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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Leipzig, Carl B. Lvrck. -- Die Bearbeitung -- ein Auszug aus zwei Werken des
bekannten kühnen Reisenden, die 1853 und 1855 in Neuyork erschienen -- hält
sich vorzüglich an die Erzählung der persönlichen Erlebnisse Kaltes, indeß ist auch
von den wissenschaftlichen Beobachtungen, die während der beiden Expeditionen ge¬
macht wurden, das allgemein Interessante mitgetheilt. Die Schilderung des Lebens
in den Polargegenden, dieser selbst, ihrer Natur und ihrer Menschen, ist zum Theil
meisterhaft, die Persönlichkeit Kaltes durch ihre Bescheidenheit und seine einsacke,
allem Redensarten-Humbug seiner Landsleute abgewandte Manier zu erzählen,
vorzüglich aber durch den Humor, den er sich in diesen Eiswüsten unter allerlei
Gefahren und Leiden bewahrte, überaus wohlthuend. Voraus geht eine Abhand¬
lung "i'. Karl Andres, in welcher derselbe sich über die Fragen: ob es möglich
sei, daß es am Pol wirklich ein großes offenes Meer gäbe, und ob 1856 noch
einige von Franklins Gefährten in den Ländern der Eskimos am Leben gewesen
sein könnten, verbreitet. --

Westslawischer Märchenschatz. Deutsch bearbeitet vou Josef Weuzig.
Leipzig, Carl B. Lvrck. -- Unter den Wcstslawcn meint der Titel nur die Böhmen,
Mähren und Slowaken. Das Buch ist eine recht werthvolle Bereicherung der von
den Grimms hervorgerufenen Literatur der Sagen- und Märchcnsammlungen. Ein
Theil des Inhalts stimmt mehr oder minder zu deutschen und nordischen Märchen.
Sehr vieles ist ganz neu. Der Ton ist mit Ausnahme einiger wenigen Stücke
vorzüglich gut getroffen. Durch das Ganze geht ein lebhafter, aber zugleick klarer
Geist, durch deu sich diese Volksdichtungen vortheilhaft vor denen der Sübslaweu
mit ihrer orientalische" Ueberfülle von Phantasie, so wie vor denen der Ostslawcu
mit ihrer ins Ungeheuerliche, Wüste und Kannibalische abschweifenden Hyperbolik
auszeichnen. Die böhmischen Märchen lassen dann wieder mehr Schalkhaftigkeit,
Witz und Humor, die mährischen und slowakischen mehr naive Treuherzigkeit her¬
vortreten. Merkwürdig ist die Auffassung des Teufels, der hier nicht immer wie
in den deutschen Märchen als der dumme Teufel auftritt, aber fast überall als ehr¬
liche Haut. Das Volk ist zu gut, ehrlich und gesellig, als daß es nicht selbst dem
Teufel Güte. Ehrlichkeit und Geselligkeit zutrauen sollte. Wer nicht flucht und
überhaupt brav ist, dem hilft dieser böhmische Teufel und zwar ohne Anspruch
auf seine Seele. In der Einsamkeit wird ihm ungemüthlich. Ein Mädchen, das
keinen Tänzer findet, zieht er ohne irgend andere Beweggründe als Mitleid, zum
Tanze auf. Daß er einmal aus Gefräßigkeit deu Armen ihr Almosen stiehlt, er¬
scheint seinen Kameraden in der Hölle als so schlecht, daß er zur Buße drei Jahre
aus der Welt dienen muß. Die zweite Abtheilung enthält Volkslieder, darunter
viele recht niedliche, und eine Sammlung von Sprichwörtern. Beigcgeben sind
einige Melodien, nach denen diese Lieder vom Volke gesungen werden. --




Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch. -- Verlag von F. L. Herbig.
in Leipzig.
Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

Leipzig, Carl B. Lvrck. — Die Bearbeitung — ein Auszug aus zwei Werken des
bekannten kühnen Reisenden, die 1853 und 1855 in Neuyork erschienen — hält
sich vorzüglich an die Erzählung der persönlichen Erlebnisse Kaltes, indeß ist auch
von den wissenschaftlichen Beobachtungen, die während der beiden Expeditionen ge¬
macht wurden, das allgemein Interessante mitgetheilt. Die Schilderung des Lebens
in den Polargegenden, dieser selbst, ihrer Natur und ihrer Menschen, ist zum Theil
meisterhaft, die Persönlichkeit Kaltes durch ihre Bescheidenheit und seine einsacke,
allem Redensarten-Humbug seiner Landsleute abgewandte Manier zu erzählen,
vorzüglich aber durch den Humor, den er sich in diesen Eiswüsten unter allerlei
Gefahren und Leiden bewahrte, überaus wohlthuend. Voraus geht eine Abhand¬
lung »i'. Karl Andres, in welcher derselbe sich über die Fragen: ob es möglich
sei, daß es am Pol wirklich ein großes offenes Meer gäbe, und ob 1856 noch
einige von Franklins Gefährten in den Ländern der Eskimos am Leben gewesen
sein könnten, verbreitet. —

Westslawischer Märchenschatz. Deutsch bearbeitet vou Josef Weuzig.
Leipzig, Carl B. Lvrck. — Unter den Wcstslawcn meint der Titel nur die Böhmen,
Mähren und Slowaken. Das Buch ist eine recht werthvolle Bereicherung der von
den Grimms hervorgerufenen Literatur der Sagen- und Märchcnsammlungen. Ein
Theil des Inhalts stimmt mehr oder minder zu deutschen und nordischen Märchen.
Sehr vieles ist ganz neu. Der Ton ist mit Ausnahme einiger wenigen Stücke
vorzüglich gut getroffen. Durch das Ganze geht ein lebhafter, aber zugleick klarer
Geist, durch deu sich diese Volksdichtungen vortheilhaft vor denen der Sübslaweu
mit ihrer orientalische» Ueberfülle von Phantasie, so wie vor denen der Ostslawcu
mit ihrer ins Ungeheuerliche, Wüste und Kannibalische abschweifenden Hyperbolik
auszeichnen. Die böhmischen Märchen lassen dann wieder mehr Schalkhaftigkeit,
Witz und Humor, die mährischen und slowakischen mehr naive Treuherzigkeit her¬
vortreten. Merkwürdig ist die Auffassung des Teufels, der hier nicht immer wie
in den deutschen Märchen als der dumme Teufel auftritt, aber fast überall als ehr¬
liche Haut. Das Volk ist zu gut, ehrlich und gesellig, als daß es nicht selbst dem
Teufel Güte. Ehrlichkeit und Geselligkeit zutrauen sollte. Wer nicht flucht und
überhaupt brav ist, dem hilft dieser böhmische Teufel und zwar ohne Anspruch
auf seine Seele. In der Einsamkeit wird ihm ungemüthlich. Ein Mädchen, das
keinen Tänzer findet, zieht er ohne irgend andere Beweggründe als Mitleid, zum
Tanze auf. Daß er einmal aus Gefräßigkeit deu Armen ihr Almosen stiehlt, er¬
scheint seinen Kameraden in der Hölle als so schlecht, daß er zur Buße drei Jahre
aus der Welt dienen muß. Die zweite Abtheilung enthält Volkslieder, darunter
viele recht niedliche, und eine Sammlung von Sprichwörtern. Beigcgeben sind
einige Melodien, nach denen diese Lieder vom Volke gesungen werden. —




Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch. — Verlag von F. L. Herbig.
in Leipzig.
Druck von C. E. Elbert in Leipzig.
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[0528] Leipzig, Carl B. Lvrck. — Die Bearbeitung — ein Auszug aus zwei Werken des bekannten kühnen Reisenden, die 1853 und 1855 in Neuyork erschienen — hält sich vorzüglich an die Erzählung der persönlichen Erlebnisse Kaltes, indeß ist auch von den wissenschaftlichen Beobachtungen, die während der beiden Expeditionen ge¬ macht wurden, das allgemein Interessante mitgetheilt. Die Schilderung des Lebens in den Polargegenden, dieser selbst, ihrer Natur und ihrer Menschen, ist zum Theil meisterhaft, die Persönlichkeit Kaltes durch ihre Bescheidenheit und seine einsacke, allem Redensarten-Humbug seiner Landsleute abgewandte Manier zu erzählen, vorzüglich aber durch den Humor, den er sich in diesen Eiswüsten unter allerlei Gefahren und Leiden bewahrte, überaus wohlthuend. Voraus geht eine Abhand¬ lung »i'. Karl Andres, in welcher derselbe sich über die Fragen: ob es möglich sei, daß es am Pol wirklich ein großes offenes Meer gäbe, und ob 1856 noch einige von Franklins Gefährten in den Ländern der Eskimos am Leben gewesen sein könnten, verbreitet. — Westslawischer Märchenschatz. Deutsch bearbeitet vou Josef Weuzig. Leipzig, Carl B. Lvrck. — Unter den Wcstslawcn meint der Titel nur die Böhmen, Mähren und Slowaken. Das Buch ist eine recht werthvolle Bereicherung der von den Grimms hervorgerufenen Literatur der Sagen- und Märchcnsammlungen. Ein Theil des Inhalts stimmt mehr oder minder zu deutschen und nordischen Märchen. Sehr vieles ist ganz neu. Der Ton ist mit Ausnahme einiger wenigen Stücke vorzüglich gut getroffen. Durch das Ganze geht ein lebhafter, aber zugleick klarer Geist, durch deu sich diese Volksdichtungen vortheilhaft vor denen der Sübslaweu mit ihrer orientalische» Ueberfülle von Phantasie, so wie vor denen der Ostslawcu mit ihrer ins Ungeheuerliche, Wüste und Kannibalische abschweifenden Hyperbolik auszeichnen. Die böhmischen Märchen lassen dann wieder mehr Schalkhaftigkeit, Witz und Humor, die mährischen und slowakischen mehr naive Treuherzigkeit her¬ vortreten. Merkwürdig ist die Auffassung des Teufels, der hier nicht immer wie in den deutschen Märchen als der dumme Teufel auftritt, aber fast überall als ehr¬ liche Haut. Das Volk ist zu gut, ehrlich und gesellig, als daß es nicht selbst dem Teufel Güte. Ehrlichkeit und Geselligkeit zutrauen sollte. Wer nicht flucht und überhaupt brav ist, dem hilft dieser böhmische Teufel und zwar ohne Anspruch auf seine Seele. In der Einsamkeit wird ihm ungemüthlich. Ein Mädchen, das keinen Tänzer findet, zieht er ohne irgend andere Beweggründe als Mitleid, zum Tanze auf. Daß er einmal aus Gefräßigkeit deu Armen ihr Almosen stiehlt, er¬ scheint seinen Kameraden in der Hölle als so schlecht, daß er zur Buße drei Jahre aus der Welt dienen muß. Die zweite Abtheilung enthält Volkslieder, darunter viele recht niedliche, und eine Sammlung von Sprichwörtern. Beigcgeben sind einige Melodien, nach denen diese Lieder vom Volke gesungen werden. — Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch. — Verlag von F. L. Herbig. in Leipzig. Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/528>, abgerufen am 01.07.2024.