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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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so wie bei ausgearteten Karolingern das römische Prunkgewand die heimische
Tracht verdrängte. Karl der Große hielt am Fränkischen mit Zähigkeit fest.

Den Chronisten, welche es nicht verschmähen, in die Berichte über Schlach¬
ten und diplomatische Verhandlungen Andeutungen herrschender ausschwei¬
fender Moden einzufügen, verdanken wir die Kunde des weiteren Fortgangs.
Seit dem 12. Jahrhundert springen dann noch reichere Quellen in den Ge¬
dichten und Abbildungen.

In Frankreich war in der zweiten Hälfte des -10. Jahrhunderts schon
viel Geckenhaftigkeit. Die Röcke wurden immer kürzer, die Aermel weiter, die
Beinkleider zur Pluderhose, die Schuhe zu lakirten Schnäbel". In Deutsch¬
land hielt man treuer an dem Schnitte der früher geschilderten Tracht fest,
ging aber sogar in den Mönchsklöstern in der Ausschmückung und der Wahl
feinerer Stoffe vorwärts. Namenilich wurde auf die Bedeckung des Beines
viel Sorgfalt verwandt. Die köstlichen Linnen, die verschiedenartigen Wollen¬
zeuge, die leichten und schweren, einfachen und durchwirkten Seidenstoffe, etwas
später auch die Baumwollengewebe flößen aus flandrischen, französischen und
englischen Fabriken, noch mehr aber aus Welschland und dem arabischen Spa¬
nien in den deutschen Handelsstädten zusammen und begegneten hier dem
köstlichen Pelzwerk, Vas aus Polen, Preußen und Nußland hereinkam. Der
Schnitt der Kleider blieb indeß bei den Männern bis gegen das Ende des
13. Jahrhunderts, und bei den Frauen noch länger der alte. >

Ueber dem Hemd also und dem "Niederkleib", das um die Hüften fest¬
gebunden daS ganze Bein bedeckte, trugen die Männer den langen Rock als
das Hauptgewand. Aus Jagden und Wanderungen ward er höher geschürzt,
am Halse hatte er öfters einen kleinen Ausschnitt, aus dem das Untergewand
hervorsah; die Aermel waren lang und eng. Zum vollen Anzug gehörte noch
der Mantel, der länger als der Rock hinabhing und auf der rechten Achsel
befestigt wurde. Auf Abbildungen von Fürsten bemerken wir übrigens einen
Dvppelrvck: der obere ist in Handschristzeichnungen deö 12. Jahrhunderts
kürzer und hat unten, an der rechten Seite einen runden Ausschnitt; seine
Aermel fallen ziemlich weit am Handgelenk ab, so daß die Unterärmel noch
sichtbar sind. Auf Gemälden des 13. Jahrhunderts ist dieser Ueberrock ohne
Aermel und aus seinen weiten, mit andersfarbigen Streifen besetzten Arm¬
löchern tritt das untere Gewand eng anliegend hervor. Der offene Mantel
ruht aus beiden Achseln, indem ein Band die beiden Hafte verbindet. Die
Farben der Gewänder waren gewöhnlich grün, roth, gelb, blau und zuweilen
braun; Mantel und Rock stachen in der Farbe ab, ebenso waren die hosen¬
artigen Strümpfe verschieden gefärbt. Seit dem 13. Jahrhundert begnügte
man sich häusig nicht mit einer einzigen Farbe deö Rockes, sondern setzte mehre
Farben und Zeuge zusammen und theilte entweder der Länge oder der Mille


so wie bei ausgearteten Karolingern das römische Prunkgewand die heimische
Tracht verdrängte. Karl der Große hielt am Fränkischen mit Zähigkeit fest.

Den Chronisten, welche es nicht verschmähen, in die Berichte über Schlach¬
ten und diplomatische Verhandlungen Andeutungen herrschender ausschwei¬
fender Moden einzufügen, verdanken wir die Kunde des weiteren Fortgangs.
Seit dem 12. Jahrhundert springen dann noch reichere Quellen in den Ge¬
dichten und Abbildungen.

In Frankreich war in der zweiten Hälfte des -10. Jahrhunderts schon
viel Geckenhaftigkeit. Die Röcke wurden immer kürzer, die Aermel weiter, die
Beinkleider zur Pluderhose, die Schuhe zu lakirten Schnäbel». In Deutsch¬
land hielt man treuer an dem Schnitte der früher geschilderten Tracht fest,
ging aber sogar in den Mönchsklöstern in der Ausschmückung und der Wahl
feinerer Stoffe vorwärts. Namenilich wurde auf die Bedeckung des Beines
viel Sorgfalt verwandt. Die köstlichen Linnen, die verschiedenartigen Wollen¬
zeuge, die leichten und schweren, einfachen und durchwirkten Seidenstoffe, etwas
später auch die Baumwollengewebe flößen aus flandrischen, französischen und
englischen Fabriken, noch mehr aber aus Welschland und dem arabischen Spa¬
nien in den deutschen Handelsstädten zusammen und begegneten hier dem
köstlichen Pelzwerk, Vas aus Polen, Preußen und Nußland hereinkam. Der
Schnitt der Kleider blieb indeß bei den Männern bis gegen das Ende des
13. Jahrhunderts, und bei den Frauen noch länger der alte. >

Ueber dem Hemd also und dem „Niederkleib", das um die Hüften fest¬
gebunden daS ganze Bein bedeckte, trugen die Männer den langen Rock als
das Hauptgewand. Aus Jagden und Wanderungen ward er höher geschürzt,
am Halse hatte er öfters einen kleinen Ausschnitt, aus dem das Untergewand
hervorsah; die Aermel waren lang und eng. Zum vollen Anzug gehörte noch
der Mantel, der länger als der Rock hinabhing und auf der rechten Achsel
befestigt wurde. Auf Abbildungen von Fürsten bemerken wir übrigens einen
Dvppelrvck: der obere ist in Handschristzeichnungen deö 12. Jahrhunderts
kürzer und hat unten, an der rechten Seite einen runden Ausschnitt; seine
Aermel fallen ziemlich weit am Handgelenk ab, so daß die Unterärmel noch
sichtbar sind. Auf Gemälden des 13. Jahrhunderts ist dieser Ueberrock ohne
Aermel und aus seinen weiten, mit andersfarbigen Streifen besetzten Arm¬
löchern tritt das untere Gewand eng anliegend hervor. Der offene Mantel
ruht aus beiden Achseln, indem ein Band die beiden Hafte verbindet. Die
Farben der Gewänder waren gewöhnlich grün, roth, gelb, blau und zuweilen
braun; Mantel und Rock stachen in der Farbe ab, ebenso waren die hosen¬
artigen Strümpfe verschieden gefärbt. Seit dem 13. Jahrhundert begnügte
man sich häusig nicht mit einer einzigen Farbe deö Rockes, sondern setzte mehre
Farben und Zeuge zusammen und theilte entweder der Länge oder der Mille


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[0152] so wie bei ausgearteten Karolingern das römische Prunkgewand die heimische Tracht verdrängte. Karl der Große hielt am Fränkischen mit Zähigkeit fest. Den Chronisten, welche es nicht verschmähen, in die Berichte über Schlach¬ ten und diplomatische Verhandlungen Andeutungen herrschender ausschwei¬ fender Moden einzufügen, verdanken wir die Kunde des weiteren Fortgangs. Seit dem 12. Jahrhundert springen dann noch reichere Quellen in den Ge¬ dichten und Abbildungen. In Frankreich war in der zweiten Hälfte des -10. Jahrhunderts schon viel Geckenhaftigkeit. Die Röcke wurden immer kürzer, die Aermel weiter, die Beinkleider zur Pluderhose, die Schuhe zu lakirten Schnäbel». In Deutsch¬ land hielt man treuer an dem Schnitte der früher geschilderten Tracht fest, ging aber sogar in den Mönchsklöstern in der Ausschmückung und der Wahl feinerer Stoffe vorwärts. Namenilich wurde auf die Bedeckung des Beines viel Sorgfalt verwandt. Die köstlichen Linnen, die verschiedenartigen Wollen¬ zeuge, die leichten und schweren, einfachen und durchwirkten Seidenstoffe, etwas später auch die Baumwollengewebe flößen aus flandrischen, französischen und englischen Fabriken, noch mehr aber aus Welschland und dem arabischen Spa¬ nien in den deutschen Handelsstädten zusammen und begegneten hier dem köstlichen Pelzwerk, Vas aus Polen, Preußen und Nußland hereinkam. Der Schnitt der Kleider blieb indeß bei den Männern bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts, und bei den Frauen noch länger der alte. > Ueber dem Hemd also und dem „Niederkleib", das um die Hüften fest¬ gebunden daS ganze Bein bedeckte, trugen die Männer den langen Rock als das Hauptgewand. Aus Jagden und Wanderungen ward er höher geschürzt, am Halse hatte er öfters einen kleinen Ausschnitt, aus dem das Untergewand hervorsah; die Aermel waren lang und eng. Zum vollen Anzug gehörte noch der Mantel, der länger als der Rock hinabhing und auf der rechten Achsel befestigt wurde. Auf Abbildungen von Fürsten bemerken wir übrigens einen Dvppelrvck: der obere ist in Handschristzeichnungen deö 12. Jahrhunderts kürzer und hat unten, an der rechten Seite einen runden Ausschnitt; seine Aermel fallen ziemlich weit am Handgelenk ab, so daß die Unterärmel noch sichtbar sind. Auf Gemälden des 13. Jahrhunderts ist dieser Ueberrock ohne Aermel und aus seinen weiten, mit andersfarbigen Streifen besetzten Arm¬ löchern tritt das untere Gewand eng anliegend hervor. Der offene Mantel ruht aus beiden Achseln, indem ein Band die beiden Hafte verbindet. Die Farben der Gewänder waren gewöhnlich grün, roth, gelb, blau und zuweilen braun; Mantel und Rock stachen in der Farbe ab, ebenso waren die hosen¬ artigen Strümpfe verschieden gefärbt. Seit dem 13. Jahrhundert begnügte man sich häusig nicht mit einer einzigen Farbe deö Rockes, sondern setzte mehre Farben und Zeuge zusammen und theilte entweder der Länge oder der Mille

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/152>, abgerufen am 23.07.2024.