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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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macherei ihre Zwecke am besten zu fördern meinten, so mag man sich vorstellen,
wie viele Gebildete sich der Poesie befleißigen, um ihr Glück zu machen.

Noch folgenreicher als diese Begünstigung der Poesie wirkte das Beispiel
Augusts und seiner Freunde. Zu seiner Ehre muß gesagt werden, daß sein
Interesse an der Literatur kein affectirtes war; er stand auf der Höhe der da¬
maligen Bildung. Die Anekdote (sei sie wahr oder erfunden), daß er einen
Consularlegaten (Militärgouverneur einer Provinz) abgerufen habe, weil er
sich in einer Depesche einen groben Sprachfehler zu Schulden kommen ließ,
beweist den Werth, den er auf Schulbildung legte. Sein Interesse an der
Literatur bekundete er nicht nur durch Beförderung und Unterstützung der
Dichter und Schriftsteller, sondern auch (was mehr war) durch lebhafte Theil¬
nahme für ihre Werke. Ihm verdankt das vierte Buch der horazischen Oden
seine Entstehung, die virgilische Aeneide ihre Erhaltung, und an ihn durfte
Horaz die Epistel richten, in der er die alte und neue Poesie gegeneinander
hielt. Aber auch an eignen Versuchen ließ August es nicht fehlen. Größten-
theils zwar waren diese in Prosa; mit der Poesie befaßte er sich, wie sein
Biograph sagt "nur obenhin". Ein größeres Gedicht eristirte von ihm über
Sicilien (vermuthlich beschreibend) in Herametern, und eine kleine Sammlung
von Sinngedichten, die er im Bade auszudenken pflegte. Eine Tragödie,
Ajax, hatte er mit großem Feuer begonnen, aber die Verse wollten nicht
fließen und er vernichtete den Anfang. AIs ihn seine Freunde fragten, waS
der Ajax mache? antwortete er, "er habe sich in den Schwamm gestürzt." Für
einen Staatsmann, auf dessen Schultern die Regierung der ganzen römischen
Welt lastete, sind dies immerhin Poesien genug. Von den hervorragenden
Männern in Augusts nächster Umgebung war wol nur der großartige Agrippa
der Poesie ganz fremd; die andern dilettirten alle mehr oder weniger darin, ob-
wol keiner mit besonderem Erfolg, am wenigsten Mäcen. Seine poetischen Spie¬
lereien waren, wie alles was er schrieb, in einer corrupten schwülstigen Manier,
August carrikirte spottend "die salbentriefenden Söckchen seines gleichsam mit
dem Brenneisen gekräuselten Stils." Eine Probe von seinen Versen mag hier
stehen, der merkwürdige Mann übertreibt darin die Lust an der süßen Ge¬
wohnheit des Daseins mit einer Art von heineschem Cynismus:


Mache lahm mich an Hand und Fuß,
Lahn an Schenkel und Huste.
Lade Schwär' und Buckel mir auf,
Gib mir wackelnde Zähne:
Darf ich leben nur, ists genug!
Leben laß mich, und müßt' ich
Höcker aus spitzigem Marterholz!

macherei ihre Zwecke am besten zu fördern meinten, so mag man sich vorstellen,
wie viele Gebildete sich der Poesie befleißigen, um ihr Glück zu machen.

Noch folgenreicher als diese Begünstigung der Poesie wirkte das Beispiel
Augusts und seiner Freunde. Zu seiner Ehre muß gesagt werden, daß sein
Interesse an der Literatur kein affectirtes war; er stand auf der Höhe der da¬
maligen Bildung. Die Anekdote (sei sie wahr oder erfunden), daß er einen
Consularlegaten (Militärgouverneur einer Provinz) abgerufen habe, weil er
sich in einer Depesche einen groben Sprachfehler zu Schulden kommen ließ,
beweist den Werth, den er auf Schulbildung legte. Sein Interesse an der
Literatur bekundete er nicht nur durch Beförderung und Unterstützung der
Dichter und Schriftsteller, sondern auch (was mehr war) durch lebhafte Theil¬
nahme für ihre Werke. Ihm verdankt das vierte Buch der horazischen Oden
seine Entstehung, die virgilische Aeneide ihre Erhaltung, und an ihn durfte
Horaz die Epistel richten, in der er die alte und neue Poesie gegeneinander
hielt. Aber auch an eignen Versuchen ließ August es nicht fehlen. Größten-
theils zwar waren diese in Prosa; mit der Poesie befaßte er sich, wie sein
Biograph sagt „nur obenhin". Ein größeres Gedicht eristirte von ihm über
Sicilien (vermuthlich beschreibend) in Herametern, und eine kleine Sammlung
von Sinngedichten, die er im Bade auszudenken pflegte. Eine Tragödie,
Ajax, hatte er mit großem Feuer begonnen, aber die Verse wollten nicht
fließen und er vernichtete den Anfang. AIs ihn seine Freunde fragten, waS
der Ajax mache? antwortete er, „er habe sich in den Schwamm gestürzt." Für
einen Staatsmann, auf dessen Schultern die Regierung der ganzen römischen
Welt lastete, sind dies immerhin Poesien genug. Von den hervorragenden
Männern in Augusts nächster Umgebung war wol nur der großartige Agrippa
der Poesie ganz fremd; die andern dilettirten alle mehr oder weniger darin, ob-
wol keiner mit besonderem Erfolg, am wenigsten Mäcen. Seine poetischen Spie¬
lereien waren, wie alles was er schrieb, in einer corrupten schwülstigen Manier,
August carrikirte spottend „die salbentriefenden Söckchen seines gleichsam mit
dem Brenneisen gekräuselten Stils." Eine Probe von seinen Versen mag hier
stehen, der merkwürdige Mann übertreibt darin die Lust an der süßen Ge¬
wohnheit des Daseins mit einer Art von heineschem Cynismus:


Mache lahm mich an Hand und Fuß,
Lahn an Schenkel und Huste.
Lade Schwär' und Buckel mir auf,
Gib mir wackelnde Zähne:
Darf ich leben nur, ists genug!
Leben laß mich, und müßt' ich
Höcker aus spitzigem Marterholz!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/15>, abgerufen am 23.07.2024.