Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gerichtet durch ihre eigenen Resultate, zu Ehren der gesunden Vernunft und
deS alten Satzes: Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen.
Wie die Sonne wollte sie Licht und Wärme ausstrahlen, auf daß jeder der
eigenen Thätigkeit und des eigenen Nachdenkens überhoben sei, aber es war
ein Irrlicht, das nur zu Vielen zum Verderben geworden. Wir haben alle
Ursache anzunehmen, daß, ganz abgesehen von den vaterländischen Nachbildungen,
für die Betheiligung an dem Credit Mobilier ganz außerordentliche Summen
nach Paris von Deutschland geflossen sind, Summen, die zu einem großen
Theil der Landwirthschaft und der Industrie entzogen werden mußten. Die
deutsche Presse hat solchen Thorheiten gegenüber in reichlichem Maße ihre
Pflicht ausgeübt -- es ist uns mindestens kein nennenswerthes Organ bekannt,
die Börsenzeitungen natürlich ausgenommen, welches nicht wiederholt den eigent¬
lichen Stand der Sache beleuchtet hat, aber die hohen Procente lockten allzu¬
sehr und die Warnungen wurden überhört.

Dazu kommt dann noch die nordamerikanische Krisis. Merkwürdiger¬
weise ist auch hier der Anstoß von einem Institut gegeben worden, daS
dem Credit Mobilier noch am nächsten kommt, der Odio Ms grä ernst Le>m-
pitn^. Sie, die im ganzen Lande eines sehr großen Vertrauens genossen
hatte, stellte plötzlich ihre Zahlungen ein und .rief so nicht blos directe Ver¬
legenheiten herbei, sondern erweckte auch allgemeines Mißtrauen. Dazu kam
dann weiter, daß schon seit längerer Zeit ein Consortium, wie die neueste
Börsensprache lautet, sich gebildet hatte, das mit Aankeepsiffigkeit auf das
nothwendige Fallen aller Papiere speculirte, und ein Uebriges that, um es zu
beschleunigen. Außerdem scheint eS, als ob man von Europa aus, bei der
Unsicherheit der eigenen Zustände, dem ohnehin so regen amerikanischen
Speculcitionögeist eine zu starke Nahrung zugeführt hatte, wovon die Rück¬
wirkung nun eintrat. Die Zahl der amerikanischen Bankerotte wuchs zum
schwindeln an und verbreitete rasch ihre nothwendigen Folgen nach Europa,
zunächst nach England, wo die indische KriegSnolh ohnehin den Geld- und
Waarenmarkt so empfindlich gemacht hatte. Discontoerhöhungen und Geld¬
verlegenheiten waren von da an allen europäischen Börsen an der Tages¬
ordnung, begleitet freilich von einem etwas bedenklichen Fallen der Waaren¬
preise, insofern sich dadurch die Symptome einer möglichen Geschäftslosigkeit
zeigen dürften, wodurch dann die Krisis noch ganz andere Gestaltungen an¬
nehmen kann.

Wir müssen eS dies Mal bei diesen Andeutungen deS Thatbestandes be¬
wenden lassen, da wir unmöglich die Geduld der Leser sür die Darlegung
von Fragen in Anspruch nehmen dürfen, die ein vorzugsweise kaufmännisches
Interesse haben. Wir dürfen aber wol darauf zurückkommen, daß wir schon
bei einer früheren Gelegenheit auf die besondere Eigenthümlichkeit der heutigen


gerichtet durch ihre eigenen Resultate, zu Ehren der gesunden Vernunft und
deS alten Satzes: Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen.
Wie die Sonne wollte sie Licht und Wärme ausstrahlen, auf daß jeder der
eigenen Thätigkeit und des eigenen Nachdenkens überhoben sei, aber es war
ein Irrlicht, das nur zu Vielen zum Verderben geworden. Wir haben alle
Ursache anzunehmen, daß, ganz abgesehen von den vaterländischen Nachbildungen,
für die Betheiligung an dem Credit Mobilier ganz außerordentliche Summen
nach Paris von Deutschland geflossen sind, Summen, die zu einem großen
Theil der Landwirthschaft und der Industrie entzogen werden mußten. Die
deutsche Presse hat solchen Thorheiten gegenüber in reichlichem Maße ihre
Pflicht ausgeübt — es ist uns mindestens kein nennenswerthes Organ bekannt,
die Börsenzeitungen natürlich ausgenommen, welches nicht wiederholt den eigent¬
lichen Stand der Sache beleuchtet hat, aber die hohen Procente lockten allzu¬
sehr und die Warnungen wurden überhört.

Dazu kommt dann noch die nordamerikanische Krisis. Merkwürdiger¬
weise ist auch hier der Anstoß von einem Institut gegeben worden, daS
dem Credit Mobilier noch am nächsten kommt, der Odio Ms grä ernst Le>m-
pitn^. Sie, die im ganzen Lande eines sehr großen Vertrauens genossen
hatte, stellte plötzlich ihre Zahlungen ein und .rief so nicht blos directe Ver¬
legenheiten herbei, sondern erweckte auch allgemeines Mißtrauen. Dazu kam
dann weiter, daß schon seit längerer Zeit ein Consortium, wie die neueste
Börsensprache lautet, sich gebildet hatte, das mit Aankeepsiffigkeit auf das
nothwendige Fallen aller Papiere speculirte, und ein Uebriges that, um es zu
beschleunigen. Außerdem scheint eS, als ob man von Europa aus, bei der
Unsicherheit der eigenen Zustände, dem ohnehin so regen amerikanischen
Speculcitionögeist eine zu starke Nahrung zugeführt hatte, wovon die Rück¬
wirkung nun eintrat. Die Zahl der amerikanischen Bankerotte wuchs zum
schwindeln an und verbreitete rasch ihre nothwendigen Folgen nach Europa,
zunächst nach England, wo die indische KriegSnolh ohnehin den Geld- und
Waarenmarkt so empfindlich gemacht hatte. Discontoerhöhungen und Geld¬
verlegenheiten waren von da an allen europäischen Börsen an der Tages¬
ordnung, begleitet freilich von einem etwas bedenklichen Fallen der Waaren¬
preise, insofern sich dadurch die Symptome einer möglichen Geschäftslosigkeit
zeigen dürften, wodurch dann die Krisis noch ganz andere Gestaltungen an¬
nehmen kann.

Wir müssen eS dies Mal bei diesen Andeutungen deS Thatbestandes be¬
wenden lassen, da wir unmöglich die Geduld der Leser sür die Darlegung
von Fragen in Anspruch nehmen dürfen, die ein vorzugsweise kaufmännisches
Interesse haben. Wir dürfen aber wol darauf zurückkommen, daß wir schon
bei einer früheren Gelegenheit auf die besondere Eigenthümlichkeit der heutigen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0210" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104945"/>
          <p xml:id="ID_608" prev="#ID_607"> gerichtet durch ihre eigenen Resultate, zu Ehren der gesunden Vernunft und<lb/>
deS alten Satzes: Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen.<lb/>
Wie die Sonne wollte sie Licht und Wärme ausstrahlen, auf daß jeder der<lb/>
eigenen Thätigkeit und des eigenen Nachdenkens überhoben sei, aber es war<lb/>
ein Irrlicht, das nur zu Vielen zum Verderben geworden. Wir haben alle<lb/>
Ursache anzunehmen, daß, ganz abgesehen von den vaterländischen Nachbildungen,<lb/>
für die Betheiligung an dem Credit Mobilier ganz außerordentliche Summen<lb/>
nach Paris von Deutschland geflossen sind, Summen, die zu einem großen<lb/>
Theil der Landwirthschaft und der Industrie entzogen werden mußten. Die<lb/>
deutsche Presse hat solchen Thorheiten gegenüber in reichlichem Maße ihre<lb/>
Pflicht ausgeübt &#x2014; es ist uns mindestens kein nennenswerthes Organ bekannt,<lb/>
die Börsenzeitungen natürlich ausgenommen, welches nicht wiederholt den eigent¬<lb/>
lichen Stand der Sache beleuchtet hat, aber die hohen Procente lockten allzu¬<lb/>
sehr und die Warnungen wurden überhört.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_609"> Dazu kommt dann noch die nordamerikanische Krisis. Merkwürdiger¬<lb/>
weise ist auch hier der Anstoß von einem Institut gegeben worden, daS<lb/>
dem Credit Mobilier noch am nächsten kommt, der Odio Ms grä ernst Le&gt;m-<lb/>
pitn^. Sie, die im ganzen Lande eines sehr großen Vertrauens genossen<lb/>
hatte, stellte plötzlich ihre Zahlungen ein und .rief so nicht blos directe Ver¬<lb/>
legenheiten herbei, sondern erweckte auch allgemeines Mißtrauen. Dazu kam<lb/>
dann weiter, daß schon seit längerer Zeit ein Consortium, wie die neueste<lb/>
Börsensprache lautet, sich gebildet hatte, das mit Aankeepsiffigkeit auf das<lb/>
nothwendige Fallen aller Papiere speculirte, und ein Uebriges that, um es zu<lb/>
beschleunigen. Außerdem scheint eS, als ob man von Europa aus, bei der<lb/>
Unsicherheit der eigenen Zustände, dem ohnehin so regen amerikanischen<lb/>
Speculcitionögeist eine zu starke Nahrung zugeführt hatte, wovon die Rück¬<lb/>
wirkung nun eintrat. Die Zahl der amerikanischen Bankerotte wuchs zum<lb/>
schwindeln an und verbreitete rasch ihre nothwendigen Folgen nach Europa,<lb/>
zunächst nach England, wo die indische KriegSnolh ohnehin den Geld- und<lb/>
Waarenmarkt so empfindlich gemacht hatte. Discontoerhöhungen und Geld¬<lb/>
verlegenheiten waren von da an allen europäischen Börsen an der Tages¬<lb/>
ordnung, begleitet freilich von einem etwas bedenklichen Fallen der Waaren¬<lb/>
preise, insofern sich dadurch die Symptome einer möglichen Geschäftslosigkeit<lb/>
zeigen dürften, wodurch dann die Krisis noch ganz andere Gestaltungen an¬<lb/>
nehmen kann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_610" next="#ID_611"> Wir müssen eS dies Mal bei diesen Andeutungen deS Thatbestandes be¬<lb/>
wenden lassen, da wir unmöglich die Geduld der Leser sür die Darlegung<lb/>
von Fragen in Anspruch nehmen dürfen, die ein vorzugsweise kaufmännisches<lb/>
Interesse haben. Wir dürfen aber wol darauf zurückkommen, daß wir schon<lb/>
bei einer früheren Gelegenheit auf die besondere Eigenthümlichkeit der heutigen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0210] gerichtet durch ihre eigenen Resultate, zu Ehren der gesunden Vernunft und deS alten Satzes: Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen. Wie die Sonne wollte sie Licht und Wärme ausstrahlen, auf daß jeder der eigenen Thätigkeit und des eigenen Nachdenkens überhoben sei, aber es war ein Irrlicht, das nur zu Vielen zum Verderben geworden. Wir haben alle Ursache anzunehmen, daß, ganz abgesehen von den vaterländischen Nachbildungen, für die Betheiligung an dem Credit Mobilier ganz außerordentliche Summen nach Paris von Deutschland geflossen sind, Summen, die zu einem großen Theil der Landwirthschaft und der Industrie entzogen werden mußten. Die deutsche Presse hat solchen Thorheiten gegenüber in reichlichem Maße ihre Pflicht ausgeübt — es ist uns mindestens kein nennenswerthes Organ bekannt, die Börsenzeitungen natürlich ausgenommen, welches nicht wiederholt den eigent¬ lichen Stand der Sache beleuchtet hat, aber die hohen Procente lockten allzu¬ sehr und die Warnungen wurden überhört. Dazu kommt dann noch die nordamerikanische Krisis. Merkwürdiger¬ weise ist auch hier der Anstoß von einem Institut gegeben worden, daS dem Credit Mobilier noch am nächsten kommt, der Odio Ms grä ernst Le>m- pitn^. Sie, die im ganzen Lande eines sehr großen Vertrauens genossen hatte, stellte plötzlich ihre Zahlungen ein und .rief so nicht blos directe Ver¬ legenheiten herbei, sondern erweckte auch allgemeines Mißtrauen. Dazu kam dann weiter, daß schon seit längerer Zeit ein Consortium, wie die neueste Börsensprache lautet, sich gebildet hatte, das mit Aankeepsiffigkeit auf das nothwendige Fallen aller Papiere speculirte, und ein Uebriges that, um es zu beschleunigen. Außerdem scheint eS, als ob man von Europa aus, bei der Unsicherheit der eigenen Zustände, dem ohnehin so regen amerikanischen Speculcitionögeist eine zu starke Nahrung zugeführt hatte, wovon die Rück¬ wirkung nun eintrat. Die Zahl der amerikanischen Bankerotte wuchs zum schwindeln an und verbreitete rasch ihre nothwendigen Folgen nach Europa, zunächst nach England, wo die indische KriegSnolh ohnehin den Geld- und Waarenmarkt so empfindlich gemacht hatte. Discontoerhöhungen und Geld¬ verlegenheiten waren von da an allen europäischen Börsen an der Tages¬ ordnung, begleitet freilich von einem etwas bedenklichen Fallen der Waaren¬ preise, insofern sich dadurch die Symptome einer möglichen Geschäftslosigkeit zeigen dürften, wodurch dann die Krisis noch ganz andere Gestaltungen an¬ nehmen kann. Wir müssen eS dies Mal bei diesen Andeutungen deS Thatbestandes be¬ wenden lassen, da wir unmöglich die Geduld der Leser sür die Darlegung von Fragen in Anspruch nehmen dürfen, die ein vorzugsweise kaufmännisches Interesse haben. Wir dürfen aber wol darauf zurückkommen, daß wir schon bei einer früheren Gelegenheit auf die besondere Eigenthümlichkeit der heutigen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/210
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/210>, abgerufen am 23.07.2024.