die weitere
Geschichte desselben nicht eingehen und verweisen auf das Buch selber; nur
zeigt sich an den Zahlen, wie sehr das zweite Kaiserreich alle frühern fran¬
zösischen Regierungen an Schuldenmachen überragt. Das zweite Capitel ent¬
hält den "Nentencours", und hebt der Verfasser besonders zwei merkwürdige
Thatsachen hervor und belegt sie mit Zahlen, einmal, daß jede der großen
Perioden der neueren französischen Geschichte seit der Revolution einen
höhern Cours erreicht hat als die vorangehende, wiederum mit Ausnahme
deS jetzigen Kaiserreichs, sodann, daß die höchsten oder nahezu höchsten Course
unmittelbar vor jeder Katastrophe, die dem bisherigen Zustande ein Ende ge¬
macht hat, erzielt wurden, gewiß kein Beweis für die viel gepriesene Voraus-


tüchtige Leistungen bekannt gemacht. Eine seiner besten Arbeiten sind seine
„bevölkerungöwissenschastlichen Studien aus Belgien", in welchen der Verfasser
daS anscheinend so trockne und dürre Material der Bevölkerungsstatistik in
ebenso gründlicher alö anziehender Weise verarbeitet. Ueberhaupt zeichnen die
hornscben Arbeiten sich ebenso sehr durch erschöpfende Behandlung des In¬
halts wie durch einfache und durchsichtige Darstellungsweise aus. Er liebt es,
die Kritik, die er ausübt — und er ist vor allem ein kritischer Kopf — mehr durch
die Thatsache selbst reden zu lassen, als durch weitläufige Raisonnements dem
Leser möglichst mundgerecht zu machen. So haben wir s. Z. mit wahrhaftem
Nutzen die geistreiche Skizze der modernen Patentgesetzgebung gelesen, die in
einer Reihe von Nummern des bremer Handelöblattcs enthalten war. Wir
machen alle die, welche sich für diese wichtige Frage interessiren, auf diese
Arbeit aufmerksam.

Die vorliegende Broschüre beginnt mit einer kurzen Geschichte der
französischen Staatsschuld, deren zu allen Zeiten so besonders begünstigtes
Anwachsen mit auf Rechnung der im französischen Volk herrschenden
„Nentensucht" gestellt wird. „Wenn der englische oder deutsche Bürger auch
genug erworben, um seine eigene Existenz für immer gesichert zu halten,
er fährt fort im Ringen, um den Antheil seiner Kinder zu vermehren. Den
Engländer drängt dazu namentlich der Familienstolz, der sich durch die Aus¬
sicht auf eine bedrängte Lage der Nachkommenschaft gekränkt fühlen würde,
den Deutschen schirmt namentlich die Familienliebe, welche den theuren
Angehörigen die möglichstbeste Zukunft bereiten will. Der Franzose hat zu
wenig aristokratischen Sinn für jenen englischen Familienstvlz, zu wenig
Gemüthlichkeit für diese deutsche Familienliebe, und so zieht er meist es vor,
sobald er eine kleine Rente genießen kann, von dieser zu leben und die Kin¬
der von neuem anfangen zu lassen. Nirgend so viel und so früh wie in
Frankreich kommt daher auch die stark egoistische Form der Leibrente vor."
H. hebt das Verdienst der ersten französischen Republik um Ordnung und
Befestigung des Staatscreditwesens hervor. Wir können hier auf die weitere
Geschichte desselben nicht eingehen und verweisen auf das Buch selber; nur
zeigt sich an den Zahlen, wie sehr das zweite Kaiserreich alle frühern fran¬
zösischen Regierungen an Schuldenmachen überragt. Das zweite Capitel ent¬
hält den „Nentencours", und hebt der Verfasser besonders zwei merkwürdige
Thatsachen hervor und belegt sie mit Zahlen, einmal, daß jede der großen
Perioden der neueren französischen Geschichte seit der Revolution einen
höhern Cours erreicht hat als die vorangehende, wiederum mit Ausnahme
deS jetzigen Kaiserreichs, sodann, daß die höchsten oder nahezu höchsten Course
unmittelbar vor jeder Katastrophe, die dem bisherigen Zustande ein Ende ge¬
macht hat, erzielt wurden, gewiß kein Beweis für die viel gepriesene Voraus-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0212" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104947"/>
          <p xml:id="ID_615" prev="#ID_614"> tüchtige Leistungen bekannt gemacht. Eine seiner besten Arbeiten sind seine<lb/>
&#x201E;bevölkerungöwissenschastlichen Studien aus Belgien", in welchen der Verfasser<lb/>
daS anscheinend so trockne und dürre Material der Bevölkerungsstatistik in<lb/>
ebenso gründlicher alö anziehender Weise verarbeitet. Ueberhaupt zeichnen die<lb/>
hornscben Arbeiten sich ebenso sehr durch erschöpfende Behandlung des In¬<lb/>
halts wie durch einfache und durchsichtige Darstellungsweise aus. Er liebt es,<lb/>
die Kritik, die er ausübt &#x2014; und er ist vor allem ein kritischer Kopf &#x2014; mehr durch<lb/>
die Thatsache selbst reden zu lassen, als durch weitläufige Raisonnements dem<lb/>
Leser möglichst mundgerecht zu machen. So haben wir s. Z. mit wahrhaftem<lb/>
Nutzen die geistreiche Skizze der modernen Patentgesetzgebung gelesen, die in<lb/>
einer Reihe von Nummern des bremer Handelöblattcs enthalten war. Wir<lb/>
machen alle die, welche sich für diese wichtige Frage interessiren, auf diese<lb/>
Arbeit aufmerksam.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_616" next="#ID_617"> Die vorliegende Broschüre beginnt mit einer kurzen Geschichte der<lb/>
französischen Staatsschuld, deren zu allen Zeiten so besonders begünstigtes<lb/>
Anwachsen mit auf Rechnung der im französischen Volk herrschenden<lb/>
&#x201E;Nentensucht" gestellt wird. &#x201E;Wenn der englische oder deutsche Bürger auch<lb/>
genug erworben, um seine eigene Existenz für immer gesichert zu halten,<lb/>
er fährt fort im Ringen, um den Antheil seiner Kinder zu vermehren. Den<lb/>
Engländer drängt dazu namentlich der Familienstolz, der sich durch die Aus¬<lb/>
sicht auf eine bedrängte Lage der Nachkommenschaft gekränkt fühlen würde,<lb/>
den Deutschen schirmt namentlich die Familienliebe, welche den theuren<lb/>
Angehörigen die möglichstbeste Zukunft bereiten will. Der Franzose hat zu<lb/>
wenig aristokratischen Sinn für jenen englischen Familienstvlz, zu wenig<lb/>
Gemüthlichkeit für diese deutsche Familienliebe, und so zieht er meist es vor,<lb/>
sobald er eine kleine Rente genießen kann, von dieser zu leben und die Kin¬<lb/>
der von neuem anfangen zu lassen. Nirgend so viel und so früh wie in<lb/>
Frankreich kommt daher auch die stark egoistische Form der Leibrente vor."<lb/>
H. hebt das Verdienst der ersten französischen Republik um Ordnung und<lb/>
Befestigung des Staatscreditwesens hervor. Wir können hier auf die weitere<lb/>
Geschichte desselben nicht eingehen und verweisen auf das Buch selber; nur<lb/>
zeigt sich an den Zahlen, wie sehr das zweite Kaiserreich alle frühern fran¬<lb/>
zösischen Regierungen an Schuldenmachen überragt. Das zweite Capitel ent¬<lb/>
hält den &#x201E;Nentencours", und hebt der Verfasser besonders zwei merkwürdige<lb/>
Thatsachen hervor und belegt sie mit Zahlen, einmal, daß jede der großen<lb/>
Perioden der neueren französischen Geschichte seit der Revolution einen<lb/>
höhern Cours erreicht hat als die vorangehende, wiederum mit Ausnahme<lb/>
deS jetzigen Kaiserreichs, sodann, daß die höchsten oder nahezu höchsten Course<lb/>
unmittelbar vor jeder Katastrophe, die dem bisherigen Zustande ein Ende ge¬<lb/>
macht hat, erzielt wurden, gewiß kein Beweis für die viel gepriesene Voraus-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0212] tüchtige Leistungen bekannt gemacht. Eine seiner besten Arbeiten sind seine „bevölkerungöwissenschastlichen Studien aus Belgien", in welchen der Verfasser daS anscheinend so trockne und dürre Material der Bevölkerungsstatistik in ebenso gründlicher alö anziehender Weise verarbeitet. Ueberhaupt zeichnen die hornscben Arbeiten sich ebenso sehr durch erschöpfende Behandlung des In¬ halts wie durch einfache und durchsichtige Darstellungsweise aus. Er liebt es, die Kritik, die er ausübt — und er ist vor allem ein kritischer Kopf — mehr durch die Thatsache selbst reden zu lassen, als durch weitläufige Raisonnements dem Leser möglichst mundgerecht zu machen. So haben wir s. Z. mit wahrhaftem Nutzen die geistreiche Skizze der modernen Patentgesetzgebung gelesen, die in einer Reihe von Nummern des bremer Handelöblattcs enthalten war. Wir machen alle die, welche sich für diese wichtige Frage interessiren, auf diese Arbeit aufmerksam. Die vorliegende Broschüre beginnt mit einer kurzen Geschichte der französischen Staatsschuld, deren zu allen Zeiten so besonders begünstigtes Anwachsen mit auf Rechnung der im französischen Volk herrschenden „Nentensucht" gestellt wird. „Wenn der englische oder deutsche Bürger auch genug erworben, um seine eigene Existenz für immer gesichert zu halten, er fährt fort im Ringen, um den Antheil seiner Kinder zu vermehren. Den Engländer drängt dazu namentlich der Familienstolz, der sich durch die Aus¬ sicht auf eine bedrängte Lage der Nachkommenschaft gekränkt fühlen würde, den Deutschen schirmt namentlich die Familienliebe, welche den theuren Angehörigen die möglichstbeste Zukunft bereiten will. Der Franzose hat zu wenig aristokratischen Sinn für jenen englischen Familienstvlz, zu wenig Gemüthlichkeit für diese deutsche Familienliebe, und so zieht er meist es vor, sobald er eine kleine Rente genießen kann, von dieser zu leben und die Kin¬ der von neuem anfangen zu lassen. Nirgend so viel und so früh wie in Frankreich kommt daher auch die stark egoistische Form der Leibrente vor." H. hebt das Verdienst der ersten französischen Republik um Ordnung und Befestigung des Staatscreditwesens hervor. Wir können hier auf die weitere Geschichte desselben nicht eingehen und verweisen auf das Buch selber; nur zeigt sich an den Zahlen, wie sehr das zweite Kaiserreich alle frühern fran¬ zösischen Regierungen an Schuldenmachen überragt. Das zweite Capitel ent¬ hält den „Nentencours", und hebt der Verfasser besonders zwei merkwürdige Thatsachen hervor und belegt sie mit Zahlen, einmal, daß jede der großen Perioden der neueren französischen Geschichte seit der Revolution einen höhern Cours erreicht hat als die vorangehende, wiederum mit Ausnahme deS jetzigen Kaiserreichs, sodann, daß die höchsten oder nahezu höchsten Course unmittelbar vor jeder Katastrophe, die dem bisherigen Zustande ein Ende ge¬ macht hat, erzielt wurden, gewiß kein Beweis für die viel gepriesene Voraus-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/212
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/212>, abgerufen am 23.07.2024.