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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Altar der Diana, der schlängelnde Lauf einer Quelle durch lachende Gefilde,
der Rheinstrom, der Regenbogen." Juvenal versichert, daß niemandem sein eignes
Haus so bekannt sei, als ihm der Hain deS Mars und die Höhle Vulkans.
Endlich wurde die Richtung dieser wie jeder Dilettantenpoesie durch ihre Vor¬
bilder bestimmt; Virgil war von unermeßlichen Einfluß, daneben auch die
alerandrinischen Dichter, damals eifrig bewundert und nachgeahmt. Wir dürfe"
glauben, daß die Nachahmungen den Vorbildern oft zum Verwechseln ähnlich
gesehen haben, schwerlich waren die ältern Verse vor Plagiaten sicher, wenn
manche sogar die Verse lebender Dichter für ihre eignen ausgaben. Martial
beklagt sich öfter über solche Diebstähle an seinen Epigrammen. Doch gab es
auch Leute, die sich für baares Geld fremde Gedichte kauften und dann mit
gutem Gewissen als die ihrigen vorlasen. Die bescheidensten Freunde ver Poesie
konnten ihre Lust an reinen Uebersetzungen und Reproduktionen aus ver grie¬
chischen poetischen Literatur büßen, und dies unermeßliche Feld wurde mit um
so größerem Eifer angebaut, da daS Uebersetzen zugleich eine gute stilistische
Uebung war.

Die Briefsammlung deS jüngern Plinins gibt uns interessante Einblicke,
wie in das literarische Treiben dieser Tage überhaupt, so auch in die Verse-
macherei, die bei aller literarischen Thätigkeit obligat war. Er war eine durch
und durch nüchterne und prosaische Natur, aber doch dichtete er fleißig. Sein gan¬
zes Sinnen und Trachten war auf schriftstellerischen Ruhm und schriftstellerische
Unsterblichkeit gerichtet, er verabsäumte nichts, was ihn diesem Ziel näher zu
bringen, nichts was seiner fast kindischen Eitelkeit und Selbstbespiegelung Be¬
friedigung zu geben versprach. Du sagst, schreibt er an einen Freund, Du
habest meine Hendekasyllaben gelesen und fragst, wie ich dazu gekommen sei
dergleichen zu schreiben, da ich doch, wie du meinst, ein ernster und, wie ich selbst
bekenne, grade kein unverständiger Mann bin. Niemals (denn ich muß etwas
weit ausholen) bin ich der Poesie fremd gewesen. Ich habe sogar im Alter
von vierzehn Jahren ein griechisches Trauerspiel geschrieben. Wie war es? fragst
du. Das weiß ich nicht, genug es hieß Trauerspiel. Dann auf der Rückkehr
aus dem Feldzuge, als ich auf der Jusel Jkaria durch widrige Winde zurück¬
gehalten wurde, schrieb ich lateinische Elegien auf jene See und die Insel selbst.
Ich habe mich auch einmal in Hexametern versucht; in Hendekasyllaben jetzt
zum ersten Mal, deren Veranlassung und Ursprung folgender war. Bei einer
Villeggiatur ließ ich mir ein Buch vorlesen, worin ein Epigramm Ciceros auf
seinen Lieblingsfreigelassenen Tir,o vorkam; als ich mich darauf Mittags zur
Siesta zurückzog (denn es war im Sommer) und der Schlaf sich nicht einstellen
wollte, sing ich an zu bedenken, daß die größten Redner diese literarische
Thätigkeit zum Vergnügen geübt und sich zum Ruhm angerechnet haben. Ich
sann nach, und zu meiner Ueberraschung gelang es mir, obwol ich so lange


Altar der Diana, der schlängelnde Lauf einer Quelle durch lachende Gefilde,
der Rheinstrom, der Regenbogen." Juvenal versichert, daß niemandem sein eignes
Haus so bekannt sei, als ihm der Hain deS Mars und die Höhle Vulkans.
Endlich wurde die Richtung dieser wie jeder Dilettantenpoesie durch ihre Vor¬
bilder bestimmt; Virgil war von unermeßlichen Einfluß, daneben auch die
alerandrinischen Dichter, damals eifrig bewundert und nachgeahmt. Wir dürfe»
glauben, daß die Nachahmungen den Vorbildern oft zum Verwechseln ähnlich
gesehen haben, schwerlich waren die ältern Verse vor Plagiaten sicher, wenn
manche sogar die Verse lebender Dichter für ihre eignen ausgaben. Martial
beklagt sich öfter über solche Diebstähle an seinen Epigrammen. Doch gab es
auch Leute, die sich für baares Geld fremde Gedichte kauften und dann mit
gutem Gewissen als die ihrigen vorlasen. Die bescheidensten Freunde ver Poesie
konnten ihre Lust an reinen Uebersetzungen und Reproduktionen aus ver grie¬
chischen poetischen Literatur büßen, und dies unermeßliche Feld wurde mit um
so größerem Eifer angebaut, da daS Uebersetzen zugleich eine gute stilistische
Uebung war.

Die Briefsammlung deS jüngern Plinins gibt uns interessante Einblicke,
wie in das literarische Treiben dieser Tage überhaupt, so auch in die Verse-
macherei, die bei aller literarischen Thätigkeit obligat war. Er war eine durch
und durch nüchterne und prosaische Natur, aber doch dichtete er fleißig. Sein gan¬
zes Sinnen und Trachten war auf schriftstellerischen Ruhm und schriftstellerische
Unsterblichkeit gerichtet, er verabsäumte nichts, was ihn diesem Ziel näher zu
bringen, nichts was seiner fast kindischen Eitelkeit und Selbstbespiegelung Be¬
friedigung zu geben versprach. Du sagst, schreibt er an einen Freund, Du
habest meine Hendekasyllaben gelesen und fragst, wie ich dazu gekommen sei
dergleichen zu schreiben, da ich doch, wie du meinst, ein ernster und, wie ich selbst
bekenne, grade kein unverständiger Mann bin. Niemals (denn ich muß etwas
weit ausholen) bin ich der Poesie fremd gewesen. Ich habe sogar im Alter
von vierzehn Jahren ein griechisches Trauerspiel geschrieben. Wie war es? fragst
du. Das weiß ich nicht, genug es hieß Trauerspiel. Dann auf der Rückkehr
aus dem Feldzuge, als ich auf der Jusel Jkaria durch widrige Winde zurück¬
gehalten wurde, schrieb ich lateinische Elegien auf jene See und die Insel selbst.
Ich habe mich auch einmal in Hexametern versucht; in Hendekasyllaben jetzt
zum ersten Mal, deren Veranlassung und Ursprung folgender war. Bei einer
Villeggiatur ließ ich mir ein Buch vorlesen, worin ein Epigramm Ciceros auf
seinen Lieblingsfreigelassenen Tir,o vorkam; als ich mich darauf Mittags zur
Siesta zurückzog (denn es war im Sommer) und der Schlaf sich nicht einstellen
wollte, sing ich an zu bedenken, daß die größten Redner diese literarische
Thätigkeit zum Vergnügen geübt und sich zum Ruhm angerechnet haben. Ich
sann nach, und zu meiner Ueberraschung gelang es mir, obwol ich so lange


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/21>, abgerufen am 23.07.2024.