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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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durch, sondern noch längn. Einigen Nachtheilen desselben ward durch die Er¬
findung deS LuntenverbergerS abgeholfen, welcher während deS niederlän¬
dischen Befreiungskrieges in Gebrauch kam und im Anfange deö -17. Jahr¬
hunderts allgemein eingeführt ward; er besteht in einer blechernen Röhre von
1 Fuß Länge, so weit, daß die Lunte bequem hindurchgezogen werden kann,
und ringsum mit kleinen Löchern versehen, damit die Lunte Luft hat und nicht
verlöscht.

Die gewöhnlichen Handrohre befriedigten keineswegs, die Engländer mach¬
ten noch Anfangs deS 16. Jahrhunderts gar keinen Gebrauch davon und
gaben dem Bogen den Vorzug. Nun aber ward die Gabelarkebuse
erfunden, welche späterhin den Namen der Muskete erhielt. Seitdem ver¬
schwinden die Armbrüste und Bogen gänzlich, und wie es von Anbeginn die
Tendenz der Handrohre gewesen war, die Armbrust und den Bogen zu ver¬
drängen, so ward eS nun die Tendenz der Muskete, das Handrohr zu ver¬
drängen. Zuerst soll die Muskete im Jahre 1521 zur Anwendung gekommen
sein: als Lautrec mit dem französischen Heere das kaiserliche veranlaßte, die
Belagerung von Parma aufzuheben, sich dann aber, nachdem er die Stadt
verproviantirt hatte, an den Taro zurückzog und dort Stellung nahm, während
ihm gegenüber die Kaiserlichen die Enza vor ihr Lager nahmen. Lange Zeit
blieben hier die beiden Heere einander gegenüberstehen, ohne etwas Ernstliches
zu versuchen. Dagegen scharmuzirten beständig kleine Abtheilungen derselben
miteinander. Diese Schießereien aus der Ferne, oft aus Positionen, brachten
die Muskete in Aufnahme. ES ist nicht unwahrscheinlich, daß man sich anfangs
lediglich einiger jener schweren Handrohre, welche mit einem Haken versehen
waren, und welche wir oben mit den Hakenschlangcn ungefähr auf eine Stufe
stellten, statt der Musketen und als solcher bediente, indem man sie auf eine
Gabel legte und daß von jetzt ab erst besondere Musketenrohre geschmie¬
det wurden.

Die Musketen unterschieden sich von den Handrohren erstens durch daS
größere Kaliber, zweitens durch die größere Länge und drittens dadurch, daß
man sie zum Abfeuern auf eine Gabel (kouredette, tourqueUk) legte. Wall-
Hausen gibt die Gesammtlänge, Kolben eingerechnet, für das Handrohr auf 3,
für die Muskete auf 6 Fuß an. DaS Kaliber wählte man anfangs von
8 Kugeln aufs Pfund, während des niederländischen Befreiungskrieges aber
wurde dasselbe von Niederländern und Spaniern zuerst, späterhin auch von
andern Nationen verringert, auf 10 Kugeln aufs Pfund. Die Gabel, deren
Länge man nach der Größe des Mannes bestimmte, durchschnittlich 4 bis 4'/-
Fuß, war unten mit einem spitzigen Schuh versehen, um sie bequem etwas in
den Boden stoßen zu können. Während deS Ladens hing sie der Musketier
mittelst einer oben an ihr befestigten Bandschleife über daS linke Handgelenk;


durch, sondern noch längn. Einigen Nachtheilen desselben ward durch die Er¬
findung deS LuntenverbergerS abgeholfen, welcher während deS niederlän¬
dischen Befreiungskrieges in Gebrauch kam und im Anfange deö -17. Jahr¬
hunderts allgemein eingeführt ward; er besteht in einer blechernen Röhre von
1 Fuß Länge, so weit, daß die Lunte bequem hindurchgezogen werden kann,
und ringsum mit kleinen Löchern versehen, damit die Lunte Luft hat und nicht
verlöscht.

Die gewöhnlichen Handrohre befriedigten keineswegs, die Engländer mach¬
ten noch Anfangs deS 16. Jahrhunderts gar keinen Gebrauch davon und
gaben dem Bogen den Vorzug. Nun aber ward die Gabelarkebuse
erfunden, welche späterhin den Namen der Muskete erhielt. Seitdem ver¬
schwinden die Armbrüste und Bogen gänzlich, und wie es von Anbeginn die
Tendenz der Handrohre gewesen war, die Armbrust und den Bogen zu ver¬
drängen, so ward eS nun die Tendenz der Muskete, das Handrohr zu ver¬
drängen. Zuerst soll die Muskete im Jahre 1521 zur Anwendung gekommen
sein: als Lautrec mit dem französischen Heere das kaiserliche veranlaßte, die
Belagerung von Parma aufzuheben, sich dann aber, nachdem er die Stadt
verproviantirt hatte, an den Taro zurückzog und dort Stellung nahm, während
ihm gegenüber die Kaiserlichen die Enza vor ihr Lager nahmen. Lange Zeit
blieben hier die beiden Heere einander gegenüberstehen, ohne etwas Ernstliches
zu versuchen. Dagegen scharmuzirten beständig kleine Abtheilungen derselben
miteinander. Diese Schießereien aus der Ferne, oft aus Positionen, brachten
die Muskete in Aufnahme. ES ist nicht unwahrscheinlich, daß man sich anfangs
lediglich einiger jener schweren Handrohre, welche mit einem Haken versehen
waren, und welche wir oben mit den Hakenschlangcn ungefähr auf eine Stufe
stellten, statt der Musketen und als solcher bediente, indem man sie auf eine
Gabel legte und daß von jetzt ab erst besondere Musketenrohre geschmie¬
det wurden.

Die Musketen unterschieden sich von den Handrohren erstens durch daS
größere Kaliber, zweitens durch die größere Länge und drittens dadurch, daß
man sie zum Abfeuern auf eine Gabel (kouredette, tourqueUk) legte. Wall-
Hausen gibt die Gesammtlänge, Kolben eingerechnet, für das Handrohr auf 3,
für die Muskete auf 6 Fuß an. DaS Kaliber wählte man anfangs von
8 Kugeln aufs Pfund, während des niederländischen Befreiungskrieges aber
wurde dasselbe von Niederländern und Spaniern zuerst, späterhin auch von
andern Nationen verringert, auf 10 Kugeln aufs Pfund. Die Gabel, deren
Länge man nach der Größe des Mannes bestimmte, durchschnittlich 4 bis 4'/-
Fuß, war unten mit einem spitzigen Schuh versehen, um sie bequem etwas in
den Boden stoßen zu können. Während deS Ladens hing sie der Musketier
mittelst einer oben an ihr befestigten Bandschleife über daS linke Handgelenk;


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/199>, abgerufen am 23.07.2024.