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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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derartig bis an die Mitte der Hand. Der Rock ging bei ärmern Frauen mit
einem Saume bis an die Knöchel, bei reicheren endete er in einer Schleppe,
so daß der vordere Theil emporgehoben werden mußte, wobei sich das wohl-
besetzte Untergewand zeigte. Der Mantel ward von jüngeren Frauen für ge¬
wohnlich nicht mehr getragen. -- Schön und würdig ist die Tracht am Beginn
des 17. Jahrhunderts, sie besteht aus einem hohen Oberrock von Tuch, der
bis auf die Füße fällt und dessen Leib in eine ziemlich lange Schneppe aus¬
läuft, an den Achseln mit einer Art Epaulettes umfaßt; die Aermel sind
immer bis über die Ellbogen aufgeschlitzt und hier so eingeschnitten, daß die
Aermel des Untergewandes aus einem Achteck hervorragen. Von der Schneppe
ab ist der Oberrock aufgeschnitten und zugeknöpft. > Um den Hals liegt eine
gesattelte Krause. Die Schuhe sind breit und vorn eckig.

Gegen Mitte desselben Jahrhunderts ist diese züchtige Matronentracht
verschwunden. Das Kleid ist weit ausgeschnitten, die Aermel sind puffig und
geschlitzt wie im 16. Jahrhundert, und kokette Schleifchen sind, wo sie irgend
locken, aufgesteckt. Der Oberrock wird von der linken Hand hinaufgezogen, um
das engere Unterkleid sehen zu lassen. Um den Nacken zieht sich der steife,
breite Spitzenkragen.

Ueber die Kopfbedeckung ließe sich viel sagen oder vielmehr zeichnen, denn-
nur durch bildliche Darstellungen kann hier volle Deutlichkeit erreicht werden.

Noch bis in das 16. Jahrhundert wurden die Stirn- und Kinnbinden
von den Berheiralheten getragen, die in früherer Zeit unter dem Namen
"Gebende" bekannt waren. Ebenso blieb der altgermanische Schleier in Brauch,
der zierlich gefältelt von den Schläfen auf die Schultern siel und die Stirn
halb überragte. Er gab natürlich Platz für allerlei Zierrathen; galante Frauen¬
zimmer des 13. JahrhunderS, ebenso des 16. und 17., liebten ihn von gelber
Farbe. Nicht minder wechselte man in der Art ihn zu legen ab und be¬
schäftigte sich überhaupt viel damit, so daß seit dem 1i. Jahrhundert in den
Städten Schleierordnungen erlassen werden mußten.

Die Hauben waren, wie früher erwähnt, mehr Männertracht, kamen jedoch
seit dem 16. Jahrhundert auch bei dem weiblichen Geschlecht stärker in Auf¬
nahme. An den Hüten ließe sich die weibliche Erfindungsgabe glänzend nach¬
weisen: alle möglichen Formen in allen Stoffen sind ganz besonders in dem
Is. Jahrhundert üblich gewesen, und häufig genug waren sie ebenso geschmack¬
los wie viele moderne. Das 16. Jahrhundert hatte auch hier gediegenem
Sinn. Die Haube und das freigetragene Haar, daS Bänder und Federn
schmückten, arbeitete sich im 17. Jahrhundert hervor, um dann der französi¬
schen Unnatur zu erliegen.




derartig bis an die Mitte der Hand. Der Rock ging bei ärmern Frauen mit
einem Saume bis an die Knöchel, bei reicheren endete er in einer Schleppe,
so daß der vordere Theil emporgehoben werden mußte, wobei sich das wohl-
besetzte Untergewand zeigte. Der Mantel ward von jüngeren Frauen für ge¬
wohnlich nicht mehr getragen. — Schön und würdig ist die Tracht am Beginn
des 17. Jahrhunderts, sie besteht aus einem hohen Oberrock von Tuch, der
bis auf die Füße fällt und dessen Leib in eine ziemlich lange Schneppe aus¬
läuft, an den Achseln mit einer Art Epaulettes umfaßt; die Aermel sind
immer bis über die Ellbogen aufgeschlitzt und hier so eingeschnitten, daß die
Aermel des Untergewandes aus einem Achteck hervorragen. Von der Schneppe
ab ist der Oberrock aufgeschnitten und zugeknöpft. > Um den Hals liegt eine
gesattelte Krause. Die Schuhe sind breit und vorn eckig.

Gegen Mitte desselben Jahrhunderts ist diese züchtige Matronentracht
verschwunden. Das Kleid ist weit ausgeschnitten, die Aermel sind puffig und
geschlitzt wie im 16. Jahrhundert, und kokette Schleifchen sind, wo sie irgend
locken, aufgesteckt. Der Oberrock wird von der linken Hand hinaufgezogen, um
das engere Unterkleid sehen zu lassen. Um den Nacken zieht sich der steife,
breite Spitzenkragen.

Ueber die Kopfbedeckung ließe sich viel sagen oder vielmehr zeichnen, denn-
nur durch bildliche Darstellungen kann hier volle Deutlichkeit erreicht werden.

Noch bis in das 16. Jahrhundert wurden die Stirn- und Kinnbinden
von den Berheiralheten getragen, die in früherer Zeit unter dem Namen
„Gebende" bekannt waren. Ebenso blieb der altgermanische Schleier in Brauch,
der zierlich gefältelt von den Schläfen auf die Schultern siel und die Stirn
halb überragte. Er gab natürlich Platz für allerlei Zierrathen; galante Frauen¬
zimmer des 13. JahrhunderS, ebenso des 16. und 17., liebten ihn von gelber
Farbe. Nicht minder wechselte man in der Art ihn zu legen ab und be¬
schäftigte sich überhaupt viel damit, so daß seit dem 1i. Jahrhundert in den
Städten Schleierordnungen erlassen werden mußten.

Die Hauben waren, wie früher erwähnt, mehr Männertracht, kamen jedoch
seit dem 16. Jahrhundert auch bei dem weiblichen Geschlecht stärker in Auf¬
nahme. An den Hüten ließe sich die weibliche Erfindungsgabe glänzend nach¬
weisen: alle möglichen Formen in allen Stoffen sind ganz besonders in dem
Is. Jahrhundert üblich gewesen, und häufig genug waren sie ebenso geschmack¬
los wie viele moderne. Das 16. Jahrhundert hatte auch hier gediegenem
Sinn. Die Haube und das freigetragene Haar, daS Bänder und Federn
schmückten, arbeitete sich im 17. Jahrhundert hervor, um dann der französi¬
schen Unnatur zu erliegen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/159>, abgerufen am 23.07.2024.